Fliegerhorst:Ausgedient

Fliegerhorst: Drei Alpha-Jets des Jagdbombergeschwaders 49 überfliegen 1980 die Offizierschule. Ein Düsenjäger dieses Typs ist heute noch ausgestellt.

Drei Alpha-Jets des Jagdbombergeschwaders 49 überfliegen 1980 die Offizierschule. Ein Düsenjäger dieses Typs ist heute noch ausgestellt.

(Foto: Lehrsammlung der Luftwaffe)

Am 25. April 1975 wird im Fliegerhorst der Grundstein gelegt für die bundesweit einzige Offizierschule der Luftwaffe. 40 Jahre später laufen die Vorbereitungen für den Umzug nach Roth. Was aber wird aus dem Blauen Palais?

Von Stefan Salger

1970 herrscht der Kalte Krieg: hier der Warschauer Pakt, dort die Nato. 1970 ist ein gewaltsames Jahr: Die USA intervenieren in Kambodscha. Eine Bombe bringt Swissair-Flug 330 zum Absturz. In Deutschland wird die Rote Armee Fraktion gegründet. 1970 ist ein Jahr großer Bilder: Der Kniefall Willy Brandts in Warschau ist in den Fernsehnachrichten in Farbe zu sehen - die Schwarz-weiß-Ära ist zu Ende.

1970 ist auch für den Militärstandort in Fürstenfeldbruck, der auf dem Gelände der früheren Luftkriegsschule liegt, ein bedeutsames Jahr: Am 11. Juni wird auf Weisung von Bundesverteidigungsminister Helmut Schmidt eine Kommission gebildet, die sich der Neuordnung der militärischen Ausbildung und der Einrichtung zweier Bundeswehr-Hochschulen annehmen soll. Eine Uni wird in Neubiberg errichtet. Für die dortige Offizierschule der Luftwaffe muss also ein neuer Standort gefunden werden. Die Wahl fällt auf das riesige Fliegerhorstgelände in Fürstenfeldbruck. Südlich des Kilometerbaus gibt es noch genügend Freiflächen, zudem sind Sportanlagen aus der NS-Zeit inklusive einer Schwimmhalle vorhanden, ebenso ein Übungsgebiet für die sogenannte grüne Ausbildung und eine Schießanlage nahe Neulindach. Architekt Kurt Ackermann entwirft einen zeitgemäßen, verzweigten Komplex.

Denkbarer Standort für EU-Truppe

2011 verlief ihr Plädoyer noch im Sande: Der heutige Fürstenfeldbrucker CSU-Fraktionsvorsitzende Andreas Lohde und der damalige BBV-Stadtrat Klaus Zieglmeier hatten sich an Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière gewandt. Der möge doch bitte schön die Entscheidung, die Offizierschule nach Roth zu verlegen, noch einmal überdenken. Denn die Bürger der Stadt seien seit vielen Jahren eng mit den Einrichtungen und vor allem den Angehörigen der verschiedenen Dienststellen sowie deren Auftrag verbunden. Im Zuge der "Europäisierung der Streitkräfte" sei der aktuelle Standort nahe der Landeshauptstadt sehr wertvoll, zumal es einen Gebäudekomplex "in derart repräsentativer und lehrgangsgeeigneter Form nirgends gibt", schrieben sie. Aus dem Verteidigungsministerium verlautete noch im Oktober 2014 lapidar, es gebe "keine veränderte Sachlage". Gilt das 2015 noch? Der frühere Bundeswehrangehörige Zieglmeier jedenfalls sieht es anders und beruft sich dabei auf EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Der forderte jüngst erneut nachdrücklich die Schaffung von Strukturen für eine gemeinsame europäische Armee. Nur so könne "Europa glaubwürdig auf eine Bedrohung des Friedens in einem Mitglieds- oder einem Nachbarland der Europäischen Union reagieren", sagte Juncker mit Blick auf die russische Intervention in der Ukraine. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sieht es ähnlich: "Eine gemeinsame Armee ist eine europäische Vision, deren Zeit gekommen ist". Zieglmeier glaubt, dass damit die Karten für Fürstenfeldbruck wieder neu gemischt werden müssen. Denn die Angehörigen einer solchen Truppe würden seiner Überzeugung nach einen Standort nahe der Metropole München sehr viel besser annehmen als einen in der bayerischen Provinz.slg

Am 25. April 1975 erfolgt dann die Grundsteinlegung. Brigadegeneral Wolfgang Kessler steht in der Baugrube unter wehenden Fahnen. Bald schon wird das durchdachte Konzept der neuen, 105 Millionen Mark teuren Offizierschule sichtbar: Mehrstöckige Gebäude mit Flachdächern - aus Beton, Metall und Glas - gruppieren sich um begrünte Innenhöfe. Der für 1100 Personen ausgelegte Unterkunftsbereich ist mit den Wirtschafts- sowie den Hörsaalflügeln durch überdachte Fußgängerbrücken verbunden, die kurze Wege garantieren. Wegen seiner Farbe wird der Funktionsbau von den Offizierschülern "Blaues Palais" genannt - und der Teil des Lehrsaalgebäudes im zweiten Stock, in dem die Fachlehrer untergebracht sind, scherzhaft "Olymp". Im Sommer 1977 startet der Lehrbetrieb "in der damals modernsten Offizierschule aller Nato-Luftstreitkräfte", wie sich Harald Meyer von der Gemeinschaft Jagdbombergeschwader 49 erinnert. Das Herzstück der Offizierschule ist bis heute das dunkel getäfelte Auditorium Maximum mit 976 Sitzplätzen, das von Gerhard Limberg, dem damaligen Inspekteur der Luftwaffe, auf den Namen "Ludger-Hölker-Saal" getauft wird.

Seit 1977 haben unzählige Generationen angehender Offiziere in Fürstenfeldbruck die Schulbank gedrückt. Jeder, der in der deutschen Luftwaffe Karriere gemacht hat, war mindestens einmal, meistens für Fortbildungen sogar wiederholt in Bruck. So auch Brigadegeneral Bernhardt Schlaak, der die Einrichtung seit April 2012 leitet und zudem als Standortältester der Chef des gesamten Fliegerhorsts ist. 1980 war der heute 55-Jährige nach Ableistung seines dreimonatigen Grundwehrdienstes in Roth erstmals nach Fürstenfeldbruck gekommen. Es habe "spannende Erfahrungen" gemacht, sagte er einmal in einem SZ-Interview. "Hier war alles modern. Ich war unter anderem in einem Zwei-Mann-Zimmer untergebracht mit eigenem Waschbecken." Für damalige Verhältnisse beinahe luxuriöse Bedingungen.

Und doch zeichnet sich 40 Jahre nach der Grundsteinlegung ein Ende der Offizierschule ab. Die Dämmung ist nicht mehr zeitgemäß, das Flachdach nicht überall dicht. Immer wieder kursieren Fantasiebeträge von bis zu 100 Millionen Euro, die eine Sanierung angeblich kosten würde. Zahlen, die ehemalige Bundeswehrangehörige, die das Gebäude gut kennen, bezweifeln. Die Bausubstanz sei keineswegs marode, der Abriss dieser geschichtsträchtigen Einrichtung ein Unding. Lässt sich der Zeitplan halten, dann wird die Schule 2019 als letzte Einrichtung des Standorts Fürstenfeldbruck geräumt, Schüler und Lehrer ziehen nach Roth um. Der militärische Flugverkehr ist bereits 1997 eingestellt worden. Noch gibt es freilich innerhalb der Truppe erhebliche Zweifel, ob der Neubau nahe Nürnberg fristgerecht fertig wird.

Gleichwohl deutet wenig darauf hin, dass sich die Wünsche vieler Brucker Stadträte, die Bundeswehr möge sich den Umzug doch noch einmal überlegen, erfüllen. Die Entscheidung sei längst gefallen, lässt Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen ausrichten. Der frühere BBV-Stadtrat Klaus Zieglmeier, viele Jahre selbst als Sportlehrer im Fliegerhorst tätig, ärgert sich darüber, dass von der Leyen es bis heute nicht geschafft hat, sich ein Bild zu machen. Im Januar war sie beim Neujahrsempfang der Frauen-Union in Emmering zu Gast, jettete anschließend aber direkt zum Weltwirtschaftsforum nach Davos.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Herbert Kränzlein erhielt auf eine Anfrage von Staatssekretär Ralf Brauksiepe eine wenig überraschende Antwort: An der 2011 im Zuge der Bundeswehrreform getroffenen Entscheidung wird nicht gerüttelt, sei sie auch noch so "schmerzlich für Soldatinnen und Soldaten" und für die jeweilige Region.

Noch gibt es eine gewisse Hoffnung, das Blaue Palais doch noch erhalten zu können. Dafür müsste es gelingen, im Zuge der zivilen Umnutzung eine vergleichbare Einrichtung zu finden und dieser den Einzug in den Gebäudekomplex schmackhaft zu machen. Ideal wäre wohl eine Art Campus, um auch die Stuben der Offizierschüler nutzen zu können. Offen ist zudem die Frage, ob die Offizierschule unter Denkmalschutz gestellt wird.

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