Süddeutsche Zeitung

Fotografie:"Jedes meiner Fotos soll eine Botschaft sein"

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Die Fürstenfeldbrucker Fotografin Anne Kaiser hat den Alltag in einem Flüchtlingscamp im Libanon dokumentiert. Mit ihren Bildern, die in einer Ausstellung zu sehen sind, will sie die positiven Momente festhalten

Interview von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Ein nicht ganz alltägliches Fotoprojekt ist am Wochenende in den Räumen der Kiener-Stiftung zu sehen. Dort werden Bilder ausgestellt, die die Brucker Fotografin Anne Kaiser im Libanon gemacht hat. Sie hat das Projekt Zeltschulen begleitet, das täglich 2500 Kindern in libanesischen Flüchtlingscamps unterrichtet und sie mit Nahrung und Medikamenten versorgt. Die ausgestellten Bilder werden verkauft, mit den Erlösen wird der Zeltschulen-Verein unterstützt.

SZ: Für Ihr Projekt sind Sie in den Libanon geflogen, um dort vor Ort in einer Zeltschule zu fotografieren. Wie ist es dazu gekommen?

Anne Kaiser: Ich liebe es, Geschichten von Menschen zu erzählen. Und ich bin schon immer der Überzeugung, dass jeder mit dem, was er kann, die Welt etwas besser machen kann, auch ich als Fotografin. Also habe ich ein Projekt gesucht, das Bilder brauchen kann. Da habe ich von den Zeltschulen gehört. Weil ich sehr gerne Kinder fotografiere, musste ich nicht lange überlegen.

War es das erste Mal, dass Sie so ein Projekt begleiten?

Die aktuelle Ausstellung gehört zu meiner Serie "See Souls". Ich suche mir dafür immer wieder Projekte, die ich unterstützenswert finde und denen ich meine Dienste zur Verfügung stellen kann und für das ich versuche Geld zu sammeln. Ich habe beispielsweise schon ein Projekt für Krebskranke und eine Initiative zum Empowerment von Frauen begleitet.

Sie arbeiten hauptberuflich als Fotografin, in ihrem Alltag porträtieren Sie Menschen und Firmen. Inwieweit hat sich die Arbeit im Libanon von Ihren sonstigen Shootings unterschieden?

Die größte Herausforderung waren kulturelle Unterschiede. Ich konnte nicht überall fotografieren, wo ich wollte. Es gab viele Soldaten und Stützpunkte, in die wir nicht durften. Aber in den Flüchtlingscamps waren die Leute total offen. Es waren Begegnungen von Menschen zu Menschen, ganz ähnlich wie hier. Man baut Augenkontakt auf und schon öffnen sich die Türen.

Was für Bilder wollten Sie von der Situation vor Ort machen?

Nicht die klassischen Motive, die man sich erwartet, große, weinende Kinderaugen. Es geht mir nicht darum, Mitleid zu erregen. Ich wollte die Freude vermitteln, die es dort gibt. Ich habe Jacqueline Flory begleitet, die Initiatorin der Zeltschulen. Das war optimal, weil sie dort wie eine Heldin gefeiert wird und immer im Mittelpunkt steht. Deswegen konnte ich dokumentieren, wie die Kinder mit ihr interagieren. Weil ich die Sprache nicht spreche, konnte ich auch keine Anweisungen geben. Dadurch konnte ich authentische Momente einfangen.

Was für Bilder sind es, die nun in der Ausstellung zu sehen sind?

Fotografien, die die Menschen in Alltagssituationen zeigen. Keine Kriegsbilder oder Verletzungen. Man sieht Kinder, die in Pfützen spielen, ganz so, wie es sie bei uns auch gibt. In den Nachrichten sieht man viel Negatives. Da baut man automatisch eine Schutzwand auf. Die Menschen sind weit weg, wir sind hier. Ich will mit meinen Bildern zeigen, dass es diese Schutzwand nicht braucht.

Hat Sie die Arbeit dort auch persönlich berührt?

Es gab viele Momente mit den Kindern, in denen ich gerne jedes einzelne von ihnen umarmt hätte. Ich bin selbst Mutter und war fasziniert von den Frauen, die nicht arbeiten dürfen und die unbedingt in die Schule gehen wollten. Jeden Tag sind sie mit ihren Heften und Büchern gekommen, wollten etwas lernen, auch die Älteren. Ich habe eine große positive Energie gespürt. Wie was einfangen? Ich habe viele Menschen getroffen, bei denen ich sagen würde, wenn sie hier leben würden, wären sie meine Freunde geworden.

Sie haben davon gesprochen, dass jeder mit seiner Arbeit die Welt besser machen kann. Wie machen Ihre Bilder die Welt besser?

Jedes meiner Fotos soll eine Botschaft sein. Wenn jeder wüsste, wie nah man sich sein kann, wenn man den Menschen sieht, nicht seine Kultur, Religion oder ob er einen Schleier trägt, dann wären viele Vorurteile und der ganze Hass schnell weggeblasen.

Ausstellung "See Souls" mit Bildern der Fotografin Anne Kaiser, Hans-Kiener-Haus, Münchner Straße 3, Fürstenfeldbruck. Vernissage am Freitag, 15. November, von 18.30 Uhr an. Geöffnet am Samstag und Sonntag, 16. und 17. November, jeweils von 11 bis 16 Uhr

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Quelle:
SZ vom 14.11.2019
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