Süddeutsche Zeitung

Emmering/München:Prozess um Tötung des Bruders

Im Oktober des vergangenen Jahres rastet ein 30 Jahre alter Emmeringer völlig aus und sticht mit einer Machete immer und immer wieder zu

Von Andreas Salch, Emmering/München

Robert K. und sein Bruder hatten öfters miteinander Streit. Wegen irgendwelcher "Dinge, über die man sich eigentlich gar nicht streitet", sagt Robert K. an diesem Donnerstag vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht München II. Auch in der Nacht des 7. Oktober vergangenen Jahres gerieten sich die beiden in die Haare. An jenem Tag hatte Robert K. seinen 30. Geburtstag. In den frühen Morgenstunden des darauffolgenden Tages tötete er seinen drei Jahre älteren Bruder mit einer Machete in der gemeinsamen Wohnung in Emmering.

"Ich weiß auch nicht, was da in mich gefahren ist", sagt der Einzelhandelskaufmann zum Auftakt des Prozesses. In einer Erklärung seines Verteidigers, Rechtsanwalt Günter Reisinger, räumt der 30-Jährige die Tat ein. Er übernehme die "volle Verantwortung". Sein Mandant, so Reisinger, habe jedoch "nicht mit direktem Vorsatz" gehandelt. Gleichwohl sei ihm klar gewesen, dass "die Stiche töten könnten". Zwölf- bis dreizehn Mal" hatte Robert K. seinem Bruder die Klinge einer Machete in den Oberkörper gestoßen. Der 33-Jährige starb noch in der Wohnung "durch Verbluten nach Innen und Außen", wie es in der Anklage heißt.

Sein Geburtstag sei ein "ganz normaler Tag" gewesen, sagt der Einzelhandelskaufmann. Er und sein Bruder arbeiteten in einem Supermarkt. An jenem 7. Oktober 2020 gab es angeblich sehr viel zu tun, so dass beide erst nach Mitternacht nach Hause kamen. "Ich wollte nur ins Bett", erinnert sich Robert K. Doch sein Bruder habe angefangen, mit ihm zu streiten. Er habe eine Machete in der Hand gehalten und eine andere, die noch in der Scheide steckte, nach ihm geworfen und gedroht: "Ich hack' dir den Kopf ab." Mit der Machete, die Karlo K. in der Hand hielt, soll er allerdings weder zugestochen noch zugeschlagen haben.

Robert K. sagt, sein Bruder habe in den Wochen vor der Tat überfordert gewirkt. Er habe mit Selbstmord gedroht. Dreimal sei der 33-Jährige schon in einer psychiatrischen Klinik stationär behandelt worden. An seinem Geburtstag hätten er und sein Bruder Alkohol getrunken und auch Marihuana und Kokain konsumiert. Sein Bruder habe oft "Ausraster" gehabt, "randaliert und rumgeschrien", so K. So sei es auch in jener Nacht gewesen, als der 33-Jährige ihn mit einer Machete bedroht haben soll. "Ich war praktisch in der Falle gesessen", behauptet Robert K.

Er sein in sein Zimmer gegangen, als er die Tür geöffnet habe, habe sein Bruder ihm eine Machete entgegengeworfen. Er habe sie gefangen und dann zugestochen. "Ich habe keinen anderen Weg mehr gesehen." Er sei "sauer" auf seinen Bruder gewesen, weil dieser sich nicht beruhigte. Karlo K. ging nach dem ersten oder dem zweiten Stich im Wohnzimmer zu Boden und blieb auf dem Rücken liegen. Sein Bruder stach dennoch weiter auf den 33-Jährigen ein. Wieder und wieder. "Die Stiche waren mit solcher Intensität geführt, dass die Klinge der Machete den Oberkörper des Karlo K. jeweils vollständig durchdrang und nur durch den hölzernen Parkettboden, auf dem der Geschädigte zu liegen gekommen war, gestoppt wurden", heißt es dazu in der Anklage der Staatsanwaltschaft. Warum er zwölf- bis dreizehn Mal zustach, ist Robert K. angeblich ein Rätsel. "Ich kann selber gar nicht glauben, dass das alles so passiert ist, ich hätte einfach aufhören sollen nach dem ersten Stich", sagt er bei seiner Vernehmung durch den Vorsitzenden des Schwurgerichts, Richter Thomas Bott. Er habe sich in einem "Mischmasch der Gefühle" befunden.

Erst nachdem er seinen Bruder getötet hatte, will Robert K. "realisiert" haben, was eigentlich passiert war. Er habe die Machete, mit der er den 33-Jährigen erstochen hatte, in die "Badewanne geworfen und sich die Hände gewaschen, weil alles voller Blut war." Und dann?, fragte Richter Thomas Bott. Habe er "erst mal nichts gemacht und Panik bekommen", so Robert K. Er sei in sein Zimmer gegangen "weil ich nicht glauben konnte, was passiert ist. Ich war unter Schock."

Es vergingen drei Stunden. In dieser Zeit habe er ein Glas Wein getrunken", berichtet der 30-Jährige. Danach habe er die Leiche seines Bruders an den Füßen aus dem Wohnzimmer gezogen und zwischen Bad und Flur auf dem Boden abgelegt. "Scheiße, scheiße, was mach' ich da überhaupt", habe er sich in diesem Moment gedacht. Schließlich sei er zu der Überzeugung gelangt: "Du musst was sagen." Er habe seine Hose und seine Strümpfe ausgezogen, da sie voller Blut waren, und eine Jogginghose angezogen. Robert K. ging daraufhin zu seiner Nachbarin und sagte ihr, dass er seinen Bruder getötet habe. Der alarmierte Notarzt konnte um 4.12 Uhr nur noch dessen Tod feststellen. Der Prozess dauert an.

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SZ vom 30.07.2021
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