Grünes ZentrumWo Kinder richtig essen lernen

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Das Gebäude der Land- und Hauswirtschaftsschule.
Das Gebäude der Land- und Hauswirtschaftsschule. (Foto: Carmen Voxbrunner )

In der früheren Landwirtschaftsschule in Fürstenfeldbruck gibt es nun einen Erlebnisraum. Dort kann man viel über Ernährung und Natur erfahren.

Von Ingrid Hügenell, Fürstenfeldbruck

Wer die frühere Landwirtschaftsschule am Grünen Zentrum in Puch betritt, kommt in einen weitgehend leeren Vorraum. Auf einigen Tischen an der linken Wand scheint eine Brotzeit hergerichtet zu sein. Etwas weiter hinten steht ein hellbraunes Kalb. An der dem Eingang gegenüberliegenden Wand eine hölzerne, gefleckte Kuh, am Vorderende ein Heuballen, am Hinterende ein Strohballen. Unter dem Gummi-Euter ein Melkeimer. Dahinter zeigt ein riesiges Plakat, worum es geht: Eine typische Wiesenlandschaft, darauf die Schrift: „Erlebnisraum für Ernährung, Landwirtschaft und Natur – Herzlich willkommen“. Hier sollen Menschen jeden Alters ebendiese Themen nahegebracht werden. Ausgedacht haben sich den Erlebnisraum das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Fürstenfeldbruck (AELF), die Agenda 21 des Landkreises sowie der Kreisverband des bayerischen Bauernverbands.

Sieht appetitlich aus, ist aber aus Kunststoff.
Sieht appetitlich aus, ist aber aus Kunststoff. (Foto: Johannes Simon)

Schinken, Käse und Butter entpuppen sich bei näherem Hinsehen als Imitate aus Kunststoff. Ebenso wenig echt sind Brotlaibe und Kälbchen. Wobei die Brote in Haptik und Gewicht echten Laiben sehr nahe kämen, sagt Schulleiterin Sabine Weindl. Die Kurse und Seminare für Kinder und Erwachsene vermitteln Fakten und sollen die Teilnehmer in die Lage versetzen, selbst nachzudenken, etwa über Ernährung.

Das Kälbchen aus Kunststoff schaut die Besucher aus wimpernlosen Augen grimmig an – untypisch für die eigentlich entzückenden Tiere. Das kann der Besucher anhand der überlebensgroßen Aufnahme aus einem Kuhstall überprüfen, die hinter dem Kalb an der Wand hängt. Weindl muss selbst über das wimpernlose Kalb schmunzeln, das sie von der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) für den Erlebnisraum bekommen haben.

Grimmiger Blick aus wimperlosen Augen: Das Kälbchen aus Kunststoff.
Grimmiger Blick aus wimperlosen Augen: Das Kälbchen aus Kunststoff. (Foto: Johannes Simon)

„Natürlich ist es besser, mit den Kindern auf den Bauernhof zu gehen“, sagt Weindl. „Aber bei den Erlebnisbäuerinnen ist oft die Infrastruktur auf dem Hof nicht so vorhanden. Und dann schimpft vielleicht die Schwiegermutter, wenn die Toilette verbieselt ist.“ Die Erlebnisbäuerinnen, die vom AELF ausgebildet werden, haben deshalb die Möglichkeit, die Räume der früheren Landwirtschaftsschule zu nutzen. Bei den Kindern geht es auch darum, Alltagskompetenzen zu stärken. „Da ist Luft nach oben“, sagt Weindl.

So trainieren Grundschüler auf einem Sinnesparcours, die Qualität von Lebensmitteln zu beurteilen und zu benennen – also zu erkennen, ob die Sachen noch frisch oder schon verdorben sind. Sie erfahren auch, welchen Weg Lebensmittel nehmen, bis sie als Speisen auf dem Teller landen. Das tägliche Brot liegt selbstverständlich und in vielen Formen im Regal, doch wie genau kommt es dorthin und wer ist alles daran beteiligt? Woraus Brot gebacken wird, veranschaulichen Getreidekörnen in kleinen Säcken und ganze Ähren.

Sabine Weindl ist die Leiterin der Land- und Hauswirtschaftsschule.
Sabine Weindl ist die Leiterin der Land- und Hauswirtschaftsschule. (Foto: Johannes Simon)

Die Herstellung wie auch die Haltbarmachung anderer Lebensmittel sollen ebenfalls gezeigt werden. Die Initiatoren hoffen, dass dadurch Lebensmittel, aber auch die Arbeit der Landwirte, besser wertgeschätzt werden. Angebote zu Wäschepflege und Reinigung gibt es ebenfalls für Schülerinnen und Schüler. Kinder können zudem mit Pädagoginnen den Wald oder die Streuobstwiese erkunden und erfahren, welche Pflanzen und Tiere dort leben.

An Erwachsene richten sich Angebote wie „Fermentieren“, die Vortragsreihe „Landwirtschaft im Jahresablauf“ ist für Teilnehmer jeden Alters geeignet. Die Angebote werden gut angenommen. Weindl möchte gerne auch ältere Schülerinnen und Schüler in den Erlebnisraum holen. In der Grundschule seien die Kinder mit solchen Themen noch gut zu begeistern, doch dann reiße das Interesse ab, sagt sie bedauernd.

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Von Ingrid Hügenell

Im Jahr 1922 wurde die Schule gegründet, 2011 zog sie in das Holzgebäude im Grünen Zentrum um. Doch die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe im Landkreis sinkt, und so sank auch die Zahl der Schüler. Seit Herbst 2021 werden in Fürstenfeldbruck keine Landwirte mehr ausgebildet, und die früheren Schulräume wandeln sich. Nun können Kinder und Erwachsene dort mit Themen in Kontakt kommen, die mit Landwirtschaft oder Natur zu tun haben.

Die Lehrküche der Hauswirtschaftsschule, hier beim Bundeswettbewerb der Auszubildenden der Hauswirtschaft 2019.
Die Lehrküche der Hauswirtschaftsschule, hier beim Bundeswettbewerb der Auszubildenden der Hauswirtschaft 2019. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Im ersten Stock ist noch immer die Hauswirtschaftsschule untergebracht, die Ende September ihr 100-jähriges Bestehen feiert. Dort findet noch immer ganz regulärer Unterricht statt, in einem Semester Teilzeitunterricht werden dort weit überwiegend Frauen mit abgeschlossener Berufsausbildung zur „Fachkraft für Ernährung und Haushaltsführung“ ausgebildet. „Leider sind ganz selten Männer dabei. Und wenn doch, kommt sofort die Frage: Warum macht der das?“ Weindl berichtet von einem früheren Studenten, der einfach kochen habe lernen wollen, ohne sich dabei anschreien lassen zu müssen, wie es bei Lehren in der Gastronomie immer noch vorkommt.

In einem Klassenzimmer der Landwirtschaftsschule haben die Hauswirtschafterinnen einen Textilraum etabliert.
In einem Klassenzimmer der Landwirtschaftsschule haben die Hauswirtschafterinnen einen Textilraum etabliert. (Foto: Johannes Simon)

Einen Klassenraum im Erdgeschoss hat die Hauswirtschaftsschule inzwischen übernommen. Der zusätzliche Raum wird als Textilzimmer genutzt – zum Schneidern, Nähen und Bügeln. Weindl unterrichtet selbst in der Hauswirtschaftsschule, Landwirtschaft und Erwerbskombination ist eines ihrer Fächer.

Der landwirtschaftliche Nachwuchs muss zur Ausbildung den Landkreis verlassen. Weindl zufolge gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten: Die Landwirtschaftsschule in Weilheim mit angeschlossener Öko-Akademie, die Technikerschule in Landsberg, an der man in Vollzeit lernt, Höhere Landbauschulen in Triesdorf, Rotthalmünster und Weiden-Almesbach sowie Hochschulen oder Universitäten, die Agraringenieure oder -wissenschaftler ausbilden. Dabei absolvieren zunehmend Leute eine landwirtschaftliche Ausbildung, die gar keinen Betrieb übernehmen können oder wollen, auch Frauen, sagt Weindl. So wie sie selbst, die Agraringenieurin ist. „Die gehen dann Richtung Dienstleistung, etwa zum Maschinenring, oder zum Staat. Das ist auch ein wichtiger Weg, um den Nachwuchs für das AELF ausgebildet zu bekommen.“ Mitarbeiter mit Praxisbezug seien gerade in der Behörde sehr wertvoll.

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