Fürstenfeldbruck:Auserwähltes Gotteshaus

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Das Marienmünster in Fürstenfeld ist eine von sieben Kirchen der Diözese, in der Katholiken das vom Papst ausgerufene "Heilige Jahr der Barmherzigkeit" begehen. Dies erspart die obligatorische Pilgerfahrt nach Rom

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Mit dem neuen Kirchenjahr am ersten Advent beginnt für die Katholiken ein sogenanntes "Heiliges Jahr". Die mit diesem Ereignis normalerweise verbundene Pilgerfahrt nach Rom können sich Fürstenfeldbrucker diesmal jedoch ersparen. Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx hat nämlich die Klosterkirche in Fürstenfeld als einen von sieben Orten in seiner Diözese ausgewählt, an denen das Anliegen des von Papst Franziskus ausgerufenen "Heiligen Jahres der Barmherzigkeit" auch begangen werden kann. Laut Franziskus ist die Barmherzigkeit der "Tragbalken, der das Leben der Kirche stützt". An der Entscheidung des Münchner Kardinals, dass Gläubige auch in Fürstenfeld eine besondere Zeit des barmherzigen Handelns aus dem Glauben suchen können, ist der Fürstenfeldbrucker Dekan Albert Bauernfeind nicht ganz unschuldig.

Bauernfeind las in diesem Frühjahr, wie er berichtet, die päpstliche Verkündigungsbulle des Papstes zum Jahr der Barmherzigkeit bei einem Klinikaufenthalt und war sofort begeistert von dessen Wunsch, hierfür in allen Diözesen Kirchen von besonderer Bedeutung auszuwählen. Und Bauernfeind dachte sich sofort, das sei etwas Besonders für das zentrale Gotteshaus in seinem Pfarrverband Fürstenfeld. Er fragte in der Diözese nach, weil ein großes Thema des Raum- und Bilderprogramms der Asamfresken im Marienmünsters in Fürstenfeld die Barmherzigkeit ist. Der Dekan erwähnt zum Beispiel eine Darstellung von Jesus, der sich zu seiner Mutter Maria herunterbeugt, um sie in die Arme zu nehmen. Das seien Symbole, die Christen mit ihren Sinnen erfahren sollten. Als Ausdruck der Beziehung von Christus zu den Menschen und von Christen zu Gott. Was Bauernfeind an der Ankündigung des Papstes faszinierte, war die Aussicht, in seiner Klosterkirche das Heilige Jahr in gleicher Weise zu begehen wie in Rom. Seine frühe Nachfrage habe - davon ist der Fürstenfeldbrucker Pfarrer überzeugt - in der Diözese einen Denkprozess in Gang gesetzt.

Mit dem Ergebnis, dass die Klosterkirche in Fürstenfeld nun für ein Jahr in einer Reihe mit dem Liebfrauendom in München, der Domkirche in Freising, der ehemaligen Stiftskirche in Berchtesgaden, dem Kalvarienberg in Bad Tölz, Heilig Blut in Rosenheim und der Herz-Jesu-Kirche in München steht. Das alles sind Orte des Heiligen Jahres. Wie in der Peterskirche in Rom wird auch in Fürstenfeldbruck der Beginn des Jahres der Barmherzigkeit feierlich begonnen. Das geschieht in Fürstenfeld mit der Öffnung des rechten Seitenportals am 19. Dezember, dem Vorabend des vierten Advents, um 18 Uhr. Noch im November werden Jugendliche, das fast nie genutzte Portal mit ungebrannten Ziegelsteinen symbolisch verschließen. Auch wenn eine der Vorgaben der Diözese lautet, dass es keine großen Extras geben soll, arbeitet eine Arbeitsgruppe des Pfarrverbands zurzeit an einem Begleitprogramm für das Heilige Jahr der Barmherzigkeit in Fürstenfeld.

Heilige Jahre haben in der katholischen Kirche seit dem Mittelalter Tradition, sie fanden früher alle 25 Jahre statt und wurde unter bestimmten Bedingungen mit der Gewährung von Ablässen verbunden. Dazu gehörte die obligatorische Pilgerfahrt nach Rom mit einem Besuch jener Kirchen, die über eine sogenannte "heilige Pforte" verfügen. Gehen Gläubige durch diese, machen sie laut Bauernfeind sichtbar, in Jesus die Tür zu erkennen, die zum Leben führe. Mit der Ablasstradition breche Franziskus etwas, ergänzt der Dekan. Beim Jahr der Barmherzigkeit stehe nicht mehr der Ablass im Fokus, "wohl aber das christliche Handlen aus der Barmherzigkeit allen gegenüber". Demgegenüber ist ein Ablass ein mit einem frommen Werk verbundener kirchlicher Gnadenakt zum Erlass von Sünden. Der Ablasshandel war ein wesentlicher Punkt für die Kirchenspaltung und die Reformation von Martin Luther.

Die Auseinandersetzung mit der Barmherzigkeit bezeichnet Dekan Bauernfeind als Nagelprobe für Christen. In diesem Zusammenhang stelle sich die Frage: "Was trägt uns Christen?" Deshalb gehe es in den kommenden zwölf Monaten darum, alle die Lebensthemen, die Menschen bedrängten, bewusst zu machen. Barmherzigkeit zeige sich darin, Leben, das scheitert, zu heilen. Für ein gescheitertes Leben stehen für den Seelsorger vor allem Ausgeschlossene: also Flüchtlinge, Geschiedene oder Alleinerziehende. Für den Geistlichen gehören zudem Barmherzigkeit und das menschliche Gesicht zusammen - und er sieht in der Barmherzigkeit auch ein politisches Handlungsmotiv. In der aktuellen Flüchtlingsdiskussion sei die Rolle der Bundeskanzlerin "grandios", sagt Bauernfeind. Angela Merkel zeige ein wahrhaft menschliches Gesicht. Solche Überlegungen nun mit der Klosterkirche in Verbindung zu bringen und zu thematisieren, findet Bauernfeind "großartig".

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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