Erschließung in Olching:Vergessen im Moos

Seit etwa 140 Jahren steht das Häuschen der Mixls in der Nähe des Olchinger Sees. Direkt neben ihrem Grundstück entsteht ein großes Wohngebiet, und auch andere Nachbarn dürfen bauen - nur der Familie wird das verwehrt.

Von Andreas Ostermeier

Die Familie Mixl ist anscheinend von der Stadt Olching vergessen worden. Das liegt wohl daran, dass ihr altes Häuschen im Moosgebiet westlich des Olchinger Sees viele Jahre hinter einem riesigen Industriegebiet gleichsam versteckt war. Doch das Firmengelände gibt es nicht mehr. An dessen Stelle entsteht derzeit ein großes Wohngebiet. Schmucke Einfamilienhäuser, Doppelhäuser und Wohnungen werden dort errichtet. Die Werbung im Internet verspricht ein ruhiges Wohnen in grüner Umgebung. Die Mixls haben nichts gegen das neue Wohngebiet, das bis an ihr Grundstück heranreichen soll. Als die Fabrikhallen abgerissen wurden, hofften sie, wieder dazu zu gehören, quasi wiederentdeckt zu werden. Sie wollten endlich einen Anschluss ans Trinkwassernetz bekommen und eine richtige Zufahrt zu ihrem Haus, etwas Besseres als den nicht asphaltierten Weg bislang.

Doch im Olchinger Rathaus will man die Familie auch jetzt nicht wahrnehmen. Rund herum darf gebaut werden, die Mixls aber dürfen nicht. Dabei geht es nicht nur um das ehemalige Mannesmann-Gelände. Dank eines Stadtratsbeschlusses aus dem Herbst dürfen auch andere Grundstücke bebaut werden, die fast an den Besitz der Mixls grenzen, Grundstücke südlich der Neufeldstraße. Die Neufeldstraße hatten auch die Mixls einmal als Adresse, bauen dürfen sie aber nicht. Denn ihr Grundstück blieb von dem Beschluss ausgespart. Dabei möchte Tochter Andrea Scherer mit den vier Kindern zu den Eltern ziehen. Die bräuchten Hilfe, sagt Scherer, und sie könne die Dienste von Vater und Mutter benötigen, wenn sie nach der Elternzeit wieder arbeiten muss. Scherer möchte deshalb ein zweites Haus auf dem Grundstück errichten, denn in dem Gebäude, in dem die Eltern wohnen, sei nicht genügend Platz.

Ein zweites Haus aber erlaubt die Stadt nicht. Sie könne an das bestehende Gebäude anbauen, hieß es laut Scherer aus dem Bauamt. Doch das will sie nicht, denn die Grundmauern des alten Häuschens stammen aus den Siebzigerjahren des 19. Jahrhunderts. Damals hat sich der Urgroßvater von Scherer im Moos niedergelassen. Er arbeitete bei der Bahn - die Gleise liegen nur wenige hundert Meter entfernt. Die Fläche rund ums Haus herum nutzten der Bahnarbeiter und seine Familie für den Anbau von Gemüse. Dazu hielt man sich ein paar Tiere, um besser leben zu können, als es das Einkommen eines Bahnarbeiters zuließ. Das Haus war das 82. in Olching. Wasseranschluss und Kanalisation fehlen bis heute.

Tiere werden auf dem Gelände noch immer gehalten. Scherer züchtet Vögel, dem Besucher laufen Enten, Gänse, Hühner und Puten laut schnatternd entgegen. Besonderer Stolz der Züchterin sind ein Hahn und zwei Hennen der Cröllwitzer Puten. Die Tierart steht auf der Roten Liste, ihr Bestand ist gefährdet. Die Vögel sind aber nicht nur Erinnerung an die Kindheit und Hobby der Züchterin, sie könnten bald auch Ursache von Nachbarschaftsstreitigkeiten sein, denn die Tiere sind alles andere als leise. Scherer befürchtet, dass sich die neuen Nachbarn im entstehenden Wohngebiet über die Geräusche der Vögel beschweren könnten. Sie möchte deshalb einen Stall bauen. Doch die Stadt untersagt laut Scherer auch das. Aufgeben aber will Scherer nicht. Sie hat sich in mehreren Archiven kundig gemacht und Unterlagen zusammengesucht, die der Stadt nicht vorliegen, alte Baupläne beispielsweise. Ein dicker Ordner liegt vor ihr. In dem blättert Scherer und legt immer wieder ein Papier vor, das ihre Argumente stützen soll.

Olchings Baustadtrat Peter Brunnhuber kennt inzwischen das Anliegen der Familie. Das Grundstück im Moos nennt er einen "extremen Splitter", an drei Seiten von Wiesen umgeben. Deshalb habe die Stadt das Areal auch nicht berücksichtigt, als es um den erwähnten Beschluss der Stadträte ging. Doch wenn das neue Wohngebiet einmal bis an Mixls Grundstücksgrenze reicht, was dann? Dann, so sagt Brunnhuber, könnten sich "die Dinge wieder anders darstellen". Vielleicht wird die Familie dann von der Stadt wahrgenommen.

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