Erntezeit:Fiebrige Betriebsamkeit

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6000 Ballen Maissilage stellt Hans Hollinger jedes Jahr auf seinem Hof her. Das Viehfutter verkauft er in Gegenden, in denen kein Mais wächst. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Während der Maisernte arbeiten Landwirte und ihre Helfer mehrere Wochen fast ununterbrochen. Bis zu 18 Stunden pro Tag kurven die riesigen Häcksler über die Äcker

Von Ingrid Hügenell, Maisach

36 Messer erfassen gleichzeitig zwölf Reihen Mais und schneiden sie ab. Neun Meter breit ist das Schneidwerk des Klaas-Maishäckslers, den Hansgeorg Liegsalz durch das Feld steuert. Während der Ernte sitzt der 47-Jährige zwölf bis 18 Stunden pro Tag in der schweren Maschine, drei Wochen lang täglich. "Das ist wie eine Sucht", sagt er. "Wie bei den Bedienungen auf der Wiesn." Liegsalz ist Landmaschinenmechaniker. Das vier Meter hohe Ungetüm mit den 800 PS über den Acker zu lenken, mit einer Leichtigkeit, dass man vergessen kann, welche Ausmaße der Häcksler hat, das ist sein Hobby. Vier Hektar pro Stunde schafft er im Schnitt, das kann er auf dem Bordcomputer abrufen. Er sagt es voller Stolz.

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Fiebrige Betriebsamkeit herrscht während der Maisernte bei den Bauern und ihren Helfern, viele arbeiten drei, vier Wochen fast durch. Im Häcksler werden die Stängel komplett geschreddert, samt Blättern, ein "Corncracker" genanntes Mahlwerk quetscht die Körner. Sie wären sonst unverdaulich. Liegsalz fährt für die Firma Hollinger in Landsberied, wohin der Mais schließlich geht, ob in die Biogasanlage oder in die Futtermittelproduktion, ist ihm egal. Die heutige Ernte ist für Hans Hollinger, einen Cousin des Landsberieder Firmenchefs. Auf seinem Hof in Überacker (Gemeinde Maisach) wird der gehäckselte Mais zu haltbarem Viehfutter.

Seit Menschen Gegenden besiedeln, in denen es nicht das ganze Jahr frische Nahrung gibt, müssen sie für den Winter Vorräte anlegen. Es gibt viele Methoden, Essen haltbar zu machen: Trocknen, Fermentieren, Einsalzen, Räuchern haben uns zum Beispiel das Studentenfutter, das Sauerkraut und den Schwarzwälder Schinken geschenkt. Hollinger, 51, befasst sich ebenfalls mit dem Thema. Er macht Tierfutter "haltbar und handelbar". Im Sommer ist er unterwegs, um für andere Landwirte Heu zu Ballen zu pressen. Im Oktober stellt er Maissilage her und das im großen Stil - etwa 5000 Tonnen pro Jahr. Was Liegsalz und andere ernten, wird auf dem Hof abgeladen. Hollingers Frau Christine befüllt mit einem Lader eine Maschine, die das Häckselgut zu großen Rundballen presst. Die gelernte Krankenschwester studiert eigentlich, doch für die Maisverarbeitung schwänzt sie. 800 bis 900 Kilo wiegt ein solcher Ballen, 6000 Stück werden es am Ende sein. In der Folie beginnt das Häckselgut unter Luftabschluss zu gären.

Ähnlich wie Sauerkraut ist der Mais auf diese Weise lange haltbar. Die Ballen lassen sich gut lagern und transportieren. Hollinger verkauft sie in höher gelegene Gegenden, in denen Mais nicht wächst: nach Tirol und Südtirol, auch ins Allgäu. Dort verwenden Bauern die Maissilage im Winter als Viehfutter. Während Hollinger das erklärt, fährt ein Laster mit Apfeltrester auf den Hof. Daraus wird zusammen mit Grasschnitt und Maishäcksel ein Gemisch, das Förster zur Wildfütterung nehmen, um hungrige Rehe oder Hirsche davon abzuhalten, junge Bäume anzuknabbern. "Wenn es viel Schnee gibt, finden die Tiere sonst nichts." Selbst baut der Landwirt nur auf 50 Hektar Mais an. Den Rest kauft er den immer gleichen Betrieben in der Nähe ab, als stehende Pflanzen. Vom Weltmarkt sei er so ziemlich unabhängig, sagt Hollinger, "wir machen einen regionalen Preis", und der schwanke kaum. Auch die Kunden seien immer die gleichen.

Derzeit verwendet Hollinger noch einen Teil der Silage für seine eigene Bullenmast. 70 Rinder stehen noch in seinem Stall, 130 waren es einmal. 13 Monate stehen die Tiere bei ihm, bis er sie mit 750 Kilogramm an Viehhändler verkauft. Vier junge Stiere hat er als Pensionstiere aufgenommen, für eine Besamungsstation. "Im März ist Ende", sagt Hollinger bedauernd. Es lohne sich nicht mehr, obwohl er das Futter selbst produziere. Zu niedrig sind die Fleischpreise. Ob das an billigen Importen, etwa aus Südamerika liege, dazu will er nichts sagen. Die Umstellung auf Bio sei "keine Perspektive im Fleischbereich. Das wäre nur sinnvoll mit eigener Verarbeitung und Direktvermarktung." Aber Metzger gibt es in der Familie keinen. Sohn Benedikt, 26, ist Mechatroniker. Gerade hat er seinen Abschluss gemacht. Bevor er anfängt zu arbeiten, hilft er im elterlichen Betrieb. Bei der Maisernte wollen alle dabei sein.

© SZ vom 19.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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