Süddeutsche Zeitung

Freizeit:Sportplatz mit Dach

In Oberweikertshofen entsteht ein Pilotprojekt im Landkreis. Die Freilufthalle mit einem Kunstrasen kann sowohl im Sommer als auch im Winter genutzt werden

Von Heike A. Batzer, Oberweikertshofen

Viele Kinder haben sich zu wenig bewegt in der Corona-Krise. Sportliche Betätigung, zumal in Gruppen, war monatelang verboten. Aber auch in normalen Zeiten treiben viele Jugendliche zu wenig Sport. Das liegt nicht immer am inneren Schweinehund, sondern auch daran, dass mancherorts geeignete Angebote und Areale fehlen. Der Sportclub Oberweikertshofen, ein Breitensportverein in der Gemeinde Egenhofen, will nun eine Freilufthalle bauen - die erste in Landkreis und Umgebung.

Freilufthalle, das klingt wie ein Widerspruch in sich. Es ist eine Mischung aus Sportplatz und Sporthalle. Die Stahlkonstruktion mit Dach, die man auf dem Gelände außerhalb des Orts errichten möchte, soll 30 mal 15 Meter groß sein. Mauern und Fenster gibt es nicht. Es ist eine Art überdachter Kunstrasenplatz. An den offenen Seiten hängen Ballfangnetze. Die Freilufthalle ist ganzjährig nutzbar und als Sportstätte bei Regen oder Schnee ebenso geeignet wie an heißen Tagen, weil das Dach Schatten wirft. Weil sie auch über eine Beleuchtung verfügt, kann dort auch nach Einbruch der Dunkelheit Sport getrieben werden.

Josef Nefele, der 25 Jahre lang Vorsitzender des SC Oberweikertshofen und fast ebenso lange Bürgermeister in der Gemeinde Egenhofen mit ihren vielen Ortsteilen war, war bei einer Bürgermeisterfahrt in Schorndorf nahe Stuttgart auf ein solches Modell des Herstellers Mc Arena aus Backnang aufmerksam geworden. Corona habe dann den letzten Anstoß gegeben, tätig zu werden, denn "dadurch sind bei den Kindern und Jugendlichen Schäden entstanden, die hinterher nicht mehr auszubessern sind", sagt Nefele der SZ. Zudem sei in der Pandemie verstärkt "der Sport im Freien gesucht" worden.

Für ein solches Modell sprechen freilich auch Erkenntnisse der Wissenschaft. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft in Köln hat herausgefunden, dass sich die Sportaktivitäten weiter ausdifferenzieren werden und damit auch die Nachfrage verändern werde. Deshalb würden künftig Sporthallen, Sportfreiflächen und Sporträume notwendig, die unterschiedliche Ansprüche erfüllen. Auch durch die Demografie nimmt den Wissenschaftlern zufolge der Bedarf an wohnort- und quartiernahen multifunktionalen Sportanlagen zu.

Bestehende klassische Anlagen können die vorhandenen Wünsche oft nicht decken. In Oberweikertshofen klagen die Fußballer, dass die Gemeindehalle vor allem in den Wintermonaten von November bis April voll belegt ist und die jungen Kicker nur samstags zum Zug kämen. Fast 350 Kinder und Jugendliche betreut der SCO in den verschiedenen Abteilungen. Die neue Freilufthalle soll das Problem beheben helfen. Sie soll auf dem Gelände, das die Gemeinde dem Verein in Erbpacht zur Verfügung gestellt hat, die vier Fußballplätze und die Sporthalle ergänzen.

Häufig ist es die Finanzierung, an der der Bau neuer Sportstätten scheitert, oder die Sorge wegen des kostspieligen Unterhalts. Den Bau eines Kunstrasenspielfelds hat man, wie Oberweikertshofens Fußballmanager Ulrich Bergmann erzählt, wegen der Kosten von 800 000 Euro wieder verworfen. Die Freilufthalle benötigt eine halbe Million Euro. Zuschüsse vom Bayerischen Landes-Sportverband (BLSV) und durch die Gemeinde könnten laut Nefele etwa die Hälfte abdecken. Die Betriebs- und Unterhaltskosten beziffert er auf jährlich gerade mal 5000 bis 7000 Euro, Heizkosten fallen gar nicht erst an. Das Spielfeld soll einen gelenkschonenden Kunstrasen mit elastischer Tragschicht erhalten und frei von Granulat sein. Zudem will man auf schonenden Ressourcenumgang achten: Obenauf soll eine Solaranlage gesetzt werden, die das Zwanzigfache jener 3500 Kilowattstunden Strom erzeugt, die die Halle für die Beleuchtung selbst benötigt. Aufgefangen und dann für die Beregnung der Rasenspielplätze verwendet werden soll auch das Regenwasser, um künftig nicht mehr "Trinkwasser, also Lebensmittel auf die Sportplätze zu sprühen", wie Nefele eigens betont. Beide Maßnahmen erzeugen zusätzliche Kosten von zusammen etwa 130 000 Euro.

In Bayern ist die neue Idee der Freilufthallen noch kaum verbreitet, Beispiele finden sich indes im Württemberger Raum, etwa in Balingen, Heidelberg, Karlsruhe. Einziges Projekt in der Nähe ist die Freilufthalle beim TSV Maccabi München, sie ersetzte auf der Vereinsanlage an der Riemer Straße zwei Tennisspielfelder, die nicht mehr genutzt wurden. Geradezu euphorisch wird Geschäftsführer Andreas Huber, wenn er von der Mc Arena, die dort vor fünf Jahren errichtet wurde, berichtet. Die Mitglieder seien begeistert: "Die Anlage wird super angenommen." Die jungen Fußballer trainieren dort ebenso wie die Tenniskinder, auch Kindergeburtstage werden dort gefeiert. Bei den Junior Maccabi Games mit 400 Jugendlichen fand das Fechtfinale in der neuen Sportstätte statt, und jüngst richtete der Verein dort einen Boxevent aus.

In Oberweikertshofen wollen sie mit der Ausschreibung im November beginnen und günstigstenfalls im Mai mit dem Betrieb der Halle. Auch die Gemeinde hat sich bereits Zeitfenster reserviert. Damit wieder Geld in die Schatulle kommt, sollen in und an der Halle Werbetafeln angebracht werden. Und so eine Sportanlage ist ja heutzutage nicht mehr nach der Straße benannt, an der sie liegt. Namensrechte werden eigens verkauft, und die hat sich bereits Florian Dimmelmeier, Gemeinderat der Neuen Liste Egenhofen, mit seiner Firma Amper Mobile gesichert.

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Quelle:
SZ vom 12.10.2021
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