Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge in Fürstenfeldbruck:Asylbewerber auf der Straße

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Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Der Landkreis verschärft sein Vorgehen in der Asylpolitik: Asylbewerber, die anerkannt sind und deshalb eigentlich nicht mehr in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen dürfen, sollen künftig dort auch nicht mehr geduldet werden. Bisher hatte man ihren Verbleib in den Unterkünften toleriert, weil sie keine Wohnung finden. Diese Praxis werde man ändern, kündigte das Landratsamt an. Angesichts unverändert hoher Zuweisungsquoten sei es erforderlich, "die durch Fehlbeleger blockierten Unterbringungsplätze verfügbar zu machen".

Laut Landrat Thomas Karmasin (CSU) wohnen derzeit 109 sogenannte Fehlbeleger in den Unterkünften im Landkreis, davon 23 in der Erstaufnahmeeinrichtung im Fürstenfeldbrucker Fliegerhorst. "Das ist mal so eine Turnhalle", versuchte Karmasin am Donnerstag in der Kreisausschusssitzung die Dimension zu verdeutlichen. Das "Umschwenken" im Landratsamt macht uns allen Probleme", formulierte Olchings Bürgermeister und Kreisrat Andreas Magg (SPD). Denn wenn die Flüchtlinge ausziehen müssten, werde sich das rumsprechen "und dann stehen die bei uns". Mit "uns" meinte Magg die Städte und Gemeinden, denn die sind laut Gesetz für die Unterbringung Obdachloser zuständig. Wenn anerkannte Asylbewerber, die ihren Wohnort frei wählen und sich bundesweit eine Wohnung suchen können, nicht fündig werden, fallen sie unter das Obdachlosenrecht.

Die Landkreis-Bürgermeister sind sich nicht einig

Laut Landratsamt hat die für die Erstaufnahme zuständige Regierung von Oberbayern zwar zugesagt, darauf zu achten, dass im Fliegerhorst "keine Personen zugewiesen werden, bei denen mit einer Anerkennung während ihrer dortigen Unterbringung zu rechnen ist". Doch Zweifel seien angebracht, ob sich dies für alle Fälle voraussagen lasse. Unter den Landkreisbürgermeistern gibt es keinen Konsens darüber, die von Obdachlosigkeit bedrohten Flüchtlinge mittels fester Quote auf die Kommunen zu verteilen. Grünen-Kreisrat Jan Halbauer, der auch Stadtrat in Fürstenfeldbruck ist, versuchte es dennoch mit dem Antrag, einen entsprechenden Notfall-Mechanismus für eine automatische Verteilung von Fehlbelegern einrichten zu lassen. Dabei zog er sich den Unmut des SPD-Kollegen Magg zu, der kund tat, "dass er langsam etwas genervt" sei "von anhaltenden Belehrungen der Großen Kreisstadt und der derzeitigen grünen Regentschaft", die den anderen schon bei der jüngsten Bürgermeisterdienstbesprechung "gesagt hat, wie's geht".

Derzeit hat der Landkreis 2300 Asylbewerber aufgenommen, "mit deutlich zunehmender Tendenz", sagte Karmasin. Ein Drittel davon werde längerfristig bleiben, wenn "man unterstellt, dass die gehen, die müssen". Ein Drittel, das sind etwa 800 Menschen. Diese 800 hätten das Recht, ihre Familien nachzuholen, sagte Karmasin. Zunächst sei man von drei Familienmitgliedern ausgegangen, neueste Zahlen sprächen von fünf bis acht. Das mache mindestens 2400 Neubürger, "die alle Hartz IV kriegen. Ein paar arbeiten vielleicht". Karmasin erinnerte daran, dass der Landkreis die Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger zu zahlen habe: "Das wird bei den Haushaltsberatungen in den nächsten Jahren durchschlagen."

Wenn ein Drittel der Flüchtlinge bleibt, müssen 800 Wohnungen gebaut werden

Michael Schrodi (SPD) beklagte neuerlich, dass in Sachen sozialer Wohnungsbau nichts vorangehe: "Wir reden über dieses Thema seit fünf Jahren. Es ist kein Problem, das es erst seit den Flüchtlingen gibt." Auf die Einlassung von Petra Weber (SPD), man solle lieber in Wohnungsbau als in Obdachlosigkeit investieren, antwortete Karmasin, dass er nicht sicher sei, "ob alle Dimensionen bekannt" seien. Denn der Landkreis bräuchte dann 800 neue Wohnungen, "aber wo wollen wir die Grundstücke hernehmen?" Auch Michael Leonbacher (Freie Wähler) deutete die Unlösbarkeit des Problems an, als er ausrechnete, dass von den 150 000 neuen Wohnungen, von denen für Bayern die Rede sei, rechnerisch etwa 200 auf Gröbenzell entfallen würden: "Wir haben dort aber gerade mal acht gebaut." Die Kommunen bräuchten deshalb Hilfe, vom Landkreis müsse wenigstens eine Koordinierung ausgehen, forderte Leonbacher.

Halbauer zog seinen Antrag zurück. Die Begründung lieferte sein Parteikollege Martin Runge: Halbauer habe ein Zeichen setzen wollen, "um das Thema in die Diskussion zu bringen".

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SZ vom 24.10.2015
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