Flüchtlinge:Ärger in der Asylunterkunft

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Die Lage in der Aufnahmeeinrichtung am Fliegerhorst ist angespannt. Nach mehreren Handgreiflichkeiten fordert die Stadt umgehend Verbesserungen. Die Bezirksregierung prüft die Vorschläge noch.

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Die Lage in der Erstaufnahmeeinrichtung der Regierung von Oberbayern im Brucker Fliegerhorst ist weit von den Zuständen entfernt, die im Sommer in der Bayernkaserne in München herrschten. Als angespannt gilt die Situation in der Kaserne trotzdem. Dort lebten von Neujahr an zeitweise bis zu 680 Menschen auf engem Raum zusammen, obwohl zwischen dem Landkreis und der Regierung eine Obergrenze von 600 Personen vereinbart worden war. Willi Dräxler (BBV) gehört zu denjenigen, die sich Sorgen machen, dass die Lage wegen Kleinigkeiten eskalieren könnte. Schließlich habe es unter den Flüchtlingen bereits "mehrfach Tumulte" gegeben, die von Polizisten geschlichtet werden mussten.

Dräxler arbeitet im Fliegerhorst ehrenamtlich als Asylhelfer mit und ist sowohl Stadtrat als auch Integrationsbeauftragter der Kreisstadt. Martin Deutsch, der als selbständiger Unternehmensberater tätig ist und die Arbeit der rund 70 Ehrenamtlichen in der Unterkunft koordiniert, fasst seine Erfahrung so zusammen: "Es ist organisatorisch eine Katastrophe." Er habe das Gefühl, die Einrichtung werde bewusst schlecht geführt, damit sich nicht herumspreche, Flüchtlinge würden hier gut behandelt. So liege der Müll auf der Straße, weil vor vier Monaten bestellte Mülleimer nicht zu beschaffen seien. Laut Deutsch lässt die Regierung weder Lerneffekte, noch ein System erkennen.

Laut Auskunft der Pressestelle, prüft die Regierung von Oberbayern als Träger der Flüchtlingsunterkunft zurzeit noch die vom Brucker Oberbürgermeister Klaus Pleil und von Dräxler gemachten Verbesserungsvorschläge. Solche Anregungen seien Hinweise zum Nachsteuern. Es sei das Ziel der Regierung, "die in der Dependance in Fürstenfeldbruck untergebrachten Asylbewerber schnellstmöglich einer Anschlussunterbringung zuweisen zu können". Da es jedoch kaum freie Plätze gebe, komme es zu Verzögerungen. Auch Landrat Thomas Karmasin (CSU) beschwichtigt. Er spricht von einer vorübergehenden "misslichen Situation", die nicht zum Dauerzustand werden solle. Die Verweildauer sei länger, als es für solche Erstaufnahmeeinrichtungen vorgesehen ist. Eine Zusammenballung von so vielen Menschen führe immer zu Aggressionen, gibt der Landrat zu bedenken, obwohl das große Gelände trotz der vorübergehenden Unterbringung von 680 Flüchtlingen nur "locker belegt" sei. Um zu vermeiden, dass es zu Hungerstreiks und Demonstrationen von Flüchtlingen wie auf dem Rindermarkt und am Sendlinger Tor in München kommt, haben der Fürstenfeldbrucker OB Pleil (BBV) und Integrationsreferent Dräxler die Verantwortlichen auf die Probleme hingewiesen und Verbesserungsvorschläge gemacht. Stadtrat Dräxler, Mitunterzeichner des Briefes an die Regierung, arbeitet seit Anfang der Neunzigerjahre für die Caritas im Asylbereich. Er verfügt über genügend Erfahrungen, um die Situation in Flüchtlingsunterkünften einschätzen zu können.

Dräxler besucht zwei Mal pro Woche abends das Flüchtlingsquartier und bekommt mit, wie nervös, ja verzweifelt viele dort sind. Weil sie nicht wissen, wie es ihren Frauen und Kindern in den Krisengebieten im Nahen Osten geht. Weil sie seit Wochen oder Monaten auf die Anerkennung ihres Status als Flüchtling warten, was Voraussetzung dafür ist, dass Familienangehörige nachkommen können. Oder weil sie, wie viele Afrikaner, nur sehnsüchtig darauf warten, endlich zu arbeiten, um ihrer Familie etwas Geld zu schicken.

"Die Leute sind verunsichert", beschreibt ein Asylhelfer die Stimmung im Fliegerhorst. Zu diesem Druck kommen erschwerend Probleme des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Kulturkreise auf engem Raum hinzu. Die Angst, nach Italien oder Ungarn abgeschoben zu werden, löse bei vielen Panik aus, heißt es. Dazu kommen traumatische Erlebnisse vor und während der Flucht.

In einer solchen Stresssituation genügen laut Dräxler Kleinigkeiten, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. "Auch der Anlass für die Hungerstreiks in München war banal", sagt der Integrationsreferent. Um zu ergänzen, dass man so etwas in Fürstenfeldbruck nicht haben wolle. Die Bevölkerung sei schließlich aufgeschlossen und eine große Zahl von Asylhelfern engagiere sich ehrenamtlich. Angesichts dieser Willkommenskultur dürfe man zu Recht erwarten, dass einiges verbessert werde, um die Situation zu entspannen. Die Erstaufnahmeeinrichtung solle nicht nur funktionieren, sondern sie "soll gut laufen", sagt Dräxler. Schließlich leiste die Stadt ihren Beitrag. So sind 15 000 Euro für Sprachkurse und weitere 15 000 Euro für den Sonderbedarf von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt worden. Was nicht funktioniert und von den Einwohnern als schlecht und eintönig bezeichnet wird, ist beispielsweise die Zusammenstellung des Abendessens. Dieses bestehe zu oft aus Kartoffelsalat, zwei Scheiben Käse, zwei Scheiben Wurst und dem immer gleichen gekühlten Scheiben Graubrot. Mit der Folge, dass viel zu viel weggeworfen wird. Von Menschen mit anderen Ernährungsgewohnheiten sei eine solche Essenszusammenstellung über Monate nur schwer zu ertragen. Als bedenklich gilt auch die Rationierung des Tafelwassers. Kinder, die älter als ein Jahr sind, bekommen laut Dräxler keine Milch. Der Landrat befürwortet es, kleinere Verbesserungsvorschläge aufzugreifen. Auf die Anfrage der SZ-Redaktion, im Fliegerhorst mit Flüchtlingen über ihre Situation zu sprechen, ist die Regierung noch nicht eingegangen.

© SZ vom 30.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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