Süddeutsche Zeitung

Erstmaliges Angebot:Ansturm auf den "Verschenke-Markt"

An 31 Tischen werden im Puchheimer Pfarrsaal Kleidung und Bücher, Spielsachen und Geschirr angeboten. Auch ein Tigerkostüm ist dabei. Die Besucher können kostenlos mitnehmen, was ihnen gefällt

Von Karl-Wilhelm Götte, Puchheim

Das große Tigerkostüm steckt in einer großen Tasche, der Kopf schaut noch heraus. "Das war unser Tiger", sagt Lisa Wahlers und klingt etwas wehmütig. "Damit haben wir viele Jahre 'Dinner for One' an Silvester nachgespielt." Lisa Wahlers musste immer "Miss Sophie" geben. In der Rolle des Butlers James, der über den Tigerkopf stolpert, wechselten sich die Männer im Haushalt ab. Der Tiger ist nun weg, er war Teil des "Verschenke Marktes" im Pfarrheim Sankt Josef in Puchheim. Zu dem strömten kürzlich Menschen in beachtlichen Massen zu den 31 Verschenke-Tischen im Pfarrsaal; nach gut einer Stunde waren sie nahezu leer geräumt. Organisatorin Sabine Januschko machte ein sehr zufriedenes Gesicht.

"Die Idee habe ich von meiner Schwester", sagt sie. "Sie macht das seit Jahren in Passau." Über ihre Facebookseite startete einen Aufruf und alsbald füllte sich der Raum mit Verschenke-Ständen. Besonders freute sie sich darüber, dass Jung und Alt, Migranten und Nichtmigranten das Geschenkeangebot angenommen haben. Bereits zur Eröffnung um 11.30 Uhr nach dem Familien-Gottesdienst kamen die Besucher in großer Zahl. Am Ende sind bestimmt zweihundert Menschen dagewesen. "Der Kinderhochstuhl ist schon weg", berichtet Michaela von Hagen aus Puchheim. Ihre zehnjährige Tochter Ronja steht auch am Stand und beobachtet, wie ihre und die Kinderbücher ihrer Geschwister und auch die Spielsachen weggehen. "Ich freue mich, wenn Kinder oder Erwachsene die Sachen mitnehmen. Das ist ein gutes Gefühl für mich, wenn sie ihnen gefallen", sagt Ronja. Der Kinder-Skianzug und Kinder-Bettwäsche gehören zu den wenigen Sachen auf dem Tisch, die noch da sind.

Christa Steinbrecher ist ganz fröhlich, weil sie das Feuergefäß für ihr Käsefondue gefunden hat. Auch Topf und Deckel gab es dazu. Die Puchheimerin hat selbst Sachen mitgebracht und am Stand ihrer Freundin deponiert. "Nächstes Mal bringe ich viel mehr mit", sagt sie. "Diese Aktion ist so eine gute Idee." Das meint auch Ilka Banhöfer, die ebenfalls Kindersachen verschenkt. "Die hat meine Tochter rausgesucht", sagt sie. "Sie will damit etwas Gutes tun und nichts wegwerfen." Tischdecken sind noch da und Spiele. Ein Mädchen fragt schüchtern, ob sie das kleine Kuscheltier haben darf. Überhaupt sind manche Kinder zunächst vorsichtig. Dass es etwas geschenkt gibt, scheinen sie nicht so recht glauben zu wollen. Doch bald ist bei ihnen der Bann gebrochen.

Blessed und Honest, zwei Kinder aus Nigeria, schauen die Überraschungseierfiguren an einem Stand systematisch durch. "Die gehen gut weg, zuhause quellen die Kinderzimmer bei uns damit über", sagt die Verschenkerin. Der vierjährige Blessed testet nun eine kleine Pfeife. Als er einen Ton herausbringt, packt er sie in seinen Karton. Seinem siebenjähriger Bruder Honest gefällt eine Gesichtsmaske.

Eine Frau aus Eichenau hat zwei Taschen voller Kinderkleidung eingepackt. "Da sind schöne Sachen für die Enkelin dabei", sagt sie zufrieden. Auch die Puchheimerin Dagmar Koch hat zuhause ihren Schrank ausgeräumt. Zwei Kisten voll Geschenke hat sie mitgebracht. Das meiste ist weg vom Tisch. Eine CD, zwei Kartenspiele und ein großer Teller warten noch auf Abnehmer.

Richard Wagners Tannhäuser-LP scheint an einem anderen Stand zum Ladenhüter zu werden. Organisatorin Sabine Januschko hat der grandiose Verlauf dieser Verschenke-Premiere dazu animiert, eine neue Auflage anzukündigen, wahrscheinlich schon in diesem Herbst.

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Quelle:
SZ vom 14.02.2020
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