Emmering:Oasen für seltene Tiere

Lesezeit: 3 min

Auf den Blühflächen der Gemeinde finden sich bedrohte Heuschrecken und Schmetterlinge ein. Auch die Menschen freuen sich und fragen im Rathaus nach dem Rezept für Blumenwiesen. Das ökologische Vorzeigeprojekt findet Nachahmung in acht anderen Gemeinden

Von Ingrid Hügenell, Emmering

Etwa 20 Menschen mit Arbeitshandschuhen, Eimern und Unkrautstechern stehen auf der 130 Quadratmeter großen Fläche vor dem Johanniter-Kindergarten in Emmering. Sie sind auf der Suche nach unerwünschten Beikräutern. Gefunden wird zunächst: eine blauflügelige Ödlandschrecke. Sie wird auf der Roten Liste als gefährdet geführt, ist aber in Bayern und vor allem rund um München noch recht häufig anzutreffen. Für die Gruppe um Naturgartenplaner Reinhard Witt ist die seltene Heuschrecke ein Zeichen, dass ihre Bemühungen sinnvoll sind. Schließlich sollen die blühenden Wiesen und Säume, die in acht Gemeinden und auf kreiseigenen Flächen entstehen, Insekten Lebensräume bieten.

Über den Blüten von Taubenskabiose und edler Schafgarbe summt und brummt es, Hummeln, Wildbienen und Schmetterlinge sind unterwegs. Unerwünschte Pflanzen zeigen sich dagegen kaum, nur etwas Löwenzahn, winzige Ahornsämlinge, Sauerklee und ein großer Kompasslattich müssen ausgezupft werden. "Es ist kaum was drin, was uns stört", sagt Leonhard Högenauer vom Emmeringr Bauhof zufrieden. "Wir hatten bisher fast keine Arbeit mit den Flächen. So soll es sein." Nun sei er gespannt, wie es nächstes Jahr wird. Dann muss auch die Beispielgemeinde Emmering ohne Reinhard Witt auskommen, der bisher auf den dortigen Flächen die nötigen Arbeitsschritte demonstriert hat.

Auch auf kargem Boden am Straßenrand kann man es blühen lassen. (Foto: Matthias Ferdinand Döring)

Je nach Art müssten die Wiesen und Streifen unterschiedlich oft und zu unterschiedlichen Zeiten gemäht werden, erklärt Witt der Gruppe, in der Abgesandte aus mehreren Gemeinden zusammen arbeiten. Am Beispiel Emmerings lernen sie, wie sie ihre eigenen Flächen bearbeiten sollen. Die Fläche am Kindergarten ist nun eine Magerwiese, sie soll im September oder Oktober gemäht werden. Als Faustregel gilt: Blumenwiesen müssen mindestens einmal pro Jahr, spätestens im Herbst, gemäht werden, damit sie Blumenwiesen bleiben. Säume mit höheren Pflanzen wie Königskerze oder Wegwarte bleiben über den Winter stehen, damit Vögel die Samen fressen und Insekten sich verstecken können.

Den Menschen gefallen die blühenden Flächen offenbar auch. Högenauer berichtet von den vielen Radlern, die er immer wieder sieht, wie an der Fläche am Lauscherwörth in Emmering absteigen und den neu angelegten Streifen anschauen. Direkt gegenüber liegt nicht nur das Bürgerhaus, sondern auch der Bauhof, Högenauers Arbeitsplatz.

Auch in den anderen Gemeinden blühen viele Flächen, sie sind mit Schildern gekennzeichnet. Der Streifen entlang der Nassenhausener Straße in Mammendorf zum Beispiel hat sich besonders schön entwickelt. Über ihn hatten im Frühjahr manche Mammendorfer noch gewitzelt, weil er lange kahl blieb. Nun gibt es viel positive Resonanz. Margit Pesch von der Solidargemeinschaft Brucker Land, die die Idee zu dem Projekt hatte, ist auch Gemeinderätin in Adelshofen. "Bei uns rufen Leute im Rathaus an und bedanken sich", berichtet sie. Karin Schmid und Monika Dufner, die in Eichenau und Puchheim für Umwelt zuständig sind, berichten ebenfalls von positiven Reaktionen. "Inzwischen blüht bei uns viel", sagt Schmid. "Es rufen Leute an, die wollen das nachmachen und wollen wissen, was gepflanzt und gesät wurde." Zum Beispiel die Stockschützen hätten es der Gemeinde bereits nachgemacht. Und Werner Egler, einer der Eichenauer Gemeindegärtner, berichtet von schönen Gesprächen mit Menschen, die sich über die blühenden Flächen und die Insekten freuen. Dass die öffentlichen Flächen eine Vorbildfunktion bekommen und Lust aufs Nachmachen machen, darauf haben die Initiatoren gehofft.

Margit Pesch (links) und Leonhard Högenauer beim Jäten am Kindergarten in Emmering. (Foto: Günther Reger)

Die neu angelegten Blühstreifen, Wiesen und Säume werden sich über die Jahre entwickeln. Manche der im vorigen Herbst gesäten Pflanzen sind bisher nur kleine Rosetten, sie werden erst im kommenden Jahr blühen. Dazu gehören viele Nelkenarten, von denen bisher nur kleine Blätter zu sehen sind, die man leicht mit Gras verwechseln könnte. Andere, einjährige Pflanzen, werden bald wieder verschwinden. Wichtig ist, dass Pflanzen wie Löwenzahn oder auch Melde gejätet werden. Denn sie würden die weniger wuchsfreudigen Wiesenpflanzen überwuchern.

Wer selbst eine Wiese anlegen will, hatte es heuer zeitweise schwer, die geeigneten Samen zu bekommen. "Es gab so einen Run, manche Samen waren ausverkauft", berichtet Witt. Die meisten Samenmischungen für Bienen lehnt er als zu wenig nachhaltig ab. Wer blühende Oasen nach dem Vorbild Witts anlegen will: Der Naturgartenplaner hat eine eigene Internetseite und auch zahlreiche Bücher veröffentlicht. Neuerdings gibt es von ihm und seiner Naturgarten-Partnerin Katrin Kaltofen einen Bildband "UnkrautEx", in dem die wichtigsten Unkräuter vorgestellt und notwendige Pflegemaßnahmen erläutert werden.

© SZ vom 01.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: