Süddeutsche Zeitung

Emmering:Paradies der Nackerten

Eine Sauna, Kinderspielplätze und sogar ein Fitnessstudio gibt es auf dem Gelände, Menschen spielen Boule und Indiaca - und zwar nackt. Seit 85 Jahren gibt es die Freie Sportgemeinschaft Amperland. Doch der Verein hat Nachwuchssorgen.

Ariane Lindenbach

Der Weg ins Paradies führt über eine Straße, die die letzten Häuser Emmerings hinter sich lässt. Schmal windet sie sich durch Felder und Wiesen, bis ein geschlossenes Tor den Weg versperrt. Dahinter wartet bereits Franz Huber auf den angemeldeten Gast: "Haben Sie gleich hergefunden in unser kleines Paradies?" Huber ist Vorsitzender der Freien Sportgemeinschaft Amperland, die direkt an der Amper ihr Refugium hat. 17 Hektar, also deutlich mehr als 20 Fußballfelder groß ist das Grundstück bei Emmering.

Trotzdem liegt es sehr versteckt. Wer den Ammer-Amper-Radweg von Olching nach Fürstenfeldbruck nimmt, kann ab und zu einen Wohnwagen durch das Blattwerk am anderen Ufer sehen. Und im Sommer vielleicht sogar einen Nackerten, der gerade in die Amper springt. Denn auch wenn sich die rund 700 Mitglieder als Naturisten bezeichnen und den zunehmend in Zusammenhang mit Pornografie verwendeten Begriff FKK scheuen, geht es bei dem 85 Jahre alten Verein vor allem ums Nacktsein in der Natur.

Beim Spaziergang über das Gelände erinnert vieles an einen Campingplatz in der Nebensaison. Nur dass alles auffallend gepflegt und bis ins kleinste Detail liebevoll hergerichtet ist und keine Zelte herumstehen. Die über das Gelände verteilten zahlreichen Wasserstellen etwa sind in Findlinge eingebaut und auf den ersten Blick nicht als Wasserhahn auszumachen. Es gibt zwei Badehäuser, eines mit Waschmaschine, ein Saunahaus, ein altes (das erste) und ein modernes Vereinsheim mit professionell eingerichtetem Fitnessstudio unterm Dach sowie ein eigenes kleines Jugendhaus und zwei Kinderspielplätze.

Natürlich gibt es jede Menge Sportmöglichkeiten - schließlich ist Bewegung in der freien Natur eine beliebte Aktivität der Naturisten. Vor allem Indiaca und Pétanque, eine Boule-Variante, sind sehr beliebt. Doch es gibt auch einen Fußball- und einen Volleyballplatz, ein Turniertrampolin, vier Luftgewehr-Schießstände und ein Hüpfkissen für Kinder, darüber hinaus Angebote für Gymnastik. In einigen Sportarten beteiligt sich die Freie Sportgemeinschaft mit Mannschaften an Turnieren der Nudistendachverbände.

Am Beispiel des Badmintonplatzes, der auf dem Gelände gerade eingerichtet wird, stellt Huber das Problem seines Vereins exemplarisch dar: Bisher haben die Mitglieder selbst Hand angelegt, wenn auf dem Vereinsgelände Arbeiten anstanden.

Doch die Zahl der Freiwilligen sinkt und auch die, die ihre Mitarbeit bei dem Projekt zugesagt haben, sind laut Huber längst nicht mehr so zuverlässig wie früher. Letzteres sei in vielen Bereichen zu beobachten, "das ist wohl ein Zeichen der Gesellschaft", seufzt Huber. Und dass die Freiwilligen immer weniger werden, liegt natürlich auch daran, dass die Vereinsmitglieder immer älter werden.

Viele können oder wollen sich nicht mehr so engagieren, und Nachwuchs, der diese Aufgaben übernehmen könnte, fehlt. Und so muss Huber Konsequenzen ziehen: "Das war das letzte Projekt in der Größenordnung, weil das dauert zu lange." In Zukunft müssen solche Arbeiten eben von Firmen übernommen werden, die Kosten auf den Mitgliedsbeitrag umgelegt werden.

Doch der Nudistenverein hat sich noch nicht aufgegeben. Zwar ist die Zahl der Mitglieder seit den 1980er Jahren um etwa tausend zurückgegangen. Inzwischen sei sie aber nicht mehr rückläufig, sondern man gewinne sogar das eine oder andere Neumitglied hinzu, berichtet der Vorsitzende. "Die Maßnahmen, die wir in den letzten Jahren getroffen haben, greifen allmählich", resümiert Huber und verweist auf Aktionen wie den Tag der offenen Tür zur Sommersonnwendfeier oder Änderungen in der Satzung, darunter eine Senkung der Aufnahmegebühr und eine Öffnung gegenüber Nichtmitgliedern.

Es sollte zwar immer noch jeder, der vorbei kommt, der Naturistenidee verbunden sein, aber es dürfen nicht mehr nur Menschen auf das Gelände, die Mitglied in einem Nudistenverein sind.

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Quelle:
SZ vom 11.09.2012
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