Emmering:Verlorenes Heimatgefühl

Konzert traditionelle Musik in Emmering

Noch einmal wird aufgespielt in der Wirtsstube des Gasthauses Grätz in Emmering, bevor die Gastronomie geschlossen wird.

(Foto: Matthias F. Döring)

Mit der Schließung des Gasthauses Grätz in Emmering endet ein elementares Stück Wirtshauskultur

Von .Manfred Amann, Emmering

Nach fünf Generationen hat in Emmering das Gasthaus Grätz an der Hauptstraße mit seinem lauschigen Biergarten an der Amper für immer geschlossen. "Um uns g'scheid zu verabschieden" hatte Norbert Langosch, der seit 15 in der Traditionswirtschaft den Musikantenstammtisch organisiert, am vergangenen Freitag zu einem letzten Treffen eingeladen, und am Samstag spielte die Emmeringer Blaskapelle in ihrer Gründungs-Gaststätte noch einmal auf.

"Wir verlieren eine der wenigen Wirtschaften, in denen noch in ungezwungener Atmosphäre echte Volksmusik gespielt werden kann", bedauerte Langosch. Die Volksmusikpflege dürfe jedoch nicht vernachlässigt werden, damit ein wesentlicher Bestandteil bayerischer Kultur nicht in Vergessenheit gerät. "Beim Franz und bei der Karin Grätz sind wir immer gern gesehen gewesen und haben uns stets wohl gefühlt", beteuerte Langosch in Richtung der Wirtsleute, die sich mit feuchten Augen um die Gäste in den voll besetzten Räumen kümmerten. 25 Musiker waren mit Harfe, Streichinstrumenten, Ziach, Zither oder Mandoline gekommen und ermunterten die Besucher zum Mitsingen und zum Schunkeln, sowie es früher in vielen Wirtshäusern einmal zugegangen sein mag.

"Wir geben nicht gerne und nur schweren Herzens auf, sind nach langen Überlegungen jedoch zu dem Schluss gekommen, dass wir unter den aktuellen Bedingungen nicht mehr weitermachen können", erzählte Franz Grätz. Nach mehreren Operationen sei er gesundheitlich angeschlagen, aber letztlich hätten auch die Schwierigkeiten, Personal zu bekommen, die Entscheidung beeinflusst. Ganz besonders die immer umfangreicher werdenden Auflagen von Ämtern und Behörden, die vor allem Familiengaststätten in den Ruin trieben. Die Suche nach guten und treuen Servicekräften, die nicht nur Auftragen und Abräumen können, sondern die sich auch für die Qualität und für die Herkunft der Produkte interessieren, um den Gast beraten zu können, ist laut Karin Grätz erfolglos geblieben. Und je nach Wetter abrufbare Hilfskräfte für den Biergarten seien auch kaum mehr zu bekommen.

Zu einer "Riesenbelastung für kleine Restaurants wie wir eines haben" sei mittlerweile die Dokumentationspflicht geworden, schimpfte Franz Grätz. Das Schlimme daran sei, dass einem damit unterstellt werde, nicht sauber, gründlich und ehrlich zu arbeiten. Nahezu jeder Arbeitsgang und jeder Verkauf, selbst eine Halbe ausgegebenes Freibier müsse nachgewiesen werden. "Seit 2016 haben wir eine Betriebsprüfung, wenn man sieht, dass Großbetriebe oft Jahrzehnte davon verschont bleiben, kann sich schon Ärger und Frust aufschaukeln, der an die Substanz geht", kritisiert der Gastwirt. Bei Behördenterminen komme er sich vor "wie ein Schwerverbrecher, obwohl wir stets grundehrlich alles versteuert und angegeben haben". Mittlerweile habe er jegliches Vertrauen in die Politik verloren. "Die da oben akzeptieren wortlos, wie unsere Kleinbetriebe ausgesaugt werden, sie haben jeden Bezug zur Realität verloren", wirft der 54 Jahre zählende Gastronomen den Politikern vor. Seine gleichaltrige Frau Karin ist zudem besorgt über den Verfall der Esskultur in Bayern, "weg vom Traditionellen hin zu schnell und billig".

Im Jahres 1874 hatte der Schneider Thomas Grätz die erste Genehmigung zum Bierausschank erhalten, 1887 übernahm Sohn Leonhard die Wirtschaft. Einer seiner Söhne Franz I. trat 1937 das Erbe an und übergab 1972 an den jetzt 80-jährigen Franz II. und seine 2011 verstorbene Ehefrau Isolde. Franz III. folgte 1994 und muss nach 28 Jahren als Koch und Wirt nun die fast 150 Jahre alte Grätz-Gastronomie aufgeben. Den Hotelbetrieb in der Kategorie drei Sterne will da sehepaar Grätz weiterführen

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