Flüchtlingsschicksal:Zwangsumzug nach München

Flüchtlingsschicksal: Bürgermeister Joseph Schäffler und Asylhelferinnen Martina Leist und Ingrid Hoiß (von links) kämpfen dafür, dass Juliet Ehiorobo (rechts) mit ihrer Familie in Moorenweis bleiben kann.

Bürgermeister Joseph Schäffler und Asylhelferinnen Martina Leist und Ingrid Hoiß (von links) kämpfen dafür, dass Juliet Ehiorobo (rechts) mit ihrer Familie in Moorenweis bleiben kann.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Bezirksregierung reißt sechsköpfige nigerianische Familie von einem Tag auf den anderen aus ihrem gewohnten Lebensumfeld in Moorenweis. Asylhelfer und Bürgermeister protestieren heftig, können aber wohl nichts ändern

Von Manfred Amann, Moorenweis

Im Moorenweiser Asylhelferkreis herrscht seit Montag Bestürzung ob der Machtlosigkeit, weil eine nigerianische Familie mit zwei Schul- und zwei Kindergartenkindern in einer Hau-Ruck-Aktion gezwungen wird, noch an diesem Dienstag nach München in eine Gemeinschaftsunterkunft umzuziehen. "Die Familie wohnt seit März 2015 in Moorenweis und kann es gar nicht fassen, dass sie nun aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen wird", sagt Asylhelferin Ingrid Hoiß. Die Mutter und die beiden älteren Buben, die sich in der Schule "gut eingewöhnt haben und zurechtkommen", hätten nur noch geweint, so Familienpatin Martina Leist. Der zehnjährige Wisdom spiele in Moorenweis Fußball und auch der siebenjährige Clint habe Freunde gefunden. "Was wird hier gespielt, wie kann man Schulkinder vier Wochen vor Ende des Schuljahres und eine Familie, die gut zurechtkommt, ohne jede Vorwarnung so einfach verschieben", fragen sich die Asylhelfer. Auch für den vierjährigen Vinc wäre es ein Schock, den Kindergarten verlassen zu müssen, und auch der dreijährige Prince John würde einen "Krippenwechsel mittendrin" nicht so einfach wegstecken können, glaubt Hoiß.

Am Montag hatten drei Vertreter des Landratsamtes einen am 30. Juni von der Asylbewerber-Aufnahmestelle der Regierung von Oberbayern ausgestellten Bescheid mit der Aufforderung zum Umzug überbracht, Termin: Mittwoch, 5. Juli. Da der Familienvater den Inhalt nicht verstand, hatte er die Kenntnisnahme nicht per Unterschrift bestätigt. Daraufhin, so Hoiß, hätten die Vertreter des Landratsamtes angedeutet, dass der Bescheid auch ohne Unterschrift wirksam werde. Nachdem Familienvater Prince Clifford Ehiorobo den ersten Schrecken verdaut hatte, habe er Martina Leist angerufen. "Ich bin aus allen Wolken gefallen, ich konnte es gar nicht glauben", sagt die Familienpatin, die dann auch Bürgermeister Josef Schäffler einschaltete: "Ich war wie vor den Kopf gestoßen, denn so unsensibel kann man doch nicht sein", so der sichtlich verärgerte Gemeindechef. Er habe umgehend bei Regierungspräsidentin Brigitta Brunner angerufen und wenigstens die Zusage erhalten, dass man den Fall prüfen werde.

Das Pressebüro der Bezirksregierung teilte der SZ am späten Montagnachmittag mit, dass der Umzug "vom 5. Juli an ermöglicht" werde, die frisch renovierte Wohnung "für mehrere Tage freigehalten werde", also in Ruhe umgezogen werden könne. Auf die Frage, wieso man nicht wenigstens die Ferien abwarte, wurde nicht eingegangen. Wenig Verständnis hat Schäffler dafür, dass man im Landratsamt nicht erkannt habe, "dass das so nicht geht". So könne man doch nicht mit Menschen umgehen, und den ehrenamtlichen Helfern damit zu danken, dass man sie derart brachial vor vollendete Tatsachen stelle, sei absolut nicht akzeptabel. Die Helfer leisteten ehrenamtlich beste Arbeit, mit solchen unbedachten Aktionen könne man sie nur verprellen, sicher nicht motivieren.

Laut der Presssprecherin im Landratsamt, Ines Roellecke, wurde der Bescheid der Bezirksregierung lediglich übermittelt, im Ausländeramt habe man aber auch Kenntnis davon, dass Familie Ehiorobo nicht abgeneigt sei, nach München umzuziehen. Laut Marin Nell, Pressesprecher der oberbayerischen Regierung, war man dort auch von einer Umzugsbereitschaft ausgegangen, angesichts der offensichtlich neuen Lage werde man sich nun Klarheit verschaffen, zumal der Familienvater die neue Wohnung auch schon besichtigt habe. Ehefrau Juliet verneint den Umzugswillen allerdings. Der Eindruck könnte entstanden sein, weil ihr Mann in München beschäftigt war, denkt Helferin Hoiß. Eine Verlängerung des Beschäftigungsverhältnisses sei aber in der Schwebe. Begründet wurde die Verlegung mit dem Hinweis, dass das Landratsamt die Unterkunft in Moorenweis aufgeben wolle. "Das kann aber nicht sein", erklärt die Asylhelferin, denn vom Vermieter wisse man, dass der Mietvertrag noch bis Mai 2018 laufe, was auch Schäffler bestätigt. Es bestehe sogar die Option auf eine Verlängerung um ein Jahr. "Wir hatten schon Mal so einen Fall von Rücksichtslosigkeit", erinnert sich Asylhelferin Hoiß, die im Moorenweiser Kindergarten als Erzieherin arbeitet und in ihrer Gruppe den Vinc betreut. "Ich wollte das nicht noch einmal erleben", sagt sie. Protest eingelegt hat auch Schulleiterin Ulrike Dehn mit der klaren Ansage, sollten die Kinder abgeholt werden, "dann nur mit Anwalt".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: