Martin Eberl läuft vor dem Eichenauer Discounter auf und ab, vor ihm steht ein roter Schirm mit SPD-Logo, darunter ein weißer Stehtisch. Eberl ist Fraktionssprecher der SPD im Gemeinderat und er ist hier, um Europawahlkampf für seine Partei zu machen. Eberl ist nicht alleine, fünf weitere Mitglieder der SPD-Eichenau unterstützen ihn.
Ein Mann kommt aus dem Laden, unter dem Arm trägt er eine Einkaufstüte, im Schlepptau hat er zwei Kinder. Eberl tritt an ihn heran und sagt: "Entschuldigung, wir sind von der SPD. Dürfen wir Ihnen Infomaterial zur Europawahl mitgeben?" Eberl drückt dem Mann Flyer in die Hand. Der Mann nimmt die Flyer und sagt: "Die werde ich eh gleich wegwerfen." Und dann geht es los. Der Mann sagt, er habe immer SPD gewählt, doch aktuell finde er sie schwach. "Die SPD hat ihre Wurzeln verraten." Es geht um die Bundespolitik, die Fehler der Parteiführung, die große Unzufriedenheit. Eberl nickt, hört ihm zu. Und dann geht es, nach zwei Minuten Gespräch, plötzlich um Hundekot an Kinderspielplätzen in Eichenau, darum, was der Gemeinderat dagegen machen kann. Eberl geht zum Stehtisch, holt einen kleinen Zettel hervor. "Hier können Sie Wünsche und Anregungen für Eichenau aufschreiben", sagt er.
Die SPD ist zwar hier, um Wahlkampf für die EU zu machen, doch wenn die Leute stehen bleiben, drehen sich die Gespräche meist nicht um Europa. Es geht um Eichenau, die Sorgen der Bürger vor ihrer Haustür. Eberl weiß das, er sagt, die EU sei nun mal weiter weg von den Leuten. Deswegen haben er und seine Genossen die kleinen Zettel dabei, die neben Flyern mit dem Konterfei von Maria Noichl, SPD-Europaabgeordnete, und dem "Hamburger Programm" der Partei liegen. Eberl sagt, es sei wichtig, präsent zu sein und mit den Leuten über Kommunalpolitik zu reden - auch wenn der Infostand in erster Linie der Europawahl dient. "Wir sind alle Kommunalpolitiker", sagt er.
Etwas mehr als sechs Kilometer von Martin Eberl entfernt steht Manfred Haberer in einem Mehrfamilienhaus in Germering. Mit dabei hat er mehrere Turnbeutel, auf denen das Logo seiner Partei, der CSU, zu sehen ist. In den Beuteln liegen Infoflyer zur Europawahl. Haberer macht, zusammen mit Werner Oehl und Thuy Tran, Haustürwahlkampf. Ein Mann in Jogginghosen öffnet verschlafen seine Wohnungstür. "Entschuldigung, darf ich Ihnen Infos zur Europawahl mitgeben?", sagt Haberer. "Nein danke, ich informiere mich über das Internet", antwortet der Mann und schließt die Tür. Haberer geht das Treppenhaus hoch, bleibt an der nächsten Tür stehen und klingelt. Die Tür öffnet sich einen Spalt, ein Mann, noch im Pyjama, schaut heraus. Bevor Haberer zu Ende reden kann, sagt der Mann "Wer hat Sie denn reingelassen? Danke, kein Interesse" und schließt die Tür. "Vielleicht ist es noch ein bisschen zu früh", sagt Haberer an diesem Samstagmorgen um 9.15 Uhr und tritt aus der Haustür. Doch auch wenn es zu früh ist, der Haustürwahlkampf geht weiter. Tran und Oehl klingeln an einer Doppelhaushälfte, eine Frau kommt heraus und nimmt den Beutel entgegen.
Insgesamt ist die Bilanz eher positiv, viele Leute öffnen ihre Türen und nehmen das Infomaterial. Die meisten sagen noch "CSU, das ist ja schon mal die richtige Partei" oder "Euch wähle ich sowieso". Es gehe beim Haustürwahlkampf auch nicht darum, die Menschen zu überzeugen, sagt Tran. Vielmehr gehe es darum, Präsenz zu zeigen. "Die Leute, die uns nicht mögen, überzeugen wir so sowieso nicht", sagt sie.
Die Straße vor dem Discounter in Eichenau ist fast leer, es hat den ganzen morgen geregnet, nur wenige Menschen sind unterwegs. Ein junges Paar läuft in Richtung des Infostands. Bevor Eberl und seine Mitstreiter die beiden ansprechen können, macht das Paar einen großen Bogen und stellt sich an die Fußgängerampel. "Die Jüngeren interessiert die Europawahl tendenziell eher weniger", sagt Eberl. Thuy Tran hingegen sagt, sie habe schon das Gefühl, dass die jungen Leute sich mehr für Europa interessieren als noch vor fünf Jahren. Sie ist selber 28, in ihrem Freundeskreis sei das Interesse an der Wahl durchaus groß. Das könne aber auch daran liegen, dass sie einen recht politisch interessierten Freundeskreis habe, gibt sie zu und klingelt an der nächsten Haustür.
Nach zwei Straßenzügen und einer knappen dreiviertel Stunde ist der Haustürwahlkampf für heute vorbei. Tran steht jetzt mit anderen Wahlkämpfern der CSU vor der Germeringer City Galerie, sie haben ihren Infostand aufgestellt. Auf dem Tisch liegen Infoflyer zu Wahl, Feuerzeuge und Gummibärchen. Daneben steht ein Eimer mit CSU-Luftballons. Ein Mann kommt vorbei, Halbglatze, runde Brille. Er stellt sich zu Oliver Simon, Ortsvorsitzender der CSU Germering, und diskutiert mit ihm. "Manfred Weber hat gelogen", sagt er. Der Spitzenkandidat der CSU habe gesagt, bei der Wahl könne man ihn direkt wählen. "Das stimmt so nicht", sagt Simon und er und der Mann diskutieren über den Sinn und Unsinn einer repräsentativen Demokratie, über eine unterbrochene Legitimationskette bei der Ernennung des EU-Kommissionspräsidenten. Dann beschwert sich der Mann über die EU, sagt sie hätte "bei jedem größeren Problem den Mund gehalten". Bei der Katalonienkrise, der Finanzkrise. Simon hält dagegen, wird lauter, sagt das stimme nicht. Doch zum Ende scheinen sich die beiden doch zu vertragen, der Mann sagt noch: "Wenn es die CSU in NRW geben würde, ich würde sie ja wählen" und geht in Richtung Innenstadt.
Der Stand in Eichenau ist schon fast abgebaut, das Wetter wird wieder schlechter, eine Windböe weht den SPD-Schirm weg, die Flyer fliegen vom Tisch. Eine Frau kommt vorbei, Eberl spricht sie an. "Die Europawahl? Jaja, ich weiß", sagt sie und winkt ab. Eberl holt wieder einen kleinen Zettel hervor. "Ich habe hier noch einen Zettel", sagt er, "dort können Sie Vorschläge für Eichenau draufschreiben". Die Frau nimmt den Zettel entgegen und geht weiter.