Erfindergeist:Der patente Mann

Bruno Gruber aus Olching ist Erfinder. Die Fachmesse, die an diesem Donnerstag in Nürnberg beginnt, wird er diesmal schwänzen. Keine Zeit. Denn bei der Lösung globaler Probleme ist er gerade unabkömmlich: Trinkwasser aus dem Meer gewinnen und den Dieselverbrauch von Autos senken

Von Stefan Salger

Manchmal sind es die kleinen Dinge - auf die man kommt, wenn man sich hinsetzt und ein bisschen nachdenkt. Gewusst wie. Wie Bruno Gruber tickt, das erkennt der aufmerksame Besucher bereits am Eingang. Im Nachbarhaus wohnt jemand mit dem gleichen Nachnamen. Und deshalb hat Bruno Gruber einfach nachgedacht und Eins und Eins zusammengezählt. Dann hat er kurzerhand einen weißen Kunststoffaufsteller neben das Gartentürchen seines "Technischen Entwicklungsbüros" gestellt, der den Besucher in großen Lettern darauf hinweist, dass in dieser Doppelhaushälfte Bruno Huber wohnt. Voilà, keine große Sache. Aber funktional.

Erfindergeist: Bruno Gruber führt Besuchern in seiner Werkstatt gerne sein Metallbiegegerät vor.

Bruno Gruber führt Besuchern in seiner Werkstatt gerne sein Metallbiegegerät vor.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Patentiert ist der Aufsteller nicht. Ausnahmsweise. Anders als die gut 400 Patente, die in Hunderten Ordnern im Kellerbüro abgeheftet sind. Gruber ist Erfinder, man könnte ihn mit Fug und Recht Daniel Düsentrieb von Olching nennen. Manche der Patente kamen schon mal mittelgroß raus, andere warten noch darauf, durch potente Industriepartner aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst zu werden. Wieder anderen schadet es dem ersten Eindruck nach nicht, zwischen angestaubten Aktendeckeln einfach weiter zu schlummern. Eine Erfindung immerhin hätte das Zeug, Leben zu retten und das Trinkwasserproblem dieser Welt zu lösen, ein anderes, die schwindenden Ölvorräte der selben Welt zu strecken. Jedenfalls dann, wenn sie auch in der großtechnischen Praxis das beweisen, was sie versprechen.

Erfindergeist: In einem benachbarten Kellerraum sind Hunderte Patente abgeheftet. Dort wird Bruno Grumer noch so lange Beschreibungen mit seiner Kugelkopfmaschine aus den Achtzigerjahren tippen, bis ihm die Farbbänder ausgehen.

In einem benachbarten Kellerraum sind Hunderte Patente abgeheftet. Dort wird Bruno Grumer noch so lange Beschreibungen mit seiner Kugelkopfmaschine aus den Achtzigerjahren tippen, bis ihm die Farbbänder ausgehen.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Auf die ganze Bandbreite zwischen Klimbim und genialer Erfindung stößt der Besucher, der Gruber ein paar Meter hinter dem örtlichen Feuerwehrhaus besucht. Auf dem Wohnzimmerschrank steht ein altertümliches Messgerät. Vom Flur in den Keller hängt so eine Art Foucaultsches Pendel - eine Kugel ist per Gruber-Superdübel bombenfest mit der Schnur verbunden - "600 Kilo Tragkraft", räsoniert Gruber. Neben dem Esstisch liegen Utensilien wie der multifunktionale und handliche Teleskop-Eis- und Vignettenabkratzer-Scheibenwischer. Der heißt natürlich nicht so, kann das aber alles. Momentan sieht er noch etwas provisorisch zusammenmontiert aus, aber in Großserie würde sich das ändern. Hat sich aber noch kein Industriepartner dafür interessiert, obwohl doch gerade so kleine Haushaltshelfer echt gefragt sind, findet Gruber. So wie die mit Essig getränkten Schaumstoffringe, mit denen sich Küchenarmaturen entkalken lassen - einfach auflegen, einwirken lassen und wegwischen, fertig. Auch das keine große Sache, aber wirksam.

Erfindergeist: Die Erfindermedaille, die Gruber 1988 verliehen wurde, Schaumstoffringe zum Entkalken von Badarmarmaturen und ein Stück Gips mit Wasserkefirlöchern.

Die Erfindermedaille, die Gruber 1988 verliehen wurde, Schaumstoffringe zum Entkalken von Badarmarmaturen und ein Stück Gips mit Wasserkefirlöchern.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Am 1. November beginnt die Erfindermesse in Nürnberg. Gut 30 Mal war Gruber dort schon. Den Multikratzer könnte er vorführen. Oder das Sonderzubehör, mit dem sich ein Bügelbrett mittels zwei Laschen und einer Stange so aufrüsten lässt, dass sich daran Handy, Fernsehfernbedienung oder Sprühflasche befestigen lassen. Alles, was man beim Bügeln vielleicht gerne zur Hand hätte. Die Pressefotografin, die den Reporter an diesem Tag begleitet, lenkt das Augenmerk allerdings auf eine mögliche Schwachstelle: Wer ein Hemd oder T-Shirt nicht nur auflegen, sondern übers Bügelbrett ziehen will, der bleibe doch an Laschen und Stange hängen. "Hm", meint Gruber. Da müsse er vielleicht noch nachjustieren. Zum Beispiel die Stange verkürzen. Work in Progress, nobody is perfect, Gruber ist lernfähig. Und bis zur Marktreife ist es ein längerer Prozess. Hinter dem Bügelbrett hängt eine bereifte Autofelge an einer Art Stahlbügel.

Erfindergeist: Das Aquarium mit den grünen Algen und dem Beutel Wasserkefir steht im Badezimmer auf dem Fensterbrett.

Das Aquarium mit den grünen Algen und dem Beutel Wasserkefir steht im Badezimmer auf dem Fensterbrett.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

So könnte man die Winterräder in den Sommermonaten platzsparend und schonend lagern. Das möge man jetzt aber bitteschön nicht allzu genau beschreiben - noch nicht patentiert. Patentierte Sachen hätte er natürlich genug, praktisch in jedem Zimmer stolpert man darüber. Aber auf die viertägige Nürnberger Messe wird Bruno Gruber diesmal trotzdem verzichten. Zu viel Fahrerei, zu viel Aufwand, zu viel Vorbereitung. Mit 77 muss man auch nicht mehr über jedes Stöckchen hüpfen.

Erfindergeist: Bonsai mal anders: Die ums Zehnfache geschrumpften Brennessel-, Pegonien- und Philodendrenpflanzen (daneben zum Vergleich eine Streichholzschachtel.

Bonsai mal anders: Die ums Zehnfache geschrumpften Brennessel-, Pegonien- und Philodendrenpflanzen (daneben zum Vergleich eine Streichholzschachtel.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Der gelernte Rundfunk- und Fernsehmechaniker hätte allen Grund, sich in einen Schaukelstuhl zu setzen und auf ein erfülltes Leben zurückzublicken. Aber erstens gehen Erfinder nicht in Rente und zweitens ist da die Hypothek auf dem Haus, das er vor 30 Jahren auf Pump gekauft hat und immer neu beleihen muss, wenn es finanziell mal wieder eng wird.

Mit 19 Jahren wanderte der gebürtige Münchner nach Australien aus, mit 200 Mark in der Tasche. Er half zwei Jahre lang beim Bau einem Wasserkraftwerks sowie eines Tunnels und sprengte ein halbes Jahr mit Dynamit Opale aus dem Gestein einer Mine. Zwei Monate dauerte die Rückreise nach Deutschland auf einem Frachtschiff. Ein paar Jahre arbeitete Gruber als Elektroniker in der Industrie und hatte "auch ein paar Ideen". Vor 43 Jahren machte er sich dann selbständig. Heute sei das mit den Erfindungen nicht mehr so einfach, sagt der geschiedene Vater einer längst erwachsenen Tochter und dreifache Großvater. Früher, als noch mehr Mittelständler vom Eigentümer selbst geführt wurden, da konnte man schon mal einen Termin vereinbaren und einen Prototypen vorführen, man konnte jemanden überzeugen. Heute, so sein Eindruck, blocken die Geschäftsführer lieber ab, weil sie sich keinen Vorteil versprechen.

Erfindergeist: Das aufgepeppte Bügelbrett, an dem sich Handy, Fernbedienung oder Sprühflasche befestigen lassen.

Das aufgepeppte Bügelbrett, an dem sich Handy, Fernbedienung oder Sprühflasche befestigen lassen.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Wenn es eine gute alte Zeit geben sollte, dann waren es die Neunzigerjahre, als er das Patent für eine Teichbelüftung für 100 000 Mark an einen Pumpenhersteller verkaufte oder der mittlerweile verstorbene Erfinder, Firmenchef und Dübelkönig Arthur Fischer anerkennend nickte, als er den simplen wie wirkungsvollen Gruber-Dübel vorgeführt bekam. Das Patent wurde von einem anderen Unternehmer aufgekauft, landete dann offenbar in einer Schublade - vielleicht wollte die Branche so eine Entwicklung einfach nicht. Gruber und Fischer, beide auch noch Künstler, waren zu Zeiten des Bundespräsidenten Roman Herzog bei einem Sommerfest gemeinsam in Schloss Bellevue und stellten dort ihre Bilder aus. Fischer Kreidezeichnungen, Gruber die Laserbilder - an denen man vorbeiläuft, wenn man in die mit Oszillographen, Transformatoren, Drehbank und Werkzeug aller Art überquellende Kellerwerkstatt will. Gleich daneben hängen das Foto mit Herzog, zwei australische Bumerangs und ein Zinnteller.

Eines seiner Projekte sei vor 40 Jahren "durch die Weltpresse gegangen" und habe ihn für ein paar Jahre sogar ins Guinessbuch der Rekorde gebracht, erinnert sich Gruber. Es gelang ihm, jede erdenkliche Pflanze in Miniaturformat wachsen zu lassen - eine Sonnenblume war ganze acht Zentimeter groß. Dem damaligen Yps-Jugendmagazin waren in einer Auflage von 400 000 Exemplaren in kleinen Tütchen seine wundersamen Minisamen beigelegt. Gruber glaubt, dass diese Entwicklung beispielsweise die Besiedelung des Mars erleichtern würde, weil man die Raumschiffe nicht überladen müsste: Samenkörner und Wurzelballen, die auf ein Hundertstel der Normalgröße geschrumpft sind. Einziges Problem: Gruber wurde 1988 zwar mit der Diesel-Medaille des Instituts für Erfindungswesen die höchste deutsche Auszeichnung für seine Minipflanzen verliehen und die Internationale Föderation der Erfinder (IFIA) schlug ihn zum Ritter - die Sache mit der Marsbesiedelung aber kommt bis heute nicht so recht voran. Andere Interessenten haben sich auch nicht gemeldet. Deshalb stehen die kleinen Töpfe mit konservierten Schrumpfpflanzen wie Brennessel, Pegonie oder Philodendren neben dem lötkolbenbefeuerten -Ein-Ei-Wasserkocher im Regal gegenüber den Laserbildern. Bruno Gruber hat ein weiteres Problem: die Kosten. Ein Patent anmelden schlage mit um die 400 Euro zu Buche, für weitere zehn oder zwölf EU-Länder wären 20 000 Euro fällig, für den weltweiten befristeten Schutz weitere 20 000 Euro.

Bleibt die Hoffnung auf den ganz großen Coup. Wer sich ein Bild davon machen will, muss in Grubers Badezimmer gehen. Dort steht auf dem Fensterbrett ein Aquarium mit grünlich schimmernden Algen. Die wachsen durch Licht und Sauerstoff und etwas Dünger wie verrückt. Aus dem Wasser gefiltert werden sie durch Kefirkörner, die in einem Beutel ins Wasser hängen und sich dort vollsaugen. Anschließend werden die mit Algen gesättigten Körner getrocknet, fein gemahlen und könnten Dieseltreibstoff zugesetzt werden. Grubers Patentanwalt hat berechnet, dass dadurch der Dieselverbrauch der Autos um 20 Prozent sinken könnte. Man könnte das Mehl aber auch als Nahrungsergänzungsmittel einsetzen.

Falls auch diese Erfindung in der Schublade von Ölmultis oder Lebensmittelkonzernen verschwindet, bliebe für die getrockneten Wasserkefirkörner - dann halt ohne Algen - Plan B: Werden sie in wasserdurchlässige Beutel gefüllt und in Salzwasser getaucht, dringt nur der Süßwasseranteil in die Poren. Aus den vollgesaugten Körnern könnte man Trinkwasser auspressen oder sie einfach essen. Es wäre eine kostengünstige Alternative für die Meerwasserentsalzung. Und in den Rettungsbooten großer Schiffe müssten die Trinkwasser-Notrationen nicht regelmäßig aufgefrischt werden.

Was, wenn das alles sich nicht durchsetzt, so wie das vor einigen Jahren entwickelte Verfahren, mit Hilfe des Tausendsassas Wasserkefir aus Urin den Dünger-Rohstoff Phosphor herauszufiltern? Dann bliebe Plan C: Der vollgesogene Wasserkefir wird in Gips oder Beton eingerührt. Nach der Trocknung hinterlassen die Körner unregelmäßige Hohlräume - das Material wird dadurch 30 Prozent leichter und ganz nebenbei auch noch stabiler.

Nur um ein Problem kann sich Bruno Gruber scheinbar nicht so recht kümmern: um den Hausputz. Auf dem Wohnzimmerregal liegt eine leichte Staubschicht. Aber es ist eben so, dass es für einen Vollbluterfinder viel zu trivial wäre, zum Putzlappen zu greifen. Auf dem Fensterbrett wird bereits eine neue Erfindung getestet. Sie ist rot, arbeitet ohne großen Technikschnickschnack mit Wasser und filtert den Staub aus der Luft. Keine große Sache. Aber es funktioniert. Mehr darf nicht verraten werden, weil das alles noch nicht patentiert ist. Für den Fall, dass der Luftentstauber neben den Bonsaibäumchen im Regal landet, so wie die antibakterielle Türklinke, ist Gruber gerüstet: Dann kann der Tüftler zu anderen genialen Entwicklungen aus seinem Sortiment greifen: zum Staubsauger-Handschuh oder dem Staubfänger am Besenstiel.

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