Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:An den Grenzen der Satire

Der im Januar geplante Auftritt von Lisa Eckhart im Veranstaltungsforum hat in Fürstenfeldbruck eine politische Diskussion ausgelöst. Der umstrittenen Kabarettistin werden Witze über Juden als antisemitisch vorgeworfen

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Im Januar soll die umstrittene österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart im Veranstaltungsforum Fürstenfeld gastieren. Ihr werden antisemitische Witze und Breitseiten gegen den Feminismus vorgeworfen, während ihre Verteidiger argumentieren, sie greife Vorurteile bloß auf, um diese zu entlarven. Etliche Stadträte sind alles andere als begeistert von dem geplanten Auftritt, betonen jedoch, dass sie sich ins Programm nicht einmischen wollen.

Bei einem Auftritt 2018 fragte Eckhart, ob die Me-too-Bewegung, die sich gegen sexualisierte Gewalt, Missbrauch, Nötigung und Vergewaltigung von Frauen wendet, nicht antisemitisch sei, weil Harvey Weinstein, Woody Allen und Roman Polanski Juden seien. Später fügte Eckhart hinzu: "Was tun, wenn die Unantastbaren beginnen, andere anzutasten? (...) Die Heilige Kuh hat BSE." Es folgte die Bemerkung: "Am meisten enttäuscht es von den Juden, da haben wir immer gegen den dummen Vorwurf gewettert, denen geht es nur ums Geld, und jetzt plötzlich kommt raus, denen geht es wirklich nicht ums Geld, denen geht es um die Weiber, und deswegen brauchen sie das Geld."

Zwei Jahre später folgte wieder eine Bemerkung über Juden und Frauen. Eckhart fragte in einer Aufzeichnung des Programms "Vorteile des Lasters", das auch im Veranstaltungsforum aufgeführt werden soll, warum nur die Juden einen speziellen Humor ausgebildet hätten, nicht aber die Frauen, obwohl beide doch seit Jahrhunderten unterdrückt würden. Darin seien die Juden den Frauen "um zwei Nasenlängen voraus". Davor räsoniert Eckhart noch darüber, dass Frauen sich heutzutage nicht mehr hoch schlafen müssten, weil es die Quote gebe. Früher hätten Frauen die Vagina noch benutzen müssen, heute müssten sie diese bloß noch haben.

Einige Brucker Stadträte, die alle dem zuständigen Kultur- und Werkausschuss angehören, sind sich einig, dass die politischen Gremien nicht in die Programmgestaltung des Veranstaltungsforums eingreifen sollten, wie etwa Kulturreferentin Tina Jäger (SPD) betont. Klaus Wollenberg (FDP) sagt, als Liberaler sei er zwischen Meinungsfreiheit und Zensur hin- und hergerissen, aber einem Verbot würde er keinesfalls zustimmen.

Konsens besteht aber auch darin, dass "Satire nicht alles darf", wie Christian Stangl (Grüne) im Gegensatz zu einem Bonmot sagt, das auf Kurt Tucholsky zurückgeht. Die Kulturreferentin findet die Aussagen Eckharts "diskriminierend". Was die Kabarettistin biete sei "Humor auf Kosten einer bestimmten Gruppe und zielt auf Vorurteile ab", sagte Jäger. Sie würde "jegliche Witze auf Kosten einer bestimmten Gruppe" ablehnen. Wollenberg meinte zu Eckharts Äußerungen über Juden und ihre vermeintlichen Eigenschaften: "Damit spielt man nicht. Das ist nicht irgendein Thema, da ist man in der Verantwortung".

Wollenberg würde sich wünschen, dass eine Diskussion mit der Künstlerin möglich wäre, dass sich Eckart der Kritik stellt, auch wenn er die Gefahr sieht, dass ein solches Angebot im Anschluss an den Auftritt im Veranstaltungsforum noch mehr Werbung für die Künstlerin wäre.

Der zweite Bürgermeister findet, Eckart

"marschiert an der Grenze lang". Es bleibe unklar, ob sie Vorurteile im Publikum anspreche, um den Leuten den Spiegel vorzuhalten, oder ob sie Ressentiments bloß aufgreife und bestätige. Stangl berichtet, dass der Auftritt im Stadtrat hinter den Kulissen schon ein Thema sei. Er sehe die Angelegenheit jedoch "gelassen" und spricht von einem "Sturm im Wasserglas". Sollte sich jedoch "ein Sturm der Entrüstung" entwickeln, müsste das Veranstaltungsforum mit der Kritik leben.

Vom Veranstaltungsforum konnte die SZ in den vergangenen Tagen keine Stellungnahme bekommen, weil die Verantwortlichen im Weihnachtsurlaub weilen. Oberbürgermeister Erich Raff (CSU) sagte, er kenne Eckharts Auftritte nicht und könne dazu nichts sagen.

Als Koryphäe darf Florian Weber gelten, der die Satirepartei Die Partei im Stadtrat vertritt. Aber auch er findet Lisa Eckhart nicht witzig: "Das ist nicht mein Geschmack, das ist kein Programmpunkt, den ich befürworten, sondern ablehnen würde." Die Äußerungen der Kabarettistin richten sich seiner Ansicht nach nur gegen Gruppen, die mit Benachteiligungen und Diskriminierungen zu kämpfen haben. Für Satire gelte jedoch ein klarer Maßstab, sagt Weber: "Satire sollte nach oben und nicht nach unten treten." Das trifft sich mit Tucholskys Intention, der erklärte: "Eine Satire, die zur Zeichnung einer Kriegsanleihe auffordert, ist keine."

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Quelle:
SZ vom 28.12.2021
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