Erinnerung an einen großen Komponisten:Carl Orffs Besuche in Grafrath

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Im Ortsteil Unteralting kauft sich die Familie des berühmten Komponisten Anfang des 20. Jahrhunderts ein Ferienhaus. Heute, zum 125. Geburtstag des Schöpfers der Carmina Burana, ist davon außer Erinnerungen nicht mehr viel übrig

Von Florian J. Haamann, Grafrath

Mehr als Erinnerungen, ein paar Zeichnungen und Fotos gibt es nicht mehr vom wohl berühmtesten Haus in Grafrath. Von jener Villa in der Adalmuntstraße, die der Vater des Komponisten Carl Orff, am bekanntesten wohl für seine "Carmina Burana", 1906 gekauft hat und in der die Familie viel Zeit verbracht hat. Gelebt haben die Orffs dort nie, das Grafrather Anwesen diente als Ferienhaus, Wohnort war München. Bereits Mitte der Achtzigerjahre hat Orffs Tochter Godela die alte Villa abreißen und ein neues Anwesen errichten lassen. Aber auch davon ist nichts mehr zu sehen, mittlerweile stehen auf dem Grundstück drei Einfamilienhäuser im Toscana-Stil.

An diesem Freitag jährt sich der Geburtstag von Carl Orff zum 125. Mal. Der 1982 verstorbene Komponist ist nicht nur für seine großen Werke bekannt, sondern auch als Musikpädagoge bis heute wichtig. Wichtigstes Werk ist dabei seine gemeinsam mit Gunild Keetman verfasste, fünfbändige "Musik für Kinder". Godela Orff ist seine einzige Tochter aus seiner ersten Ehe mit Alice Solscher. Später war er noch dreimal verheiratet, mit Musik-Therapeutin Gertrud Willert, der Schriftstellerin Luise Rinser und mit Liselotte Schmitz, die nach Orffs Tod 24 Jahre lang die nach ihm benannte Stiftung geleitet hat.

Ein historische Gemälde zeigt die Villa, die der Vater von Carl Orff 1906 gekauft hat. (Foto: Gerhard Büchtemann/oh)

Auch wenn es mittlerweile nicht mehr viel gibt, was von den Häusern der Familie Orff übrig ist, gibt es noch einen Menschen, der dort gelebt hat: Gerhard Büchtemann, der Ehemann der 2013 verstorbenen Godela. Heute wohnt der 90-Jährige in Hamburg, erinnert sich aber gerne an die Zeit in Grafrath zurück. Immer wieder war Orff, der ab 1955 im nahen Dießen gelebt hat, bei den beiden zu Besuch. Ein fester Termin war dabei das gemeinsame Weihnachtsfest. "Godela machte ein köstliches Essen und tischte auf, was ihrem Vater am besten schmeckte. Lebernockerlsuppe und andere bayerische Schmankerl. Das genoss er. Er war bei seiner Tochter ganz einfach zu Hause", erinnert sich Gerhard Büchtemann.

Auf der Webseite www.godela-orff.de schreibt er über die Zeit, die er mit seiner Frau und Carl Orff erlebt hat. Die Beziehung zu seinem Schwiegervater beschreibt Büchtemann als gut und vertraut. "Gerade wenn ich mit ihm persönlich alleine war, hat er mir vieles anvertraut. Es war ein sehr herzliches, sehr freundliches Verhältnis. Wir haben auch gerne zusammen Platten gehört, oft Wagner, vor dem er einen großen Respekt hatte."

Carl Orff bei einem Gespräch in den Sechzigerjahren. (Foto: Gerhard Büchtemann)

Bis auf die Treffen an Weihnachten, die immer mit einem Besuch am Grab von Orffs Eltern auf dem Unteraltinger Friedhof verbunden waren, war der Komponist aber nur selten in Grafrath, sagt Büchtemann. Viel häufiger waren die Besucher des Ehepaars in Dießen. "Er wurde ganz privat, ließ auch manchmal hinter seine Kulissen schauen, wenn er auf seinem Sofa neben dem großen Kamin in seinem Arbeitszimmer saß und an seiner Pfeife zog", erinnert sich Büchtemann. Bei den Gesprächen sei es auch nicht nur um Orffs Werke gegangen, oft habe man über Politik gesprochen oder einfach philosophiert.

Über Orffs Aufenthalte in Grafrath während seiner Jugend habe man dagegen weniger geredet. Bekannt ist allerdings, dass er sich dort wohl gefühlt hat, zu den "Dorfkindern" schneller Anschluss gefunden hat, als zu den Kindern in der Stadt. Möglicherweise habe der Komponist sogar nach Grafrath ziehen wollen, sagt Christel Hiltmann, die Archivarin der Gemeinde. "Man hat mir erzählt, dass er nach dem Krieg einen Garten auf dem Grundstück bauen wollte, die Gemeinde das aber nicht haben wollte. Ob es wirklich so war, kann ich aber nicht sagen, ich habe noch kein Dokument gesehen, in dem das steht", erzählt die Archivarin, die zufälligerweise direkt neben dem ehemaligen Orff-Grundstück wohnt. "Meine Schwiegereltern und mein Schwager hatten auch privaten Kontakt zu Orff. Sie haben erzählt, dass er sich als Kind sehr wohlgefühlt hat hier." Viel mehr wisse sie allerdings nicht.

In den Achtzigerjahren wurde die Villa der Orffs durch einen Neubau ersetzt. (Foto: Gerhard Büchtemann/oh)

Dafür setzt sie sich aktuell dafür ein, dass endlich eine Orff-Gedenktafel auf dem Grundstück angebracht wird. Die war eine der Auflagen an den Bauträger, der das Grundstück bebaut hat. Während die teuren Wohnhäuser seit mehreren Jahren stehen, gibt es die Tafel noch nicht, zumindest aber eine Stelle, an die sie kommen soll. Godela Büchtemann-Orff hatte das Grundstück mit dem Haus einer Tierschutz-Stiftung vermacht, die es dann weiterverkauft hat. "Frau Büchtemann-Orff war sehr tierlieb. Mein Mann hat sie damals kennengelernt, als er einen Hund bekommen hat, der dann mit ihrem Schäferhund gespielt hat. Das hat ihr gefallen", sagt Archivarin Hiltmann. Gemeinsam mit der Kulturreferentin der Gemeinde arbeite sie nun an der Tafel. "Der 125. Geburtstag wäre da ja ein guter Anlass."

© SZ vom 10.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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