Fürstenfeldbruck:Auf Leben und Tod

Universitätsklinikum Dresden erhält neue Krebsstation

Einem Darmkrebspatienten, der sich in einer Klinik der Chemotherapie unterzieht, wird eine Kanüle zur künstlichen Ernährung gelegt.

(Foto: Arno Burgi/dpa)

Die Diagnose Darmkrebs trifft einen damals 64 Jahre alten Brucker wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Zwei Jahre später folgt die nächste Hiobsbotschaft: Leberkrebs. Positive Lebenseinstellung und Unterstützung der Familie helfen ihm dabei, die heimtückische Krankheit zu besiegen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Krebs. Natürlich hatte Michael Elstner (Name geändert) davon schon gehört, anrührende Geschichten über tragische Fälle gelesen. Aber weit weg. Als sein Arzt ihm dann das Ergebnis der Untersuchung mitteilt, scheint die Welt des Fürstenfeldbruckers einen Moment aus den Fugen zu geraten: Krebs. Diesmal keine Geschichte, die man überblättern kann. Diesmal ist er selbst es, der die leidvolle Erfahrungen macht.

Eltstner ist 74 und lebt seit mehr als 40 Jahren in der Kreisstadt. Mittlerweile hat er die heimtückische Krankheit, die zunächst im Verborgenen und damit unmerklich im Körper wuchert, besiegt. Vorerst jedenfalls, denn so richtig sicher sein kann man sich da nie. Wahrscheinlich hat ihm dabei seine positive Lebenseinstellung geholfen. Er hat sich nie aufgegeben. Vor allem wurde er von seiner Frau und seiner längst erwachsenen Tochter unterstützt. Ob er sonst dem psychischen und physischen Druck stand gehalten hätte? "Ich weiß es nicht", sagt Elstner, legt die Brille auf den Tisch und reibt sich die Augen.

Alles beginnt an jenem Tag im Februar 2006. Sein Hausarzt fragt ihn damals, ob er schon mal über eine Darmspiegelung nachgedacht habe. Da ist Elstner 64. Mediziner und Krankenkassen raten bereits im Alter von 50 bis 55 Jahren zur Krebsvorsorge. Eltstner macht das also. Weil in seiner Familie Krebs nie eine Rolle gespielt hat, wird er völlig kalt erwischt vom Ergebnis. Ein Tumor im Darm. "Das war schon ein Schock. Und natürlich kamen da auch Fragen auf wie: Warum ich?" Doch der Schock weicht dem unbedingten Willen, es zu schaffen. Elstner akzeptiert seine Situation, sagt dem Krebs gleichwohl aber den Kampf an. Bereits eine Woche später wird er im Krankenhaus Neuperlach operiert. Neun Tage bleibt er dort, nach weiteren zwei Wochen werden die Fäden gezogen. Alles scheint gut zu sein, auf die angebotene Reha verzichtet Elstner, nicht aber auf die vierteljährlichen Checkups, die ihm die Mediziner dringend ans Herz legen.

Eine weise Entscheidung. Denn 2009, gut zwei Jahre später, ergibt ein Test alarmierend hohe Blutwert des sogenannten Tumormarkers. Es folgen Röntgen- und Kernspin-Untersuchungen, dann steht fest: Michael Elstner hat Metastasen in der Leber. Niemand weiß zunächst, ob der Krebs bereits gestreut hat, sich also unwiderruflich verteilt hat. In Deutschland erkranken nach Schätzungen der Krebsgesellschaft derzeit jährlich etwa 8900 Menschen, mehr als zwei Drittel davon Männer. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei etwa 70 Jahren bei Männern und bei etwa 74 Jahren bei Frauen. Wird die Krankheit früh erkannt, gilt sie als therapierbar. In der Neuperlacher Klinik entfernen die Ärzte 40 Prozent des inneren Organs, das für den Stoffwechsel und den Abbau sowie die Ausscheidung von Giftstoffen zuständig ist und zudem lebenswichtige Proteine produziert und Glykogen und Vitamine speichert. Anschließend beginnt die kräftezehrende Chemotherapie. Über sechs Monate verteilt folgen zwölf Mal jeweils dreitägige Behandlungseinheiten. Elstner fallen die Haare büschelweise aus, die Geschmacksnerven sind gestört - "alles hat gleich geschmeckt". Vor allem aber werden Fingerspitzen und Zehen kälteempfindlich und kribbeln ständig. Die meisten Symptome legen sich wieder, das Kribbeln in den Füßen aber ist auch sechs Jahre nach der Chemo geblieben und schränkt den Mann ein: Bergwandern, das geht nicht mehr.

Aber Elstner will sich nicht unterkriegen lassen: "Ich hatte schon das Gefühl, dass die Behandlung wichtig ist, dass sie anschlägt und dass ich es schaffe." 2011 schließt er sich der Selbsthilfegruppe in Fürstenfeldbruck an - vor allem deshalb, weil er mehr erfahren will über diesen unsichtbaren Feind im eigenen Körper, dem in einer älter werdenden Gesellschaft immer mehr Menschen zum Opfer fallen. Drei Jahre lang besucht er regelmäßig die Treffen in einem Raum der Kreisklinik. Meist sind es sieben bis acht Menschen, die ihr Schicksal verbindet. Elstner spricht mit anderen Krebspatienten, die ein paar Wochen später sterben. So wie die beiden älteren Frauen, die dem Brustkrebs und dem Lymphdrüsenkrebs zum Opfer fallen. Das ist die dunkle Seite. Elstner kommt gar nicht mehr umhin, sich auch mit dem Tod zu beschäftigen. Vor dem hat er eigentlich keine Angst - eher schon vor den Schmerzen, die dem Tod vorangehen können. Er trifft in der Selbsthilfegruppe auch Leidensgenossen, die den Kampf zu gewinnen scheinen.

Seit zwei Jahren besucht Michael Elstner die Gruppe nicht mehr. "Ich hatte das Gefühl, dass sich einfach vieles wiederholt. Abgeschlossen ist das Kapitel aber nicht. Jedes halbe Jahr unterzieht sich der Brucker umfassenden Untersuchungen und schluckt regelmäßig Medikamente. Der Lebensmut ist geblieben, mögen längere Fußwege auch schmerzhaft sein. Und dennoch: "Ich fühle mich gut", sagt Elstner, der den beweis erbracht hat, dass der Krebs kein unbezwingbarer Gegner sein muss.

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