Emmering:So absurd wie real

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Monika Drasch an der Geige und Georg Glasl an der Zither würdigen mit ihrem Auftritt in Emmering das bekannteste Werk über Naturzerstörung und die Veränderung der bayerischen Heimat. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Monika Drasch und Georg Glasl vertonen Dieter Wielands 34 Jahre alte Doku "Grün kaputt"

Von Karl-Wilhelm Götte, Emmering

Da steht sie mit ihrer grünen Geige und ihren rot gefärbten Haaren. Monika Drasch, die wohl vielseitigste Interpretin bayerischer Volksmusik. Neben ihr der Zither-Professor Georg Glasl, der gleich zu Beginn des Konzerts im Emmeringer Bürgerhaus einen Geigenbogen am Rand der Zither entlang gleiten lässt und einen ungewohnten Ton erzeugt. Für den Abschluss der Kreiskulturtage haben Drasch und Glasl eine besondere Premiere vorbereitet. Dazu haben sie für die etwa 80 Besucher Dieter Wielands Dokumentarfilm "Grün kaputt" aus der Versenkung geholt.

Wielands Film ist 34 Jahre alt. Es ist eine vernichtende Kritik an kommunaler und staatlicher Fehlplanung und Landschaftszerstörung. Heute heißt es Flächenfraß. Wieland damals: "Ein Kahlschlag geht durchs Land ... Das Land wird hergerichtet, abgerichtet und eingerichtet." Monika Drasch, 51 und Georg Glasl, 59, holen Wielands epochalen Film wieder hervor, lassen seine Bausünden-Strafpredigt immer wieder vom Band einspielen und begleiten die Texte musikalisch. Viele Töne klingen ganz bewusst so schrill, genauso absurd, wie die Naturzerstörung weitergeht. Drasch besticht durch ihren virtuosen Umgang mit diversen Instrumenten. Sie spielt nicht nur Geige, Zither oder Flöte, auch der Dudelsack kommt zum Einsatz. "Der spröde Klang passt ins Gesamtkonzept", sagt die gebürtige Niederbayerin, die sich in Utting am Ammersee niedergelassen hat, im Gespräch mit der SZ.

Georg Glasl, in Kochel zuhause, ist so etwas wie der "Hexenmeister" des Zitherspiels. Er unterrichtet das Instrument seit vielen Jahren an der Münchner Hochschule für Musik und Theater und ist Präsident des Deutschen Zithermusik-Bundes. In Emmering steht er an einer mikroverstärkten Psalterzither, aus der er eine riesige Bandbreite an Tönen zaubert. Dabei jongliert er mit Klängen, die ebenso schrill und ungewöhnlich klingen und bei denen sich die Besucher fragend anschauen. "Wir fordern das Publikum", sagen beide Musiker übereinstimmend.

"Heimat im Wandel" heißt das Thema, das die Kreiskulturtage vorgeben. "Heimat im G'wandl", meinte Drasch, wäre ein noch besserer Titel gewesen. An Maria Himmelfahrt lässt Drasch auch ihr gespanntes Verhältnis zum Katholizismus deutlich durchblicken. "Da kracht es auch überall", sagt sie, "alte Bilder fangen an zu bröckeln. Keiner weiß, was wird." Ihre Marien-Gesänge mit alpenländischer Klangfärbung sind einer der Höhepunkte des Abends. "Oh Maria Königin", singt der Saal jedes Mal mit. "Zwölf Anrufungen sind gut für ein reines Gewissen bis halb elf", sagt Drasch, die elf Jahre zum Bairisch Diatonischen Jodelwahnsinn gehörte. Die Version mit 144 Anrufungen wäre der völlige Ablass gewesen.

Seit einem Jahr arbeitet das Duo Drasch/Glasl zusammen. Seine Premiere ist musikalisch sehr gelungen. Vor den Wieland-Texteinspielern hätten sich viele Besucher eine Erklärung gewünscht. Es ist das große Verdienst des Künstlerduos, das Thema Naturzerstörung aufgegriffen und quasi vertont zu haben. Großes Lob auch den Machern der Kreiskulturtage um Kreiskulturreferentin Christina Claus und ihrem Team im Landratsamt für dieses Finale. Auch dafür, dass der inzwischen 80-jährige gebürtige Berliner Dieter Wieland, jetzt am Staffelsee beheimatet, diese Vertonung seiner aufrüttelnden Texte in Emmering miterleben durfte. Er herzte zum Dank Drasch und Glasl auf der Bühne und mahnte aufmunternd in seiner unnachahmlichen Diktion: "Wir dürfen nicht nachlassen im Aufpassen auf unsere schöne Heimat."

© SZ vom 17.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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