Fürstenfeldbruck:Als die Pferde am Heiligen Abend noch sprachen

Perchten

Perchten-Läufe wie hier in Fürstenfeldbruck gehören zu altem weihnachtlichen Brauchtum.

(Foto: Günther Reger)

Christbaum und Adventskranz verdrängten erst nach dem Ersten Weltkrieg die älteren und bäuerlichen Weihnachtsbräuche im Brucker Land

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Bräuche gelten als altehrwürdig und unveränderlich und werden gerne bis auf eine heidnisch-germanische Frühgeschichte zurückdatiert. Deswegen empören sich manche über Halloween als amerikanischen Import oder glauben, der Weihnachtsmann stamme aus der Werbung eines US-Getränkeherstellers. Dabei haben sich Adventskranz und Christbaum, Bescherung an Heiligabend und das Christkind erst im 20. Jahrhundert im Brucker Land verbreitet.

Die meisten älteren Bräuche sind im Landkreis ausgestorben, erzählt Kreisheimatpfleger Toni Drexler. Manche werden wieder aufgenommen, wie das "Frauentragen" in Gernlinden, das es auch noch in Gröbenzell gibt. Dabei wird im Advent eine Muttergottesfigur von Haus zu Haus getragen und jeweils für einen Tag beherbergt. Gehalten hat sich das Luzienhäuschen-Schwimmen am 13. Dezember in Bruck, das in Rechnungsbelegen des Marktes schon anno 1621 erwähnt wird.

Mit dem Winter begann früher das Bauernjahr, mit dem Advent das Kirchenjahr. Der Martinstag am 11. November war ursprünglich der Tag der Bescherung. Bedienstete und Kinder bekamen Geschenke. Um 1500 war das Martinsfest so wichtig wie Weihnachten. Im Mittelalter war es der Zahltag, an dem Zinsen bezahlt und Naturalien abgeliefert wurden, etwa fette Gänse beim Pachtherrn. Die Martinsumzüge kamen erst nach dem Zweiten Weltkrieg bei uns auf, mitgebracht von den sogenannten Heimatvertriebenen.

Die dunkle Jahreszeit war die Zeit der Raunächte, in denen finstere Gestalten und Geister ihr Unwesen trieben. Das Perchtenwesen boomt allerdings erst richtig seit dem späten 20. Jahrhundert, mittlerweile gibt es in auch in Bruck einen Verein. In den Klöpflesnächten an den drei Donnerstagen im Advent zogen arme Kinder von Haus zu Haus, sangen ein Lied, sagten einen Spruch auf und bekamen Obst, Nüsse, Kuchen oder einen Groschen, erzählt Drexler. Früher waren erwachsene Arme, teilweise vermummt, mit kleinen Holzhämmern und Stöcken unterwegs. Manchmal kam es zu Auseinandersetzungen, wobei auch mal ein Fenster zu Bruch ging, wie für Geltendorf belegt. Der Brauch ist nach Angaben des Kreisheimatpflegers noch 1908 in Mittelstetten mit Kindern und Erwachsenen dokumentiert.

Der Vorabend zum Thomastag am 21. Dezember galt als weitere Raunacht und wurde im Brucker Land als "Loznacht" begangen. Der Begriff leitet sich vom Los im Sinn von Schicksal ab. An dem Abend widmete man sich der Wahrsagerei, befragte Orakel und versuchte Liebeszauber. Davon übrig geblieben ist das Bleigießen an Silvester.

Christbäume und Adventskranz sind protestantischen Ursprungs und fanden sich zuerst in höfischen Kreisen und im städtischen Bürgertum, sagt Drexler. Im katholischen Altbayern habe Karoline, die Gemahlin von König Ludwig I., die aus Baden stammte und protestantisch war, solche Bräuche gefördert. Das Christkind und der Weihnachtsmann tauchen im Biedermeier auf. Das Christkind war erst evangelisch, der Nikolaus katholisch, im 20. Jahrhundert wird das Christkind im Süden heimisch, während der Weihnachtsmann den Norden beglückt. Vor knapp einer Generation war der Nikolaus noch eine drohende Gestalt. Assistiert vom Krampus strafte er böse Kinder mit der Rute oder steckte sie in einen Sack.

Solche schwarze Pädagogik geht auf die Gegenreformation zurück, als die Kirche Nikolausspiele initiierte. Der Nikolaus fragte die Kleinen nach dem Glaubensbekenntnis oder ließ sich Gebete aufsagen und die Unwissenden vom Krampus bestrafen. Im westlichen Landkreis tauchte der Nikolaus als Klas auf, sein weibliches Pendant war die Kläsin, sagt Drexler. Der Kreisheimatpfleger kennt diesen Brauch nur vom Hörensagen, aus Erzählungen älterer Leute.

Während Weihnachten in städtisch-bürgerlichen Kreisen bereits als Familienfest gefeiert wurde, galt es in ländlichen Gebieten früher als Anlass für eine üppige Feier. Nach mehrmaligem Kirchgang und strengem Fasten wurde nach der Christmette ordentlich aufgetischt. Dazu gehörte als Spezialität die Metzelsuppe, sagt Drexler, eine kräftige Brühe, die bei der Herstellung von Würsten entstand. Der Heilige Abend galt als wichtige Raunacht, manche glaubten, Tiere könnten in dieser Nacht sprechen. Mancher Bauer ging um Mitternacht zu den Pferden in den Stall, um zu hören, was sie über die Knechte erzählten.

Nach dem Ersten Weltkrieg setzten sich die heutigen Formen des Weihnachtsfestes durch. Der Christbaum erlebte seinen Durchbruch, nachdem Tannenbäume von Soldaten als Symbole für die Heimat aufgestellt worden waren. Der Film "Merry Christmas" (2005) zeigt diese Form der Verbrüderung zwischen den Schützengräben. In der Folge verdrängten Christbaum und Adventskranz das Tannengrün, das bis dahin in der Stube zu finden war, sowie die Paradeiserl, dreieckige Pyramide aus Äpfeln mit vier Kerzen drauf. Die Bescherung verschob sich auf den Heiligen Abend.

Auch Bräuche, die nach Heiligabend die Weihnachtszeit beschließen, haben sich stark verändert. Früher fand am Zweiten Weihnachtsfeiertag, dem Stephanstag, ein Stephaniritt in Esting statt, auch der Willibaldsritt in Jesenwang hatte einige Jahrzehnte lang dieses Datum. Ein Kirchenrennen mit Pferden in Stefansberg ist bis ins 17. Jahrhundert belegt. Geblieben ist der Silvesterritt in Türkenfeld, der dem Viehpatron seit 1807 gewidmet ist, als das Dorf von einer Seuche verschont blieb.

Der Dreikönigstag galt früher als Neujahrsbeginn, wie der Volkskundler Karl von Leoprechting Mitte des 19. Jahrhunderts notierte. Der Vorabend wurde als gefährlichste Raunacht angesehen, weshalb die Sternsinger Weihrauch mitbrachten und ins Haus bliesen. Mit geweihter Kreide schrieben sie das Segenszeichen C+M+B an Haustüren, die lateinische Abkürzung für den Wunsch: Christus segne dieses Haus. Einst waren Sternsinger arme Leute, die tagelang unterwegs waren, um Almosen zu sammeln. In den Rechnungsbüchern von Kloster Fürstenfeld sind Gaben bereits 1566 verzeichnet, die Menschen kamen aus Murnau, Andechs und München.

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