Süddeutsche Zeitung

Olching:FDP spricht über die Zeitenwende

Der außenpolitische Sprecher Ulrich Lechte referiert beim liberalen Gesprächskreis über den Ukraine-Krieg, Gaspreise und die Nato-Erweiterung.

Von Carim Soliman, Olching

Ulrich Lechte wirkt erstaunlich entspannt. Weiß er nicht, auf welches geschichtsträchtige Parkett er sich hier begibt? Nun, streng genommen ist der Boden der Stube im Olchinger Daxerhof gefliest. Aber auf diesen Fliesen wandelten im Laufe der vergangenen 24 Jahre einige liberale Granden. Vielleicht sind es die Themen, Stoff der schweren Sorte, die schon vor seinem Vortrag auf seinen Schultern lasten, ihn erden, wenn man so will.

Der FDP-Kreisverband Fürstenfeldbruck hat zu seinem 65. Gesprächskreis nach Olching geladen. Wie immer soll ein Gast mit einem fachkundigen Vortrag die Themen der Stunde aus liberaler Perspektive beleuchten. Lechte ist geradezu prädestiniert, nicht nur als außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sondern auch wegen seines lokalen Bezugs. Der Regensburger lebte lange im Kreis Fürstenfeldbruck, mit den meisten Liberalen ist er per du. Wer könnte ihnen also besser erklären, wie es weitergehen könnte mit Waffenlieferungen und Nato-Erweiterung, mit Inflation und Gaspreisen?

Freudig empfangen Grallert und seine Vorgängerin als Leiterin des Gesprächskreises, Birgit Thomann, den Bundestagsabgeordneten. 1998 hielt Thomann den ersten Gesprächskreis ab, damals redeten sie noch "einfach so, unter uns." Doch im Laufe der Jahre renkten sich feste Abläufe ein, man legte Themenschwerpunkte fest und lud Expertinnen und Experten. Die Liste ist lang, Thomann hat sie anlässlich der feierlichen "Stabübergabe" ausgedruckt. 2005 referierte beispielsweise Martin Hagen, Landesvorsitzender der Jungen Liberalen, über den Generationenkonflikt, 2013 kam die zweimalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Anschließend schreitet der Außenpolitiker zur Tat. "Ich will ehrlich sein", räumt er ein, "ich werde mit euch heute nicht über Dinge sprechen, die gute Laune machen." Trotzdem gewinnt er seinem Publikum mehr als einen Lacher ab. Zum Beispiel mit dem einen oder anderen Seitenhieb gegen die politische Konkurrenz. Andererseits spart Lechte in Anbetracht der deutschen Russlandpolitik in den vergangenen Jahren auch nicht mit Selbstkritik. Dass Putin wirklich den Angriff auf die Ukraine befehlen würde, damit habe bis zuletzt niemand gerechnet, auch er nicht. In der Nacht des 24. Februar sei er in seinem Schlafzimmer wachgeklingelt worden. "Sorry, dass wir dich wecken", habe man ihm gesagt, "aber Kiew wird gerade bombardiert."

Leichtfüßig springt Lechte zwischen persönlichen Anekdoten, Presseschau und historischen Exkursen hin und her. Er erzählt von Gesprächen mit hohen ausländischen Würdenträgern, von Besuchen bei Bundeswehreinsätzen und von Sitzungen diverser Ausschüsse. Wenn er stockt, dann nur, um kurz abzuwägen, wie viel er sagen darf. "Wenn man in solchen Ausschüssen sitzt, muss einiges unter Verschluss bleiben." Sein berufsbedingtes Weltenbummeln hat sich in seinen Wortschatz eingeschlichen. Wenn auch mit deutlichem oberpfälzischem Einschlag beschreibt er "Flashbacks", wenn er etwas am Rande erwähnt, dann "by the way".

Zum Dank überreicht Hendrik Grallert seinem Gast eine Flasche Wein aus der sächsischen Heimat seiner Frau. Aber die echte Belohnung folgt erst im Anschluss. "Gleich darfst du eine Zigarette rauchen", versichert er dem Referenten.

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