Im Urlaub einfach mal den Alltag hinter sich lassen, ausspannen und abschalten. Manchen fällt das echt schwer, etwa dem Brucker FDP-Stadtrat Herwig Bahner. Er hat die schönsten Wochen des Jahres genutzt, um auf Facebook allerlei Posts von AfD, FPÖ und Konsorten zu teilen. Unter dem Titel "Europas Retter" sind die Konterfeis von Sebastian Kurz, dem österreichischen Kanzler, Matteo Salvini, italienischer Innenminister und Boss der Lega Nord, und Viktor Orbàn, dem ungarischen Ministerpräsidenten, zu sehen, dessen antisemitische Tiraden sich vor allem gegen George Soros, einen Liberalen richten. Es finden sich Beiträge unter dem Logo "Alles für die AfD", über "feindliche Fremde, die unser Volk töten" oder gegen das Konzert gegen rechts nach den Angriffen des rassistischen Mobs in Chemnitz auf Einwanderer und ein jüdisches Restaurant.
"Das sind alles geteilte Sachen von mir", bestätigt Bahner. Manche Inhalte kenne er und finde sie gut, egal von wem sie stammten, etwa die Forderung des FPÖ-Generalsekretärs, keine "Migranten-Schiffe" in Europa anlegen zu lassen. "Das ist doch Beihilfe zum Schleppertum", findet Bahner. Andere Posts habe er überhaupt nicht gelesen. Beim Abendessen im Urlaub in Italien hätten ihn viele Nachrichten erreicht, die meisten von CSU und FDP, die habe er einfach alle geteilt, ohne sie sich anzuschauen. Bahner wechselte vor einem Jahr von der CSU zur FDP. Den Uhrzeiten nach zu schließen, konnte Bahner im Urlaub schon beim Frühstück und Mittagessen die Finger nicht vom Smartphone lassen, etliche Posts hat seine Ehefrau mit einem Like versehen. Man ist schwer versucht, sich die traute Zweisamkeit in Bella Italia zwischen Pizza und Pasta auszumalen.
In der FDP sieht man die Angelegenheit gelassen. "Ich kenne Bahner seit Langem und mache mir keine Sorgen, dass er ein verkappter Rechtsradikaler oder Antidemokrat ist", sagt Fraktionskollege Klaus Wollenberg. Für den nächsten Urlaub werde er ihm ein paar gute Bücher schenken. "Ich erlebe Bahner als vernünftigen Stadtrat, er teilt einfach alles, was ihm in die Finger kommt", erklärt Hendrik Grallert, der FDP-Kreisvorsitzende. Im übrigen sei es keine Neuigkeit, dass Bahner "Merkel-kritisch" und in der Migrationsfrage "konservativ" sei.
Richtig aufregen können sich die Liberalen über den SPD-Politiker Peter Falk, der Bahners Facebook-Aktivitäten öffentlich gemacht hat. "Ich finde das dubios, dass sich Leute als Jäger und Sammler betätigen", sagt Wollenberg. Für Grallert ist das Ausdruck von Verzweiflung bei der SPD angesichts der schlechten Umfragewerte. "Peter Falks Vorgehen zeugt dennoch nicht von Souveränität", findet Grallert. Falk ist aber nicht der einzige, der sich aufregt. In einem Kommentar in der Facebook-Gruppe griff jemand Bahner frontal an: Sein "brauner menschenverachtender Hass" sei nicht zu ertragen.
Bahner hat nicht nur Posts geteilt, sondern auch eigene Kommentare verfasst, etwa über die Kanzlerin, die das Grundgesetz nicht kenne, sonst würden nicht Millionen von Illegalen hierzulande leben. In einem Statement zu den Vorfällen in Chemnitz schreibt er: "Wollen wir uns wirklich daran gewöhnen, dass spätestens alle paar Tage Menschen erstochen, Frauen vergewaltigt und getötet werden von angeblich Schutzsuchenden ohne Unrechtsbewusstsein weil man halt bei ihnen zu Hause vergewaltigt und Leute ersticht?" Das könne man in einer Statistik des Bundeskriminalamts nachlesen, erklärte Bahner der SZ. Die Quelle hat er gerade nicht zur Hand.