Süddeutsche Zeitung

Fliegerhorst:Unklare Finanzierung für Gedenken an 1972

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Der Landkreis plant eine App zum Olympia-Attentat. Geld gibt es vom Landtag, doch vom IOC fehlt die Zusage

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

"Draußen in Fürstenfeldbruck ging alles schief, was nur schief gehen konnte, auch weil man sich für eine militärische Lösung entschieden hatte, ohne die Leute und die Erfahrung zu haben, die nötig gewesen wäre, um mit einer solchen Situation fertig zu werden. Drinnen in der Stadt wurden auch noch die falschen Parolen ausgegeben, hielt sich bis zwei Uhr früh die von vielen Quellen genährte Hoffnung, wenigstens alle Geiseln seien gerettet worden." Solche Beschreibungen, wie diese von Herbert Riehl-Heyse in der Süddeutschen Zeitung, sollen über das Olympia-Attentat von 1972 lebendig bleiben. Nicht genau dieses Zitat, aber viele weitere sollen für lange Zeit erhalten bleiben, um sich der Ereignisse zu erinnern, die am 5. und 6. September 1972 drinnen in München und anschließend draußen in Fürstenfeldbruck passiert sind und derer der Landkreis im kommenden Jahr zum 50. Male gedenkt.

Bis dahin wird es noch nicht möglich sein, den Original-Schauplatz im Fliegerhorst zu besuchen, aber zumindest virtuell soll allen die Möglichkeit gegeben werden, dieses historische Ereignis nachzuvollziehen. Eine App, eine Homepage und die Präsenz in sozialen Medien sollen das ermöglichen, bevor vom Jahr 2026 an möglicherweise der Fliegerhorst entmilitarisiert sein könnte. Doch ob die Mittel ausreichen werden, um das allein vom Landkreis initiierte Projekt zu stemmen, das ist noch nicht so klar. Und deshalb hat die Finanzierung im jüngsten Kreiskulturausschuss auch Fragen aufgeworfen.

Nach einer dem Ausschuss vorliegenden Aufstellung werden in diesem und im kommenden Jahr für Personal und Entwicklung von App und Homepage 480 000 Euro veranschlagt. Projektleiterin Silke Seiz summiert als Einnahmen insgesamt 630 000 Euro auf. Größter Einzelposten sind die 250 000 Euro, die auf Anregung der CSU-Landtagsfraktion aus den sogenannten Fraktionsreserven stammen. Allerdings sind auch 100 000 Euro genannt, die beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) beantragt wurden sowie eine Summe aus Einzelspenden, die die Projektleiterin bei Unternehmen aus der Privatwirtschaft einwerben will. Dass Seiz die Posten richtigerweise mit "noch in abschließender Klärung" bezeichnet hat, veranlasste FDP-Kreisrat Klaus Wollenberg zu der Feststellung, dass IOC und Bundesinnenministerium schon vor 20 Jahren Finanzzusagen gemacht, aber keine gehalten hätten. Wollenberg stellte fest: "Die Finanzierung überfordert den Landkreis." Er halte es "regelrecht für eine Schande", dass der Landkreis damit alleingelassen werde.

Johann Thurner (FW) nahm an, dass das IOC sich bestimmt beteiligen werde. "Das meiste Geld brauchen wir nach 2026", sagte der Finanzreferent des Kreistags im Hinblick auf die Einrichtung der Gedenkstätte im alten Tower auf dem Fliegerhorst. Seiz hatte dem Ausschuss nämlich mitgeteilt, dass das IOC Mittel in Aussicht gestellt hätte, wenn sie für den Erhalt des Tower-Gebäudes verwendet würden. Kulturreferentin Christina Claus unterstrich dies: "Es soll ein Erinnerungsort werden, nicht nur im World-Wide-Web." Seit dem 5. September 1999 gedenkt der Landkreis jedes Jahr der getöteten israelischen Sportler und des bayerischen Polizeibeamten vor dem von dem Gröbenzeller Künstler Hannes L. Götz geschaffenen Gedenkstein.

Inhaltlich hatten die Ausschussmitglieder nichts an dem Konzept auszusetzen. Sophie Schuhmacher (Grüne) nannte das, was sie bislang gesehen habe, "sehr rund, sehr durchdacht", und sie freue sich auf die Umsetzung. Andreas Lohde (CSU) nannte das Projekt "auf der Höhe der Zeit", man sei "konzeptionell auf einem guten Weg". Lohde hofft auf Synergien in späteren Jahren mit Archiven des Fliegerhorstes, um auch dessen Geschichte erzählen zu können.

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SZ vom 11.03.2021
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