Friedhofsverordnung:Bruck setzt Zeichen gegen Kinderarbeit

Auf den Friedhöfen der Kreisstadt dürfen in Zukunft nur noch Grabsteine aufgestellt werden, für die eine sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigung vorliegt. Kontrollieren oder ahnden lassen sich Verstöße aber wohl kaum

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Grabsteine, die teilweise in Kinderarbeit bearbeitet worden sind, sollen in der Kreisstadt nicht aufgestellt werden dürfen. In die neue Friedhofsverordnung wird ein entsprechender Passus aufgenommen, der die Vorlage von Bescheinigungen oder Zertifikaten fordert. Die Brucker Friedhofsverwaltung hat von einer solchen Novellierung abgeraten, weil sie die Auflage für kaum durchsetzbar und kontrollierbar hält. Gleichwohl haben sich auch viele Skeptiker bei der Debatte im Stadtrat umstimmen lassen, wollen sie doch ein deutliches Zeichen setzen. Die begrenzten Mittel, mögliche Verstöße zu ahnden, werden bewusst in Kauf genommen. Herwig Bahner (CSU) stimmte als einziger gegen die Aufnahme eines solchen Zusatzes. Er spricht von "unpraktikabler Überregulierung" und sieht nicht die Stadt in der Pflicht, ein solches Verbot von Kinderarbeit zu regeln und durchzusetzen, sondern bestenfalls Landtag oder Bundesrat.

Man kennt die Bilder aus Bergwerken, Fabriken oder auch Steinbrüchen asiatischer, afrikanischer oder süd- und mittelamerikanischer Länder. Viele Kinder haben nicht die Möglichkeit, eine Schule zu besuchen. Sie müssen mit anpacken, um ihrer Familie das Überleben zu sichern - und ruinieren dabei regelmäßig ihre Gesundheit. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation ILO werden weltweit mehr als hundert Millionen Minderjährige ausgebeutet. Nach Schätzung des Naturwerkstein-Verbands kommen bis zu 50 Prozent der Grabsteine auf heimischen Friedhöfen aus Indien, andere Experten sprechen sogar von 80 Prozent. Wie viel Kinderarbeit darin steckt, lässt sich kaum abschätzen.

Vor kurzem hatte der Hauptausschuss dieses Thema nur angeschnitten. Auf Vorschlag von Andreas Lohde (CSU) prüfte die Stadtverwaltung die Umsetzung und kam nun zu dem ablehnenden Votum. Stephan Zenk und Detlev Kollmannsberger, die für Waldfriedhof und Alten Friedhof zuständigen sind, rieten von dem Passus eher ab. Zwar gibt es seit September in Form des "Gesetzes zur Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit bei der Grabsteinherstellung" eine rechtliche Grundlage. Gleichwohl herrschen große Zweifel, ob eine "lückenlose Dokumentation" über eine unbedenkliche Produktion in fernen Ländern überhaupt möglich und vorgelegte Papiere Aussagekraft besitzen. Weil im Zweifelsfall ohnehin darauf verzichtet werden soll und eine einfache Bescheinigung des letzten Händlers in der Lieferkette genügt, hält Kolmannsberger die Regelung zudem für wirkungslos. Ähnlich sieht es Stadtjurist Christian Kieser, der von "Wohlfühlgesetz" und "Placebogesetz" sprach.

Florian Weber (BBV) leitete mit seinem deutlichen Plädoyer für ein Bekenntnis gegen Kinderarbeit den Umschwung ein. Letztlich ließ sich sogar Friedhofsreferent Albert Bosch (CSU) überzeugen, nachdem Alexa Zierl (Grüne) und Axel Lämmle (SPD) auf die einstimmige Empfehlung des Landtags hingewiesen hatten, kommunale Satzungen entsprechend nachzubessern. Lämmle vermutet, dass "ein Großteil der Grabsteine" aus einer solch bedenklichen Produktion stammt. Dass es gefälschte Zertifikate und Missbrauch geben könnte, will Birgitta Klemenz (CSU) gar nicht ausschließen. Das sei aber kein Grund, auf den Passus zu verzichten. So sieht das auch Fraktionskollegin Simone Görgen: Der Stadt stehe hier eine Vorreiterrolle gut an. Für Christian Götz (BBV) wäre eine denkbare Alternative, grundsätzlich nur Grabsteine aus europäischer Produktion zuzulassen. Fraglich ist allerdings, ob dies wettbewerbsrechtlich zulässig ist. Claudia Calabrò (SPD) würde sich mit Hinweis auf die Fair-Trade-Stadt Fürstenfeldbruck ohnehin eine möglichst lokale Produktion wünschen. Die freilich würde die Anfertigung von Grabsteinen deutlich teurer machen.

Michael Dillitzer, neben Bernhard Wolf der zweite in Bruck ansässige Steinmetz, bezieht zwar den Großteil der Steine von einer Firma aus dem Fichtelgebirge. Jeder zehnte Grabstein komme aber auch bei ihm - "auf Kundenwunsch" - aus Indien. Das bedeutet Lieferzeiten von um die zwei Monate, dafür sparen sich die Auftraggeber an die 20 Prozent im Vergleich zu einem Grabstein aus rein deutscher Produktion. Dillitzer lehnt Kinderarbeit kategorisch ab und lässt sich Zertifikate vorlegen. Ein Restrisiko kann aber auch er nicht ausschließen, ebenso wenig wie dies für Spielzeug und andere Importwaren aus Indien oder aus China gelten dürfte.

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