Langsam schreiten sie auf die Bühne zu. Gerade Haltung, bedächtiger Gang, die Hände zum Gruß erhoben. Es ist wahrlich ein königlicher Auftritt, den das 50. Prinzenpaar der Olchinger Faschingsgilde, Jessica I. und Phillip I., bei ihrer Proklamation am Samstagabend im Golfklub hinlegt.
Jessica macht dabei dem Motto des Abends, "Queen of the Night", alle Ehre. Mit einem bodenlangen, weißen Kleid und den kunstvoll aufgesteckten Haaren könnte eine echte Prinzessin an diesem Abend kaum royaler aussehen. Auch der Prinz an ihrer Seite macht in Anzug und Fliege eine stattliche Figur. Beide sind von ihrer Proklamation merklich überwältigt. "Es ist ein Privileg, mit meinem Freund, meinem Prinzen, hier stehen zu dürfen" erklärt Jessica in ihrer offiziellen Rede. "Ich freue mich unheimlich darüber."
Etwa vier Stunden zuvor: Das Paar hat für eine Vorabaudienz auf einer Sofaecke in den unteren Räumen des Golfklubs Platz genommen. Beide sind voller Vorfreude auf ihre Proklamation. Zu diesem Zeitpunkt sind sie noch die bürgerlichen Jessica Cuje und Phillip Rheindt, 22 und 23 Jahre alt, wohnhaft in Olching. Sie ist examinierte Pflegekraft und will bald ein Psychologiestudium aufnehmen. Er arbeitet als Produktmanager im Außendienst. Teil des royalen Paares zu sein, davon träume sie bereits, seit sie 2016 das erste Mal in der Garde mittanzte, erzählt Jessica. "Damals war das Motto Cinderella. Ich habe die Prinzessin gesehen und dachte, das will ich auch." Zur Faschingsgilde kam sie durch die ehemaligen Trainer der Garde. Vor zwei Jahren stieß über sie ihr Freund Phillip dazu, der nun als Prinz an ihrer Seite steht. Er hatte sich zunächst um die Technik gekümmert. Seit der vorigen Saison ist er jedoch ebenfalls fester Bestandteil der insgesamt zwölfköpfigen Garde "Spirit of Motion".
Die gab den Gästen bei der Proklamation bereits eine Einstimmung auf die anbrechende fünfte Jahreszeit. Zu den Klängen des Songs "A Kind of Magic" der Band Queen wirbeln die Tänzer über die Bühne, vollführen Drehungen und Hebefiguren. Jessica und Philip sind unter ihnen, bei diesem ersten Auftritt des Abends noch inkognito. Wie alle anderen tragen sie weiße Hosen und rote Oberteile. Outfit und Auftritt stehen ganz im Zeichen des Mottos "Queen of the Night", eine Hommage an die britische Rockband und ihren Leadsänger Freddy Mercury. Ihm zu Ehren haben sich die männlichen Mitglieder der Truppe einen Schnauzbart stehen lassen. Der Auftritt ist nur ein Vorgeschmack zur eigentlichen Show, die erst bei der Inthronisation im Januar vorgestellt wird.
Bis dahin haben Phillip und Jessica bereits ihre ersten Termine, wie an diesem Montag in der Kulturwerkstatt, wenn um 11.11 Uhr der offizielle Fasching beginnt. Beide freuen sich auf ihre Aufgabe, die sie in den kommenden Monaten wahrnehmen. Könnte sie in dieser Zeit tatsächlich regieren, würde sie sich im sozialen Bereich einsetzen, sagt Jessica. Sie würde den Pflegeberufen mehr Anerkennung verschaffen. "Ich würde mir eine kleine Auszeit nehmen", sagt Phillip. In seinem Beruf sei er viel unterwegs. Gerne würde er mehr daheim sein, sagt er und lächelt Jessica zu. Sie beide sind gespannt, die Zeit als Paar zu erleben. Natürlich werde es Meinungsverschiedenheiten geben, sagt Jessica. Aber man könne auch viele gemeinsame Erfahrungen sammeln, ergänzt Phillip. Außerdem sei es gut für die Show: Die Emotionen könnten durch die Beziehung ganz anders widergespiegelt werden, erklärt er.
Und tatsächlich: Als sie bei der Proklamation gemeinsam auf der Bühne stehen, ist die Verbindung der beiden deutlich zu spüren. Nach seiner offiziellen Rede umarmt sich das Paar innig, kurz darauf wiegen sich die beiden beim traditionellen Prinzenwalzer im Takt zu Whitney Houstens "I have Nothing". Blaue und grüne Lichter umspielen ihre Gestalten, Trockeneisnebel wabert um sie herum, während sie eng aneinandergeschmiegt über die Tanzfläche gleiten.