Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Furioser Start in die närrische Saison

Die Faschingsfreunde inthronisieren mit einer tollen Show in Fürstenfeld ihr Prinzenpaar - und lassen sich auch von der Selbstbedienung im Stadtsaal und der Abwesenheit von Vertretern der Stadtspitze nicht beirren.

Von Karl W. Götte, Fürstenfeldbruck

Der Applaus und der Jubel wollen nicht enden, als das Prinzenpaar mit Feuerwerk links und rechts von der Bühne des Fürstenfelder Stadtsaals Hand in Hand herunterschreitet. Umgeben von den Garden der Brucker Faschingsfreunde grüßen Celine I. und Stefan II. ihre Untertanen. Die Jubelszenerie hat für Mitwirkende und Gäste nach drei Jahren mit Corona-Entbehrungen einen spürbar befreienden Charakter. In die außerordentlich gute Laune mischen sich aber auch Misstöne. Mangels Bedienung müssen sich Frauen in Abendkleidern ihr Essen im Vorraum abholen und in den Saal jonglieren. Zudem ist keiner der Stadtoberen aus dem Rathaus zur Proklamation des offiziellen Prinzenpaares der Kreisstadt erschienen.

"Ich habe den OB und die Bürgermeister schon Anfang September zu unserer Gala mit Inthronisation des Prinzenpaares eingeladen", berichtet Karlheinz Graff, Präsident der Faschingsfreunde. "Alle drei haben abgesagt." Sie hätten andere Termine an diesem Abend. "Es ist schade, dass sie nicht da sind", so Graff, den alle hier "Charly" nennen, betont diplomatisch. Man merkt deutlich, dass er sich diesen Abend mit einem ausverkauften Haus nicht vermiesen lassen will.

So muss Stadtrat Georg Stockinger von den Freien Wählern den symbolischen Rathausschlüssel an das Prinzenpaar übergeben, den sie nun bis zum Faschingsende am 21. Februar behalten werden. Auch während der Inthronisation ist ein Kommen und Gehen im Saal zu beobachten. Die Besucher holen sich Getränke aus dem Foyer und das Essen aus dem Nebenraum.

"Für so einen Ball ist das sehr unbefriedigend", sagt Faschingsfreunde-Chef Graff mit Blick auf das Hin- und Hergelaufe. Er habe Ende September erfahren, dass der Fürstenfelder Gastronom kein Bedienungspersonal bereitstellen kann. Der Verein hat sich selbst um eine Cateringfirma bemüht, "aber da war nichts aufzutreiben", so Graff, der seit 2018 im Amt ist. So muss der Verein die Selbstbedienung in Kauf nehmen. "Ich habe dem Gastronomen noch gesagt, er möge bitte keine Speisen mit Soßen herrichten, damit sich die Gäste unterwegs nicht bekleckern." Einen Mietnachlass hat es für die Faschingsfreunde für die Selbstbedienung nicht gegeben. "Im Gegenteil", erklärt Graff, "wir müssen zehn Prozent Energiekostenzuschlag zahlen." Bei einem mit 435 Gästen ausverkauftem Saal komme man gerade so ohne Verlust hin.

Inzwischen hat das Prinzenpaar unter dem Jubel seinen Prinzenwalzer absolviert und posiert für die Fotografen. Celine I., bürgerlich Celine Jahr, spricht von einem "Kindheitstraum", den sie erlebe. Die 23-jährige Erzieherin ist eine waschechte Bruckerin, die schon in der Kindergarde der Faschingsfreunde getanzt hat. Sie ist auch Trainerin der Männergarde "The Boyz". Ihr Prinz, Stefan II., ist 26 Jahre alt, kommt aus Puchheim und arbeitet dort als Softwareentwickler. Celine Jahr und Stefan Bader sind auch privat ein Paar. "Der Prinz hat mich gefunden", sagt denn auch Celine und strahlt in ihrem mit Strasssteinen bestickten Prinzessinnenkleid. "An dem Kleid haben wir viele Tage gearbeitet", erzählt sie. Da sind die zehn Stunden Strassen, die Stefan II. für seinen Anzug gebraucht hat, nur ein Klacks.

Nach Tanzrunden der Showband für die Galagäste reihen sich Prinzessin und Prinz später am Abend in die Vorführung der Schautanzgruppe "Elements of Dance" ein. Die Garde ist gewachsen. Inzwischen tanzen 14 Frauen und neun Männer mit. Männer als Unterbau machen jetzt mehr eindrucksvolle Hebefiguren möglich, die im Saal immer wieder mit Begeisterung quittiert werden. Choreografiert wird die Schau erneut von der ehemaligen Profitänzerin Tanja Kuschill aus Augsburg. Dass die Schau "Viva los Muertos" heißt, ist nach fast drei Jahren Corona eine sehr spezielle Idee. Zumal auch die Kindergarde der Faschingsfreunde, die "Children of Dance", unter diesem Motto auftritt. Da tanzen Kinder in Hemden mit Totenkopfaufdruck auf dem Rücken oder mit Oberkörper-Knochengerippe über die Bühne.

Das Motto geht auf einen mexikanischen Brauch um Allerheiligen zurück, bei dem "die Toten ganz fröhlich gefeiert werden", klärt Prinz Stefan II. auf. Mit Fasching hat es dort jedoch nichts zu tun. Na denn. Ganz wichtig ist jedoch an diesem Abend die Wiedergeburt des Faschings in Bruck oder wie es Conférencier Sandro Räthel zu Beginn gesagt hatte: "Es gibt uns noch, und wir sind sogar mehr geworden."

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