Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Appell an Mitmenschlichkeit

Gedenkfeier am Volkstrauertag vor der Leonhardikirche

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Als kurz vor dem Zwölfuhrläuten vor der Kirche Sankt Leonhard die Klänge der Nationalhymne in der Hauptstraße verhallen, werden die wenigsten der ohnehin nur wenigen Passanten am Sonntagmittag etwas damit anfangen können. Die Überfahrt über die Amperbrücke ist gesperrt, der Verkehr fließt an der Kirche vorbei, vor der sich nach dem Gottesdienst mit dem katholischen und dem evangelischen Militärpfarrer die Abordnungen von Bundeswehr, Polizei, Feuerwehr sowie Vertreter der Brucker Politik und Gesellschaft aufgestellt haben. Es ist wieder Volkstrauertag, es ist wieder eine Stunde Zeit, der Toten aus Kriegen und Gewaltherrschaft zu gedenken.

Was für ein Tag das ist und welche Bedeutung er haben sollte, erfahren die Anwesenden von Fürstenfeldbrucks Kulturreferentin Birgitta Klemenz. Über dem Portal der Leonhardikirche appellieren die dort aufgemalten Worte "Gedenket unserer Gefallenen", wobei dies nur wenige Menschen ansprechen dürfte, wenn sie es überhaupt wahrnehmen. Birgitta Klemenz sieht den Volkstrauertag anders und formulierte es so: "Man hat uns als Volk aufgetragen, zu erinnern und zu trauern." Man dürfe sich der Erinnerung nicht entziehen, sagt Klemenz in ihrer Ansprache, aber auch nicht in Ritualen erstarren. Sie nennt Hass, Unmenschlichkeit und Verrohung als Beispiele für die Ursachen von Gewalt und fordert dazu auf, sich dagegen zu stellen. Sie sieht es als Pflicht an, sich damit nicht abzufinden, sondern etwas zu unternehmen, "dann macht ein Tag wie heute Sinn". Welche Bedeutung der Volkstrauertag hat, warum er "verordnet und verortet" sei, wie Klemenz sagt, das erläutert der evangelische Militärdekan Heiko Schulz zu Beginn des Gottesdienstes in der Leonhardikirche. Den Gefallenen der Weltkriege, der Vertriebenen und der durch die NS-Gewaltherrschaft werde an diesem Tage ebenso gedacht wie der Opfer von Kriegen, Gewalt und Terror und ebenso an die im Einsatz getöteten Bundeswehrsoldaten.

Andreas Vogelmeier, katholischer Militärdekan in Fürstenfeldbruck, nimmt sich im Wortgottesdienst der Konsequenzen des menschlichen Handelns an und auch der Grenzen, die den Menschen gesetzt sind.

Fürstenfeldbrucks Oberbürgermeister Erich Raff erinnerte in seinem Grußwort an den 100. Jahrestag des Volkstrauertages, der im ersten Jahr nach dem Ersten Weltkrieg vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge initiiert worden war. Unter dem Leitspruch "Versöhnung über den Gräbern - Arbeit für den Frieden" leiste der Volksbund seine Arbeit unter anderem auch auf dem Friedhof für Kriegsgefangene am Henrik-Moor-Weg in Fürstenfeldbruck.

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Quelle:
SZ vom 18.11.2019
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