Süddeutsche Zeitung

Flüchtlingskrise:Zu soft

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Parteimitglieder kündigen, weil ihnen die Forderungen der CSU nicht weit genug gehen.

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Wegen der Flüchtlingspolitik hat die CSU im Landkreis Mitglieder verloren. Den meisten der Abtrünnigen, die eine Begründung für ihren Schritt nannten, gingen die Forderungen der Partei nicht weit genug. "Die Leute sagen eher: Wir sollten noch mehr machen und uns in Berlin durchsetzen", fasst der CSU-Kreisvorsitzende und Landrat Thomas Karmasin zusammen.

Der Kreisverband hat 1858 Mitglieder

46 Mitglieder hat die Kreis-CSU im Vorjahr durch Austritte verloren, das sind etwa zweieinhalb Prozent. 29 sind zudem verstorben. Im gleichen Zeitraum traten allerdings 63 neue Mitglieder in die CSU ein - mehr als in vielen Durchschnittsjahren. Gerade "in polarisierten Zeiten wie diesen", sagt Karmasin, könne die Motivation, einer Partei beizutreten, größer sein. Derzeit hat der Kreisverband 1858 Mitglieder. Fünf hatten die Partei 2015 verlassen, weil ihnen die CSU "zu einreisefreundlich" sei, erzählt Karmasin. Die meisten Austritte erfolgen jedoch ohne Begründung.

Fürstenfeldbrucks Ortsvorsitzender Andreas Lohde kann das bestätigen. In seinem Ortsverband gaben im Vorjahr sechs Mitglieder die Flüchtlingspolitik als Grund dafür an, der Partei den Rücken zu kehren: Zwei kritisierten den Umgang mit Kanzlerin Merkel beim Parteitag, vier Mitglieder warfen der CSU vor, sich in der Flüchtlingsdebatte nicht genug für die Interessen der Bürger einzusetzen.

Nicht wie die Lemminge

Andere Ortsverbände haben ad hoc keine genauen Daten parat. Dass über die Flüchtlingspolitik der CSU eine "derartige Unzufriedenheit" bestehe, sei ihm nicht zu Ohren gekommen, sagt Oliver Simon, stellvertretender Ortsverbandsvorsitzender in Germering. Simon stellt sich bewusst hinter die Linie von Horst Seehofer. Die Herausforderungen, vor denen die Kommunen in der Flüchtlingsfrage stünden, erforderten "Akutmaßnahmen", denn sich allein auf Europa zu verlassen, werde so schnell nicht zum Ziel führen. "Man tut dem Ganzen keinen Gefallen, wenn man den Zustrom auf längere Zeit so ungebremst zu lässt." Ihm selbst sei schon "damals klar gewesen, dass die euphorischen Szenen vom Sommer irgendwann relativiert werden". Die CSU sei eine eigenständige Partei, betont Simon, in der "wir nicht zu allem Ja und Amen sagen oder wie die Lemminge hinterherlaufen".

Nüchterner Realismus

Die Frage, welche Konsequenzen man ziehe, wenn man mit der Landes- und Bundespolitik nicht einverstanden ist, müsse "jeder für sich entscheiden", meint Christian Kemether, der stellvertretende Vorsitzende des Maisacher Ortsverbandes. Innerhalb des Ortsverbandes sei man sich einig, dass man nicht "hundertprozentig auf Linie der Bundeskanzlerin" sei. In Egenhofen, sagt die Ortsvorsitzende Gabriele Dietrich, herrsche "nüchterner Realismus" im Umgang mit den Flüchtlingen "bis hin zur Ablehnung". Austritte wegen der Flüchtlingspolitik sind ihr nicht bekannt. Bei der anstehenden Ortshauptversammlung will sie mit den Mitgliedern über die Unterbringung der Asylbewerber diskutieren. Egenhofen hat sein innerhalb des Landkreises festgelegtes Soll noch nicht erfüllt.

Ob bei den Neujahrsempfängen, in den sozialen Medien oder auch überall dort, wo er hinkomme, "und selbst irgendwo zum Kaffeetrinken", sagt Thomas Karmasin, werde er auf die Flüchtlinge angesprochen: "Es gab noch nie ein Thema, das die Leute so bewegt." Mittlerweile, fügt der CSU-Politiker an, werde "im gesamten Spektrum der politischen Landschaft" gefordert, dass die Zuwanderung begrenzt werden müsse - was "dem Ministerpräsidenten vor Monaten noch vorgehalten" worden sei.

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SZ vom 28.01.2016
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