Süddeutsche Zeitung

Ein-Personen-Stück:Aus Liebe zum Theater

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Die Bühne im Germeringer Roßstall gehört allein dem großartigen Willi Hörmann. Genau deswegen wird die "Sternstunde des Josef Bieder" für alle ein Fest

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Für Schauspieler, ob Profis oder Laien, gibt es wohl kaum eine besseren Bestätigung ihrer Liebe zu ihrem Beruf, für Opernkundige keine witzigere Zitatensammlung aus den ehrwürdigen Werken. Auch für ein Publikum, das noch nie einen Blick hinter die Kulissen werfen konnte, ist "Die Sternstunde des Josef Bieder" so etwas wie die zarteste Versuchung, seit es Theater gibt. Die Urheber des Stückes, Otto Schenk und Eberhard Streul, stellen ins Rampenlicht, wer sonst im Dunkeln bleibt: den Theaterrequisiteur Josef Bieder. Mit Willi Hörmann, der auch Eigenregie führte und das Bühnenbild entwarf und baute, bietet das Germeringer Roßstall-Theater einen Schauspieler auf, dem die Rolle auf den Leib geschrieben ist.

Josef Bieder kommt auf die Bühne und will mit seinen Requisiten die Bühne einrichten. Unverhofft sieht er sich einem Publikum gegenüber, das an diesem spielfreien Tag gar nicht da sein dürfte. Da die Angelegenheit sich nicht klären lässt, unterhält sich Bieder mit den Leuten da unten, und wird immer mehr zur Unterhaltung selbst. Dabei enthüllt er nach und nach alle Komik und alle Tragik, die sich auf der Bühne und hinter den Kulissen abspielen. Er fährt alle Anekdoten auf, die unter Schauspielenden von Generation zu Generation weitergegeben werden. Er verrät alle Kompetenzkämpfe, die sich hinter den Kulissen abspielen. Er erzählt alle Pannen, die im Scheinwerferlicht passieren können und sich in jeder neuen Generation wiederholen. Er lässt keinen Insiderwitz aus, und jeder ist wahr.

Zur Wahrheit im Stück gehört auch die traurig machende Einsamkeit dieses Bühnenschaffenden, der bei einer ebenso einsamen alten Ballett-Tänzerin zur Untermiete wohnt. Die 90-minütige Liebeserklärung ans Theater gelingt so gut, weil sie von einem leidenschaftlich Liebenden dargebracht wird, von einem, der sein Leben der Bühne verschrieben hat. In dem Riesenmonolog erweckt Willi Hörmann Dutzende von Figuren zum Leben: den machtbesoffenen Regisseur, der in "La Bohème" (zum Nachteil des Requisiteurs) echte Mäuse auf der Bühne sehen will, den Schauspieler, der sich nach dem Bühnentod verneigt, noch von sich selbst ergriffen. Bieder erklärt, was die Bühnenbeteiligten zum Gelingen eines Stückes beitragen. Das sind der "Möbler", der Beleuchter und er als Requisiteur. Amüsant spricht er über Requisite und "Maske", die um die Zuständigkeit für eine Stehlampe oder das Bühnenblut streiten, je nachdem, was damit geschieht.

Bieder erklärt auch dem ebenso erstaunten wie amüsierten Publikum, dass er Rotwein mit Malventee hergestellt, aber Blut mit stark verdünntem Himbeersaft produziert. Essrequisiten stellt er mit einer Banane her - auch eine Bratwurst. Die Requisitenproduktion ist Bieders biederer Alltag. Doch viel mehr interessieren ihn die Akteure auf der Bühne. Die Tänzerinnen und vor allem die Opernsänger. "Ich wäre lieber Sänger geworden", bekennt der Requisiteur und gibt mit dem schwarz-roten Rock der "Carmen" eine Kostprobe seines Könnens; inklusive deren Verführungskunst mit Fächereinsatz. Dann holt er ein Tutu hervor und tanzt den sterbenden Schwan.

Grundsätzliche Theaterwahrheiten werden verkündet: "Nach dem eingetretenen Tod ist meist der größte Applaus."

Aber der aussichtslos in die junge Kollegin verliebte Requisiteur spricht auch Lebenswahrheiten aus: "So richtig braucht man die Jugend erst, wenn man alt ist" und "Das Gefühl hat ja keine Ahnung vom Alter." Und die Liebe zum Theater, zeigt sich an diesem Abend, kann unheilbar sein - und an diesem Abend besonders: verdammt ansteckend. Willi Hörmann ist Josef Bieder, und seine Darstellung ist weit mehr als nur vergnüglich: Wer nie ins Theater gehen wollte, wird an diesem Abend mehr als nur neugierig. Wer vom Theater weg will, spürt hier, warum das schwierig ist. Wer zum Theater will, wird es nach diesem Abend noch mehr wollen. Willi Hörmann wurde vom Publikum zu Recht mit Beifall überschüttet. Erlebten doch die Zuschauer einen hoch vergnüglichen Abend - eine Sternstunde dieses Theaters. Weitere sieben Vorstellungen wird es bis zum 7. April geben. Ein Besuch des Josef Bieder ist ein Muss für jeden Theaterliebhaber.

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Quelle:
SZ vom 12.03.2018
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