Fotos aus Afghanistan:"Wir leben nicht, wir atmen nur"

Fotos aus Afghanistan: Bilder von afghanischen Fotografen hat Jamal Farani in seinen Kalender aufgenommen.

Bilder von afghanischen Fotografen hat Jamal Farani in seinen Kalender aufgenommen.

(Foto: Leonhard Simon)

Der Brucker Jamal Farani sammelt Geld für die Menschen in seinem Heimatland. Er kauft dort Lebensmittel für Familien und verteilt Geld an Behinderte und Straßenverkäufer. Mit seinem Kalender unterstützt er sie zusätzlich.

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

In Afghanistan herrschen seit mehr als 40 Jahren Krieg und Bürgerkrieg. Als Jamal Farani 1981 flüchtet, sind die Menschen einem Stellvertreterkrieg zwischen Ost und West. Dann regieren Islamisten, die der Westen gefördert hatte, schließlich die Taliban, die nach den Terroranschlägen von 9/11 gestürzt werden, es folgen weitere Kämpfe, die Niederlage der Nato und erneut ein Regime von Gotteskriegern.

Farani flieht nach Pakistan, 1985 kommt er in der Bundesrepublik an. Er absolviert im Brucker Klinikum eine Lehre als Elektriker und arbeitet als Medientechniker bei einer Münchner Firma. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Bruck. Seit 2015 produziert Farani einen Kalender, um Geld zu sammeln. Einmal im Jahr fliegt er nach Kabul, um den Erlös zu verteilen.

Im Juni war Farani dort und kaufte Mehl, Öl, Zucker, Tee und Bohnen für mehr als 123 Familien ein. Die Menschen hungern nicht nur wegen der Dikatur, sondern wegen der anhaltenden Tockenheit. Die Afghanen gehören zu den ersten Opfern der Klimakatastrophe.

Freunde in Kabul sprechen für ihn bedürftige Familien an. Einen Teil des Geldes verteilt Farani an Behinderte und Straßenverkäufer, darunter Professoren oder Musiker, die nicht mehr auftreten, weil die Taliban Musik und Tanz ablehnen. "Ich hatte das Gefühl, jeder ist arbeitslos", erzählt Farani. Die Menschen verkaufen ihre Habseligkeiten oder ziehen mit Karren durch die Straßen und bieten Obst und Gemüse an. "Wir leben nicht, wir atmen nur", das sagten die Leute.

Nie ist Farani ohne Begleitung unterwegs. Alle paar hundert Meter werde man an Checkpoints kontrolliert. Vor dem Sieg der Taliban sei das Reisen insofern gefährlicher gewesen, als diese ständig Bombenattentate verübten.

Vor einem Jahr hat Farani das Projekt "Stoff statt Plastik" initiiert. Er gibt das Geld, Bekannte kaufen Nähmaschinen und Stoffe und Frauen, die dadurch ein Einkommen erzielen, fertigen Stofftüten an. Die Taliban stoppten das Projekt, aber irgendwie geht es weiter. Vergangene Woche hätten seine Freunde 100 Stofftaschen an eine Klinik geliefert, erzählt er.

Schon hat Farani die nächste Idee: Auf den Plätzen stünden ab dem frühen Morgen viele Männer, die sich als Tagelöhner verdingen, auf dem Bau oder für Malerarbeiten. Er möchte zehn bis 15 Leute für ein paar Monate einstellen, um Plastik in den Straßen einzusammeln, möglichst in Kooperation mit der Stadtverwaltung, die Lastwagen stellen könnte.

Faranis Hilfe ist privat, vor Ort in Afghanistan hat er ein Netzwerk von Helfern. Im Landkreis unterstützt ihn etwa die Firma Wegner in Emmering. Der Imker Siegfried Höppner aus Schöngeising spendet Honig, den Farani zusammen mit dem Kalender verkauft. Dazu ein Kochbuch mit afghanischen Rezepten, das seine Frau Ingela Farani zusammengestellt hat, die auch Kochkurse gibt, um Geld zu sammeln. Die Fotos für die Kalender bearbeitet Andreas Bals, ein Brucker Freund.

Ein paar Aufnahmen stammen von Farani selbst, die meisten jedoch von drei Fotografen in Afghanistan, die am Erlös beteiligt werden. Sie könnten nur wenig Geld verdienen, weil es unter dem Taliban-Regime schwierig sei, irgendwohin zu fahren, um Aufnahmen zu machen. Manche Fotos sind mit Hilfe von Drohnen entstanden, erzählt er.

Die Bilder zeigen die schönen Seiten des Landes, Menschen, Dörfer, Städte, Landschaften und Sehenswürdigkeiten, etwa einen buddhistischen Tempel, der an einem früheren Pilgerweg gelegen ist. Er führt von Indien nach Bamijan zu den riesigen Buddha-Statuen, die von den Taliban 2001 gesprengt wurden.

Der Kalender kann über die Emailadresse jamal.farani@yahoo.de bestellt werden

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