Fürstenfeldbruck:Landrat will notfalls Häuser beschlagnahmen

Fürstenfeldbruck: Im März wurden Flüchtlinge aus der Ukraine in der Eichenauer Budrio-Halle untergebracht.

Im März wurden Flüchtlinge aus der Ukraine in der Eichenauer Budrio-Halle untergebracht.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Thomas Karmasin wehrt sich schon mal dagegen, Schulturnhallen als Flüchtlingsunterkünfte zu nutzen. Und er denkt über Alternativen nach - in öffentlichen oder privaten Liegenschaften.

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Mehr Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Nordafrika, die über die Balkanroute nach Deutschland kommen. Und weiterhin Menschen aus der Ukraine, die mit Blick auf den bevorstehenden Winter in Deutschland Schutz suchen: Auch der Landkreis Fürstenfeldbruck wird dadurch vor neue Herausforderungen gestellt.

Denn die Kapazitäten für die Flüchtlingsunterbringung im Landkreis Fürstenfeldbruck sind "voraussichtlich bald erschöpft", warnt das Landratsamt. Landrat Thomas Karmasin (CSU) macht schon mal deutlich, dass keine Schulturnhallen mehr als Notunterkunft zur Verfügung gestellt werden sollen. Und wenn die vorhandenen Unterkünfte nicht mehr reichen? Dann könnten öffentliche oder private Liegenschaften für die Flüchtlingsunterbringung beschlagnahmt werden, heißt es. Die Prüfungen sind bereits angelaufen.

Fürstenfeldbruck: Das sogenannte "Ankerzentrum" am Fliegerhorst ist eigentlich nur für einen kurzen Zeitraum als Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge konzipiert. Derzeit ist es mit etwa 700 Bewohnern belegt.

Das sogenannte "Ankerzentrum" am Fliegerhorst ist eigentlich nur für einen kurzen Zeitraum als Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge konzipiert. Derzeit ist es mit etwa 700 Bewohnern belegt.

(Foto: Stefan Salger)

Im Freistaat ist die Zahl der ankommenden Flüchtlinge aus Herkunftsländern wie Syrien, Afghanistan, Irak oder der Türkei in den vergangenen Wochen stark gestiegen. Neben 150 000 Ukrainern, die meist privat untergekommen sind und die kein Asylverfahren durchlaufen müssen, hat Bayern etwa 22 000 Flüchtlinge aus weiteren Ländern aufgenommen. Am Dienstag hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Kommunen und Länder zum Flüchtlingsgipfel eingeladen. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), Vizepräsident des Deutschen Städtetags, verglich dabei die Lage mit 2015.

Im Landkreis Fürstenfeldbruck leben Schätzungen zufolge etwa 500 Ukrainer und 1300 Flüchtlinge aus anderen Herkunftsstaaten in dezentralen Unterkünften des Landkreises - jenseits des sogenannten Ankerzentrums am Fliegerhorst, das mit etwa 700 Bewohnern belegt ist - bei einer Kapazität von maximal 1000 Personen. Darüber hinaus befinden sich etwa 1800 Flüchtlinge aus der Ukraine in privaten Unterkünften.

Nun hat die Bezirksregierung Zuweisungen in die oberbayerischen Landkreise angekündigt. Im Landkreis Fürstenfeldbruck werden am Montag die ersten 50 Flüchtlinge erwartet. Sie sollen im Amperpark in Emmering unterkommen, der bereits für die erstmalige Aufnahme vorbereitet wurde. "Mit weiteren Zuweisungen in ähnlicher Größenordnung ist in den darauffolgenden Wochen zu rechnen", heißt es in einer Mitteilung der Kreisbehörde. Derzeit gibt es noch etwa 400 freie Plätze in den über den Landkreis verteilten Unterkünften - darunter vor allem der Amperpark Emmering mit 280 Plätzen, die Siemensstraße in Puchheim (140) sowie mit jeweils mehr als hundert Plätzen die Unterkünfte in Puchheim, Am Hardtanger in Fürstenfeldbruck sowie in Germering und Olching. Unterkünfte mit bis zu 50 Plätzen gibt es in Olching (drei Objekte), Eichenau (zwei Objekte), Maisach (drei Objekte), Germering, Puchheim und Moorenweis, ein weiteres Objekt in Oberschweinbach ist geplant.

Verschärft wird die Lage durch sogenannte Fehlbeleger. Das sind Flüchtlinge, die bereits im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, aber keine Wohnung finden. Willi Dräxler, Flüchtlingsexperte der Caritas und Integrationsreferent des Fürstenfeldbrucker Stadtrats, schätzt, dass die Hälfte der Menschen aus Drittländern, die in den Asylunterkünften leben, in diese Kategorie fallen.

Fürstenfeldbruck: Landrat Thomas Karmasin (mit Megafon), hier 2017 am Rande einer Demonstration des Asylhelferkreises Eichenau gegen Arbeitsverbote für Flüchtlinge.

Landrat Thomas Karmasin (mit Megafon), hier 2017 am Rande einer Demonstration des Asylhelferkreises Eichenau gegen Arbeitsverbote für Flüchtlinge.

(Foto: Johannes Simon)

Karmasin betont in der Mitteilung, die Zuwanderungspolitik sei Bundessache. Und er wird mit den Worten zitiert: "Ich will daher nicht kommentieren, dass die Bundesrepublik nach wie vor zusätzliche Anreize für eine ungebremste Zuwanderung schafft. Ich sehe mich aber außerstande, unserer Bevölkerung zu vermitteln, dass der Politik sieben Jahre nach der Katastrophe der ersten Zuwanderungswelle und nach zweijähriger Zwangspause des Schulsports wegen Corona nichts anderes einfällt, als möglichst viele Menschen in Schulturnhallen zu zwängen. Ich stelle diese Hallen daher nicht freiwillig zur Verfügung." Von 2014 bis 2016 waren Hallen in Maisach und Puchheim mit Flüchtlingen belegt, nach dem Beginn des Ukrainekriegs folgten dieses Jahr bis zum Juni das Viscardi-Gymnasium sowie die Eislaufhalle Polariom in Germering sowie bis zum August die Vereinsporthalle in Adelshofen sowie die Budrio-Halle in Eichenau.

Migrationsforscherin Karin Scherschel hatte jüngst in einem SZ-Interview davor gewarnt, mit dem Thema Migration Wahlkampf zu führen, "weil sich damit immer Stimmung machen lässt". Das habe längst begonnen, stellte sie fest. Auch Dräxler findet den pauschalen Vorwurf der falschen Flüchtlingspolitik "zu billig". Es gebe immer mehr Krisen und Kriege als Fluchtursache, an denen man so schnell nichts ändern könne. In der Tat habe die Politik es aber versäumt, sich beizeiten vorzubereiten. Langfristig räche sich nun auch die verfehlte Regionalpolitik, durch die die Wohnungsnot in den Ballungsgebieten immer mehr verschärft worden sei. Dräxler ist zudem der Überzeugung, dass man angesichts des grassierenden Fachkräftemangels stärker auf die Ausbildung von Flüchtlingen setzen sollte als auf ihre Abschiebung.

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