Faschingszug Gernlinden:Weißwurst im Weltall

Lesezeit: 2 min

Trotz böiger Winde wollen viele Besucher das bunte Treiben sehen. Pflegenotstand und Klimaschutz sind die Themen

Von Karl-Wilhelm Götte, Gernlinden

Die Faschingsfreunde Gernlinden sind nicht die einzigen, die an diesem windigen Tag den Pflege- und Kitanotstand beim Faschingszug in Gernlinden thematisierten. Doch die Faschingsfreunde präsentieren den Notstand am eindrucksvollsten. Denn vor dem großen Faschingswagen rollt Marion im Krankenbett am Tropf mit einer Flasche mit grüner Flüssigkeit durch die Straße. "Ich habe Rücken", sagt sie und winkt ins Publikum. Bald legt sich die kleine zweijährige Ronja dazu und winkt mit. "Ein Kita-Platz wäre toll, doch leider sind sie alle voll", steht auf dem Wagen. 14 Faschingswagen und acht Fußgruppen erleben die sicherlich gut tausend Zuschauer am Straßenrand beim 90-minütigen Umzug.

In der Graf-Toerring-Straße stehen viel mehr Menschen am Straßenrand als sonst, manchmal sogar in Dreierreihen. Viele sind verkleidet - als Gladiator, Pirat, Superman, Hexe oder als Tiger. "Wir sind die wilden Hilden", behaupten Gaby, Elke, Katrin und Irene, die sich mit blau-gelben Masken und Silberperücken venezianisch verkleidet haben. Die vielen Kinder halten ihre Beutel bereit und sammeln alles blitzschnell auf, was von den Wagen heruntergeworfen wird: Bonbons, Lutscher, Popcorn. Begeistert ist auch Wolfgang Nietsche, der aus Adelshofen im Eiskugel-Kostüm an seine alte Wirkungsstätte zurückgekommen ist. "Ich war schon vor 30 Jahren mit dem Burschenverein hier auf dem Faschingswagen", erzählt er, als die Gernlindener "Dance Corporation" mit sehr lauter "Anton-aus-Tirol"-Musik vorbeifährt.

Bejubelt werden 45 Kinder der Grundschule Gernlinden, die sich unter dem Motto "Durchlassen statt Gaffen" für Rettungsgassen auf Straßen einsetzen. Die Kinder tragen mit Elternhilfe selbst gebastelte und bemalte Papp-Rettungs- und Feuerwehrfahrzeuge auf ihren Rücken. Die quirlige "Einsatzleiterin" ist Religionslehrerin Gaby Zott: "Wir wollen ein Dankeschön an Rettungsdienst und Feuerwehr sagen."

Vorneweg marschiert traditionell der Fanfarenzug Gernlinden mit Trommlern und Trompetern. Diesmal treten sie in Piratenkostümen auf und trotzen dem böigen Wind. Bernhard Glück trommelt schon seit 1982 mit. Da war er fünf Jahre alt gewesen. Neben ihm geht der neunjährige Noah und trommelt ebenso kräftig. Glück kennt natürlich alle Ecken und winkt Freunden am Straßenrand zu. Nicht zu übersehen ist an der Maisacher Straße 20 Marc Wesner mit seiner bunten Reggae-Mütze. Für seine Gäste wird er wie seit fast 20 Jahren wieder den Grill anwerfen. Nebenan hat Familie Fischer erneut Live-Musik organisiert. Auch Bürgermeister Hans Seidl ist mit von der Partie. Er kommt fußläufig am Wagen des Ortskartells vorbei und verteilt im Indianerkostüm und im Gesicht braun geschminkt gerade Lutscher.

"Wetter passt, alles prima" ruft Hannes Haschka, Ausschussvorsitzender des Faschingszugskartells, vom Wagen herunter. Dann geht es links in die schmale Frühlingsstraße - quasi mitten durch die Vorgärten, wo wieder mehr Menschen mitfeiern. Sie erleben den Wagen des Burschenvereins Gernlinden, diesmal ohne Bierflaschen in den Händen, dafür als Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger verkleidet, gleich dahinter noch ein Kleinwagen zum Pflegenotstand. Dann die riesige "Bavaria-One"-Weißwurst-Rakete des Kellerclubs Gernlinden, der bayerischen Größenwahn auf die Schippe nimmt. "Söder I." liest man und "Ach, wie ist es fein, die erste Weißwurst im Weltall zu sein." Sehr farbenfroh wieder die Kostüme der Gernlindener "Lady's Gracha", die sich als "Candy Girls" verkleidet haben. Ebenso die der Frauen vom Weiberfasching Gernlinden, die sich in ihren grünen Blütenwiesen-Kostümen für Klimaschutz stark machen. Die Freiwillige Feuerwehr Gernlinden macht Stimmung gegen Greta Thunberg. "Fluch der Greta" und "Hysteria" steht auf dem großen Wagen geschrieben. Dagegen setzt die Fußgruppe der Faschingsfreunde Schneider aus Gernlinden, die den Zug beschließt, mit mehreren "Superhelden" ein kämpferisches Zeichen für den Klimaschutz.

© SZ vom 24.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: