Fürstenfeldbruck:Antisemitismus als Motiv

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Der Gröbenzeller Historiker Sven Deppisch beschäftigt sich mit den Leugnern des Holocausts sowie ihren Methoden und Zielen

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Als Sven Deppisch sein Buch über die Geschichte der Polizeischule Fürstenfeldbruck in der NS-Zeit vor drei Jahren vorstellte, beschwerte sich ein Brucker massiv darüber. Der Mann stellte in einem Brief die rhetorische Frage, wann "endlich Schluss mit gefälschten und polemischen Dokumenten über die angeblichen Verbrechen unserer Väter und Großväter" sei, die "als tapfere Soldaten von Hitler missbraucht wurden". Er berief sich dabei auf einen Autoren, der selbst zu den sogenannten Revisionisten gezählt werden müsse und der etwa die Konzentrationslager als vorbildlich darstellte, wie Deppisch in einem von der Volkshochschule Bruck veranstalteten Vortrag zum Thema Holocaust-Leugnung erklärte.

Der Gröbenzeller Historiker hat sich bereits während des Studiums dafür interessiert, warum Menschen die Verbrechen der Nationalsozialisten relativieren, kleinreden oder sogar komplett leugnen. Die Auseinandersetzung über die Polizeischule habe ihm gezeigt, dass das Thema durchaus lokalen Bezug hat. In seinem Vortrag, dem mehr als ein Dutzend Zuhörer digital folgten, hat Deppisch nun die Holocaustleugnung systematisch behandelt.

Er spannte den Bogen von den Maßnahmen des NS-Regimes die Spuren zu verwischen, den ersten plumpen Versuchen der Leugnung in der Nachkriegszeit bis hin zu den systematischen Anstrengungen von Männern wie Thies Christophersen oder Robert Faurisson und der Gründung entsprechender Einrichtungen in Australien, Belgien oder den USA in den Siebzigerjahren, dem berüchtigten Leuchter-Report (1988), der die Existenz von Gaskammern bestritt, bis hin zu einem Kongress, der 1990 in München stattfand. Dort erklärte der britische Historiker David Irving, in Auschwitz habe es niemals Gaskammern gegeben und die den "Touristen" vorgeführten Gebäude seien "Attrappen".

Die Masche sei immer gleich, erklärte Deppisch. Die Revisionisten, die in Frankreich als Negationisten bezeichnet werden, stellten Behauptungen auf, die nicht zu beweisen seien, und führten Quellen an, die nicht überprüft werden können, angeblich geheime Dokumente, Archive oder Zeugen, oder sie würden Quellen bewusst falsch interpretieren. Zur Methode gehöre eine "Wissenschaftsmimikry in der äußeren Form". Gemeint ist, dass die Machwerke äußerlich wie Fachliteratur daherkämen, mit Zitaten, Fußnoten und Literaturverzeichnis.

In den vergangenen Jahrzehnten sei Holocaust-Leugnung zu einem globalen Phänomen geworden, berichtete Deppisch. Dazu habe das Internet beigetragen, wo man einschlägige Schriften finden und umsonst herunterladen könne. Außerdem gebe es einen Schulterschluss zwischen westlichen und nahöstlichen Revisionisten. So habe das Institut für politische und internationale Studien des iranischen Außenministeriums 2006 eine Internationale Holocaust-Konferenz in Teheran veranstaltet.

Die Motivation ist unterschiedlich, aber stets antisemitisch grundiert. Der damalige Präsident Mahmud Ahmadinedschad hatte mehrfach den Holocaust geleugnet und wie andere iranische Politiker gedroht, Israel auszulöschen. Westlichen Revisionisten geht es darum, den Nationalsozialismus zu entlasten und Deutschland als Opfer der Alliierten und der Juden hinzustellen. Deppisch arbeitete sehr gut heraus, dass es sich bei der Holocaust-Leugnung um eine weitere antisemitische Verschwörungstheorie handelt.

Denn angesichts der Tatsache, dass Zehntausende von Dokumenten, Fotos und Zeugenaussagen existieren, stellt sich die Frage, wer alle diese Quellen gefälscht haben soll. In der Logik der Holocaust-Leugner können dies nur die Alliierten zusammen mit den Juden gewesen sein. Wie bei anderen Verschwörungsfantasien, etwa zur Mondlandung, müssten so viele Menschen daran beteiligt gewesen sein, was es unwahrscheinlich macht, dass das Komplott nicht schnell auffliegt. Schon bei einem wesentlich kleineren Kreis von Beteiligten ist Geheimhaltung unmöglich, wie etwa die Watergate-Affäre zeigt.

In der Diskussion ging es auch um die Frage, wie man Holocaust-Leugnern am besten begegnet. Deppisch wog die Vor- und Nachteile des Ignorierens wie des Dialogs ab und verwies auf die Mühen der Aufklärung. Bei Überzeugungstätern dürfte diese ohnehin nicht verfangen. Den Revisionisten gehe es nicht um Fakten oder die historische Wahrheit, betonte Deppisch. "Vielmehr wollen solche Leute auf diesem Wege ihre Wunschvorstellung von der deutschen Geschichte und zugleich Judenhass verbreiten."

© SZ vom 15.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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