Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Die Wiege der Luftwaffe

Die Geschichte des Fliegerhorsts beginnt 1935. Besonders markante Gebäude sollen auch künftig die Erinnerung daran wach halten.

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

1935 begannen im Zuge der Aufrüstung der Wehrmacht die Bauarbeiten für die Luftkriegsschule der Luftwaffe. Auf dem Fliegerhorst sollte die größte Fliegerschule des Deutschen Reichs entstehen. Die Repräsentationsbauten wurden nach Plänen von Ernst Sagebiel konzipiert. Im Fahnensaal befinden sich noch heute Wandmalereien von Albert Burkart mit Motiven aus dem Nibelungenlied. Angeschlossen war der Flugplatz mit vier Flugzeughallen, Werfthalle und Waffenmeisterei. 1937 übernahm die Luftwaffe den neuen Fliegerhorst. 1943 wurde eine Betonbahn angelegt, die 1945 für den Einsatz der neuen ME-262-Düsenjäger hergerichtet wurde. Am 9. April 1945 wurde die Startbahn dann aber bei einem Bombenangriff zerstört.

Im April 1945 besetzten Soldaten der siebten US-Armee den Fliegerhorst, den sie weiterhin als Militärflugplatz nutzten. Während der Berlinkrise wurden im Sommer 1948 kurzzeitig B-29-Langstreckenbomber stationiert. Bis 1957 baute die US-Luftwaffe den "Fursty" genannten Flugplatz aus. Mit dem Aufbau der Bundeswehr wurde Fürstenfeldbruck zur "Wiege der Luftwaffe". Im September 1956 erhielten dort die ersten zehn deutschen Piloten ihr Flugzeugführerabzeichen, im November wurden 20 Einsatzflugzeuge vom Typ F-84 F stationiert.

Ein Jahr später übernahm die Luftwaffe den Fliegerhorst. 1964 wurde die Waffenschule der Luftwaffe von Erding nach Fürstenfeldbruck verlegt. Während der Olympischen Sommerspiele 1972 endete auf dem Flugplatz der Befreiungsversuch der von palästinensischen Terroristen als Geiseln genommenen israelischen Athleten in einem Blutbad. Zwei Jahre später begannen die Bauarbeiten für einen neuen Gebäudekomplex, die Offizierschule der Luftwaffe, die 1977 von Neubiberg nach Fürstenfeldbruck umzog. Im folgenden Jahr wurde die Waffenschule der Luftwaffe in Jagdbombergeschwader 49 umbenannt, das nach dem Ende des Kalten Krieges 1994 außer Dienst gestellt wurde. Endgültig stellte die Luftwaffe den militärischen Flugbetrieb in Fürstenfeldbruck 2003 ein. Am 12. Dezember 2005 landeten zum letzten Mal Militärjets in Fürstenfeldbruck - eine Panavia Tornado sowie eine McDonnell F-4 - die seitdem auf dem Gelände ausgestellt sind (offen ist, ob und wie viele der auf dem Gelände ausgestellten aufgeständerten Flugzeugmodelle erhalten bleiben). 2011 wurde im Zuge der Bundeswehrreform die geplante Auflösung des Standorts Fürstenfeldbruck bekannt gegeben, die sich immer wieder verzögerte. Das Abzugsdatum wurde 2019 offiziell auf 2026 festgelegt.

Auf dem Fliegerhorst gibt es markante Gebäude, die erhalten werden sollen und teils unter Denkmalschutz stehen. Eine Auswahl: Die Grundsteinlegung des "Blauen Palais", der neuen Offizierschule, erfolgte im April 1975, zwei Jahre später wurde es in Betrieb genommen. Architekt war Kurt Ackermann. Das Gebäude sollte sich von der alten Offiziersschule, die in der NS-Zeit erbaut worden war, abheben und die demokratischen Verhältnisse widerspiegeln. Das Blaue Palais gleicht eher einem englischen College. Es dient als Lehrstätte sowie Wohngebäude. Die Unterkünfte umschießen das zentrale Hörsaal-Gebäude. So entstanden einzelne Höfe und Kommunikationszonen um den Ludger-Hölker-Saal herum, der Platz bietet für 800 Studierende. 2018 wurde das Blaue Palais unter Denkmalschutz gestellt. Die Bausubstanz gilt als gut, es wird regelmäßig renoviert. Allerdings sind die großen Glasflächen mäßig wärmegedämmt.

Die Luftkriegsschule ist ein weitläufiger und dreiflügelig um einen Appellplatz angeordneter Komplex, in dem sowohl die Kommandantur als auch die Hörsaal- und Unterkunftsbereiche zusammengefasst waren. Ins Auge stechen der Torturm und der Fahnensaal. Die große Aula wurde früher als Kino genutzt.

Der sogenannte Kilometerbau wurde 1935 bis 1937 errichtet. Es handelt sich um in West-Ost-Richtung verlaufende Unterkünfte für Mannschaften. Er misst keinen Kilometer, sondern "nur" 820 Meter.

Der Grundstein für das Luftwaffen-Ehrenmal, das außerhalb des umzäunten Fliegerhorstareals an der Lützowstraße liegt, wurde im September 1961 nach dem Entwurf von Ernst Zinsser gelegt. Es wurde mit Spenden errichtet und 1966 fertiggestellt und ist den Toten der Luftstreitkräfte und der Luftfahrt geweiht, die während ihres Dienstes in Krieg oder Frieden ihr Leben verloren haben. Die Stadt hat zugesagt, das manchmal spöttisch als "Elefantenklo" bezeichnete Ehrenmal nach dem Abzug der Luftwaffe zu pflegen.

Der alte Tower wurde 1936 bis 1938 erbaut. Der unterkellerte Massivbau bildete zusammen mit der Feuerwache einen U‑förmigen Komplex. Direkt vor dem Tower endete das Olympia-Attentat im Jahr 1972. 1987 ließ die Luftwaffe das Gebäude sanieren. Immer wieder gab es Vorschläge, es als Gedenkort oder Museum zu nutzen.

Das Richard-Higgins-Gebäude wurde im Jahr 2000 nach einem US-Piloten benannt, der den Schleudersitz seines defekten Flugzeugs erst betätigte, als er nicht mehr über dem Stadtgebiet war und deshalb beim Absturz ums Leben kam. 1951 war das Gebäude fertiggestellt worden, in dem zwölf Klassenzimmer der Grundschule und ein Kindergarten unterkamen. Von 1957 an nutzte die Luftwaffe das Gebäude für die fliegertheoretische Ausbildung. Nach Einstellung des örtlichen Flugbetriebs fand hier die Ausbildung in der Bildgerätetechnik statt.

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