Süddeutsche Zeitung

Gerichtsprozess:Familienstreit endet vor Gericht

In einem Prozess vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck geht es um das Ausspähen von Daten und mutmaßliche Hackerangriffe. Schauplatz ist ein international agierendes Unternehmen, angeklagt der 80-jährige Firmenchef.

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Mit bald 81 Jahren saß am Mittwoch wegen des Ausspähens von Daten ein Geschäftsmann mit Firma im Landkreis auf der Anklagebank. Dem Gesellschafter eines international agierenden Unternehmens wurde zur Last gelegt, die geschäftlichen E-Mail-Zugänge seines Sohnes unbefugt geöffnet zu haben. Was der Senior zunächst noch mit einer plausiblen Erklärung bestätigt, bekommt mit der Aussage des Juniors die Brisanz eines Wirtschaftskrimis. Denn offenbar geht es um eine von diesem entwickelte Software. Und plötzlich steht der Vorwurf im Raum, dass der 80-Jährige beziehungsweise seine Mitarbeiter den Computer des Sohnes gehackt haben. Der Vorsitzende Richter setzt schließlich das Verfahren aus, um weitere Beweise zu erheben.

Der Prozess sei "Bestandteil einer betrüblichen familiären Situation", beginnt der Rechtsanwalt des Angeklagten. "Jahrelang" habe man vergeblich versucht, den inzwischen 56 Jahre alten Sohn seines Mandanten als Nachfolger aufzubauen. Nach Darstellung des Juristen schaltete der Junior eine für den Betriebsablauf existenziell notwendige Software ab. "Das ist so, wie wenn Sie Windows von Ihrem Computer nehmen", erläuterte er. Dieser Schritt war demnach der Grund für die Kündigung des Sohnes im August 2019. Dass in den Monaten danach dessen geschäftliche E-Mail-Zugänge (fünf nach Angaben des Anwalts) auf Anweisung des Angeklagten von Mitarbeitern geöffnet und die Inhalte gelesen wurden, geben der 80-Jährige und sein Verteidiger zu. Schließlich sei es um den reibungslosen Ablauf der Geschäfte gegangen, argumentieren sie.

Die Aussage des Juniors widerspricht dieser Darstellung praktisch in allen Punkten. Einen Grund für die Kündigung nennt er nicht, aber er spricht von "fristlos" - mitsamt sofortigem Hausverbot und Einbehaltung seines Firmenwagens. Ende August 2019 habe er "eine von mir entwickelte Software abgeschaltet", bestätigt er - es ist jene, die der Verteidiger Minuten zuvor als Grund für die Kündigung angegeben hatte. Wie der 56-Jährige weiter darlegt, hatte er allerdings zuvor über seinen Anwalt angekündigt, dass die Lizenz für das Programm zum Monatsende endet und es dann nicht mehr funktioniert, wenn keine neue Lizenz erworben wird. Der Zeuge, der mit einem großen, schwarzen Rollkoffer mit mehreren Aktenordnern darin im Gerichtssaal erschienen ist, verweist auf entsprechende Aufzeichnungen. Und verliest die Aussage eines Firmenmitarbeiters, die dieser im Zuge der diversen Verfahren zwischen Senior und Junior in Bezug auf die Software gemacht hatte: "Wir haben diesen Abschaltmechanismus komplett ausgehebelt."

Darüber hinaus berichtet der Junior, dass zum Jahreswechsel 2019/2020 sein Computer gehackt und in der Folge "von meinem Rechner aus ein Angriff auf das Firmen-System vorgetäuscht wurde". Es gab eine Hausdurchsuchung und Beschlagnahmungen wegen des Verdachts auf Computerkriminalität. Im Februar 2022 stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den 56-Jährigen ein. Am Rande sei noch erwähnt, dass der Filius nach eigenen Angaben den fraglichen E-Mail-Zugang erst einige Stunden nach der Kündigung eingerichtet hatte. Und zwar nicht mit dem Firmennamen als Adresse, sondern bei einem freien Anbieter.

"Das ist ein ganz anderer Sachverhalt als ihn der Angeklagte schildert", stellt Richter Johann Steigmayer fest. Er regt an, die Verhandlung auszusetzen und weitere Beweise zu erheben. Unter anderem soll untersucht werden, welche Daten auf welcher E-Mail-Adresse gespeichert waren und ob diese Passwort-gesichert waren (auch in diesem Punkt widersprechen sich Vater und Sohn); ein Sachverständiger soll den Hackerangriff untersuchen.

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