Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Homeoffice beflügelt Umsatz vor der Haustüre

Als Folge der Pandemie entdecken viele Kunden wieder die Läden im eigenen Ort. Dennoch sorgt sich der Einzelhandel wegen Energiekrise und Inflation ums Weihnachtsgeschäft.

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Die Corona-Pandemie hat auch positive Nebeneffekte. So trug sie beispielsweise dazu bei, das Arbeiten im Homeoffice zu etablieren. Davon, dass viele Angestellte nicht mehr täglich ins Büro auspendeln, profitiert wiederum der wohnortnahe Einzelhandel an der Peripherie von Großstädten wie München und damit der Landkreis Fürstenfeldbruck als derjenige mit den meisten Pendlern der gesamten Region. Diesen Wandel des Einkaufsverhaltens bestätigte kürzlich eine Studie des Ifo-Instituts München. Das Ergebnis der Studie, den Trend zur Stärkung des Handels in den Vororten, sieht auch Katrin Schmidt, Vorsitzende des Wirtschaftsverbands Germering und Inhaberin der Buchhandlung Lesezeichen. Sie registrierte, dass mit dem Ende der Lockdowns verstärkt Kunden in Germering einkauften, die früher ihre Besorgungen in München erledigten. Dies führt sie auf die Veränderung des Arbeitslebens durch das Homeoffice zurück. Vor allem an der höheren Kundenfrequenz sei das zu spüren gewesen.

Inzwischen ist die gestiegene Kundenfrequenz laut Schmidt wieder etwas rückläufig. Das führt sie auf die allgemein schwierige Wirtschaftslage zurück, die die positiven Effekte von Homeoffice überlagert. Infolge der Energiekrise und des Kriegs in der Ukraine sind die Menschen verunsichert, weshalb das Geld beim Einkaufen nicht mehr so locker sitzt. Auch wenn die Zeiten für alle schwieriger geworden sind, lehnt es die Buchhändlerin ab, in den üblichen allgemeinen Klagemodus einzustimmen. Für sie geht es darum, das Beste aus dieser Situation zu machen.

In Germering öffnet wieder ein Geschäft für Herrenmode

Das heißt, dort anzusetzen, wo es Defizite gibt. Und die beginnen für Schmidt damit, dass zwar viele gerne an ihrem Wohnort einkaufen wollen, aber leider noch zu wenige wissen, was sie in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld wo bekommen. So stellt sie fest, dass ihre Neukunden oft überrascht sind, dass es in Germering eine Buchhandlung gibt. Daher rät sie dazu, sich auf den lokalen Handel einlassen, sich zu informieren und einfach mal auszuprobieren, was den Kunden in ihrer Stadt oder Gemeinde geboten wird. Wer sich umschaut, könne durchaus Überraschungen erleben, zum Beispiel die, dass es in Germering seit Kurzem wieder ein Geschäft für Herrenmode gibt. Das findet sie einerseits toll. Andererseits weist sie darauf hin, dass es für Einzelhändler schwieriger geworden sei, Kunden zu erreichen.

Auch Christine Scholz, Vorsitzende der Werbegemeinschaft Geschäftswelt Puchheim und Inhaberin eines Schokoladengeschäfts, bestätigt, dass der Trend zum Homeoffice dem lokalen Handel im Speckgürtel gutgetan hat. Nun stehen Konsumenten und Händler jedoch gleichermaßen vor einer neuen Herausforderung. Beide Seiten seien wegen der hohen Energiepreise verunsichert, wüssten nicht, was auf sie zukomme. "Wir verkaufen Luxus", sagt die Händlerin mit Blick auf ihre Branche und das für den Jahresumsatz entscheidende Weihnachtsgeschäft. Obwohl die Menschen wieder mehr sparen, hofft Scholz, dass man sich trotzdem noch einen gewissen Luxus gönnt.

Nach Einschätzung der IHK für München und Oberbayern zeigt die Ifo-Studie eine wahrscheinlich irreversible Entwicklung auf. Der starken Zunahme von Online-Shopping und Homeoffice sowie die damit verbundene Verschiebung des Konsums von großstädtischen Zentren in die Wohngebiete in den Außenbereichen könnte langfristig das Erscheinungsbild der Städte verändern. Die Attraktivität der Stadtzentren werde sich nicht mehr so sehr am Konsum, sondern vor allem am Event- und Erlebnischarakter, also an mehr Konzerten und Festen, messen lassen. In den Vor- und Wohnorten führe diese Entwicklung dazu, dass dort der Konsum steige und der Handel profitiere. So IHK-Sprecher Florian Reil auf SZ-Anfrage. Dieser Trend kann vor allem kleinere Händler an der Peripherie stärken.

Als drastisch beschreibt Bernd Ohlmann, Pressesprecher beim Handelsverband Bayern, die aktuelle Lage des gesamten Handels. Der Türkenfelder stellt anstelle von langfristigen Trends die aktuell schwierige Lage des Handels in den Vordergrund. Angesichts der Energiekrise, des Ukrainekriegs, der gestörten Lieferketten, des Personalmangels und der steigenden Preise sieht er zurzeit für Einzelhändler "Probleme ohne Ende". Weil die Kunden ihr Geld zusammenhalten und im Lebensmittelhandel momentan vor allem die billigen Eigenmarken boomen, blickten viele mit Bangen auf das demnächst beginnende Weihnachtsgeschäft. Die Hoffnungen der Händler ruhen laut Ohlmann in den kommenden Wochen darauf, dass sich die Leute wenigstens zu Weihnachten beim Einkaufen etwas Besonderes gönnen.

Für Udo Klotz, den Geschäftsführer der AEZ-Märkte, sind die Umsätze kein Problem. Die stimmen. Die Herausforderung bestehe darin, was angesichts des hohen Kostendrucks und dem Trend zu Sonderangeboten für den Händler am Ende hängen bleibe.

"Die Situation wird schlechter geredet als sie ist", meint Frank Röhner. Er ist Geschäftsführer des Fürstenfeldbrucker Modehauses Fuchsweber und stellvertretender Kreisvorsitzender des Einzelhandelsverbands. Er rät dazu, die Lage ernst zu nehmen, sich aber nicht entmutigen zu lassen, und sagt: "Wir schauen positiv in die Zukunft." Seinen Optimismus begründet Röhner damit, dass wieder viel gefeiert wird und die Menschen Freude haben wollen. Händler wie er und sein Team hätten Freude daran, schöne Dinge zu verkaufen und Lust auf Mode zu machen. Er setzt auf das von der IHK angesprochene Erlebniseinkaufen. Also auf Verbindung von Events wie Modenschauen oder Veranstaltungen in der Stadt Fürstenfeldbruck als Anreiz zum Kennenlernen des Angebots und zum späteren Einkaufen. Zufrieden registriert der Geschäftsführer, dass ihm der Trend zum Homeoffice den einen oder anderen Neukunden beschert hat.

"Die Situation wird uns im Einzelhandel um die Ohren fliegen", befürchtet dagegen Barbara Magg, die Leiterin der Wirtschaftsförderung im Landratsamt. Weniger Geld der Konsumenten für den kleinen und großen Luxus in Kombination mit exorbitant steigenden Energiekosten stelle den Einzelhandel in den kommenden Monaten vor große Herausforderungen. Die fehlende Planungssicherheit habe bei ihr bereits zu ersten Anfragen geführt, mit welchen Hilfsprogrammen demnächst zu rechnen sei. Hier musste Magg bisher passen. "Wir haben bis dato auch noch keine konkreten Angaben zu den versprochenen Rettungsschirmen", stellt sie mit Bedauern fest.

Franz Höfelsauer ist Kreishandwerksmeister und Vorsitzender des Fürstenfeldbrucker Gewerbeverbands. Auch bei ihm überwiegen die Sorgen. So sieht er im Mangel an Arbeitskräften und den hohen Energiekosten ein großes Konfliktpotenzial für Gewerbe und Handel. Diplomatischer als der Kreishandwerksmeister beschreibt Reil von der IHK die aktuelle Lage des Einzelhandels. Er spricht von einer Konsumzurückhaltung aufgrund erwarteter Einkommenseinbußen und der hohen Inflation.

Corona stärkte nicht nur den wohnortnahen Handel, sondern geht mit einem Trend zum nachhaltigen Konsum einher. So führte die Pandemie auch dazu, dass Verbraucher ihr Konsumverhalten einschränkten und verstärkt auf die Reparatur von Artikeln setzten.

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