Die Lage ist prekär in den Kindertagesstätten im Landkreis. Der Mangel an Erzieherinnen und pädagogischen Fachkräften ist so groß, dass die verbleibenden Mitarbeiter an ihre Belastungsgrenzen und darüber hinaus gehen. In der Realität heißt das zum Beispiel, dass drei Erwachsene auf fünf Gruppen mit Kindergartenkindern aufpassen, wie es offenbar jüngst in einer Einrichtung im Landkreis geschehen ist. Und das Landratsamt erkennt Bewerber mit abgeschlossenem Sozialpädagogik-Studium nicht ohne weiteres als Ergänzungskraft an. Von solchen Zuständen aus ihrem ganz normalen Berufsalltag haben Fachkräfte bei einem Austausch zum Thema "Akuter Fachkräftemangel in Kitas und der Kindertagespflege" berichtet.
Das erschreckende Resümee des Abends in der Halle der Hans-Kiener-Stiftung: Zurzeit sind Kitas nur noch Verwahranstalten für den Nachwuchs, frühkindliche Bildung ist unter den aktuellen Bedingungen nicht möglich. Die Rahmenbedingungen müssen unbedingt verbessert werden mit kleineren Gruppen und mehr Betreuern. Und die gesellschaftliche Wertschätzung für diese verantwortungsvolle Aufgabe - Kinder in allen Bereichen für das Leben fit zu machen - fehlt.
"Was sind uns unsere Kinder wert?" Diese Frage wurde bei dem Austausch von einem knappen Dutzend Personen, darunter vor allen Dingen Leitungskräfte von Kitas, immer wieder gestellt, auch von Gastgeberin Gabriele Triebel, Landtagsabgeordnete der Grünen für den Stimmkreis Landsberg und Fürstenfeldbruck-West sowie Sprecherin ihrer Fraktion für Bildung, Erinnerungskultur und Religion.
"Es geht nur noch darum, dass man den Tag übersteht", berichtet eine Kita-Chefin, der seit September drei Mitarbeiterinnen wegen Schwangerschaft fehlen. Das Problem seit Beginn der Corona-Pandemie: Mit Bekanntwerden einer Schwangerschaft dürfen Erzieherinnen sowie pädagogische Fachkräfte nicht mehr arbeiten. "Die haben den Satz noch nicht einmal ausgesprochen, dann sind die schon zur Tür raus."
Und die Kindereinrichtungen stehen dann vor der fast unlösbaren Aufgabe, so schnell wie möglich Ersatz zu finden. "Es ist jetzt schon nur noch eine Aufbewahrung", stellt sie fest. Und sie muss befürchten, dass ihre wenigen Mitarbeiterinnen angesichts der Arbeitsbelastung selbst bald krank werden. Als wäre nicht schon Jahre vor der Pandemie hinlänglich bekannt gewesen, dass es viel zu wenige Betreuungskräfte für Kinder gibt, monieren die Anwesenden die jahrelange Untätigkeit der früheren Bundesregierung.
Wie bei der Diskussion herauskommt, hat die Pandemie noch weit mehr Spuren hinterlassen: Da sind zum einen viel mehr Kinder mit Förderbedarf. Triebel gibt die Beobachtungen einer Kinderkrankenschwester aus dem Krankenhaus Landsberg wider, "dass die sprachlichen Fähigkeiten wirklich minder ausgeprägt sind". Sowohl intellektuell als auch motorisch merken die Betreuerinnen die fehlenden zwei Jahre. Weitaus gravierender, und vermutlich auch viel fordernder für die Erzieher, sind jedoch die psychischen Folgen.
Zum gestiegenen Arbeitsaufwand kommt die Abwanderung vieler Fachkräfte, vor allen Dingen unter den Kita-Leitungen, aber auch unter den Mitarbeitenden. Der vor Corona schon sehr überschaubare Personalpool ist weiter geschrumpft. Hinzu kommen nicht nachvollziehbare Regelungen, die es Quereinsteigerinnen wie Zugewanderten ziemlich schwer machen, in der Branche Fuß zu fassen.
Da ist zum Beispiel die junge Kroatin mit abgeschlossenem Studium, Lehramt Grundschule, oder eine Frau mit einem in Deutschland abgeschlossenen Sozialpädagogikstudium: Nach den Erfahrungen der Diskutierenden bedarf es viel Mühe, Zeitaufwand und Nerven diese qualifizierten Menschen, die gerne mit Kindern arbeiten würden, in ein vollwertiges Arbeitsverhältnis zu bekommen. Über die Anerkennung beispielsweise eines ausländischen Studienabschlusses entscheidet das jeweilige Landratsamt. Die Behörde in Fürstenfeldbruck scheint besonders strenge Maßstäbe anzusetzen, während "die Stadt München alles nimmt, was bei drei nicht auf den Bäumen ist", wie eine Frau berichtet.
Die fehlende Wertschätzung für ihre Arbeit kommt ebenfalls immer wieder zur Sprache. Die Bezahlung habe sich zwar in den vergangenen zehn Jahren deutlich verbessert, so das einhellige Resümee - allerdings nicht für Führungskräfte. Und in der Gesellschaft werde die Erziehung von Kindern nach wie vor nicht als das angesehen, was sie sein sollte: das Fundament für die Zukunft. "Jeder Sales-Manager ist das Hundertfache wert"- beim Verdienst wie beim Prestige, stellt jemand frustriert fest.
Dabei, auch das ein Fazit des Gespräches, könnten viele Menschen ihrer Arbeit gar nicht nachgehen und dort das Vielfache der Erzieherinnen verdienen, wenn die nicht auf ihre Kinder aufpassen würden. Und viele Personen mit Erzieher-Ausbildung oder einem ähnlichen pädagogischen Hintergrund machen sich als Therapeuten selbständig; dann können sie unter ganz anderen Bedingungen mit Kindern in Einzelsitzungen arbeiten.