Ein 68er schaut zurück:Kennedy-Fan und Vietnamkriegsgegner

Ein 68er schaut zurück: "Health and Happiness": Der Arzt Uwe Klein steht zwischen zwei Musikerplastiken in Jackson Hole, der chinesischen Stadt, in der man gesund alt werden soll und an deren Aufbau der Germeringer beteiligt ist.

"Health and Happiness": Der Arzt Uwe Klein steht zwischen zwei Musikerplastiken in Jackson Hole, der chinesischen Stadt, in der man gesund alt werden soll und an deren Aufbau der Germeringer beteiligt ist.

(Foto: Uwe Klein)

Der Germeringer Uwe Klein, Sohn der Schauspielerin Doris Schade, berichtet von seinen Erlebnissen in den wilden Sechzigerjahren. Heute baut er ein Dorf für glückliches Altern in China auf.

Von Ingrid Hügenell, Germering

Die Ermordung John F. Kennedys am 22. November 1963 war der Auslöser dafür, dass sich Uwe Klein für Politik interessierte. Er war zum Zeitpunkt des tödlichen Anschlags zwölfeinhalb Jahre alt und gründete bald darauf mit Freunden einen Kennedy-Club. "Der Tod Kennedys hat uns tief erschüttert", erinnert sich Klein, der damals das Münchner Ludwigsgymnasium besuchte und heute in Germering lebt. Die Verehrung für den US-Präsidenten erlitt einen heftigen Dämpfer, als die Jugendlichen entdeckten, dass dieser bei der Eskalation des Vietnam-Kriegs "ganz schön zugeschaut hatte", wie Klein heute sagt.

Ein 68er schaut zurück: Der Schüler Uwe Klein im Jahr 1970.

Der Schüler Uwe Klein im Jahr 1970.

(Foto: Uwe Klein)

Weil er wissen will, wie das Gehirn funktioniert, studiert Klein Medizin

Die jungen Leute engagierten sich gegen den Krieg der USA in Vietnam, Klein verfasste Artikel dazu, die in der neu gegründeten Schülerzeitung veröffentlicht wurden. "Da fing bei uns ein Umdenken an", erinnert er sich. "Wir hatten den Eindruck, da scheitert ein System." Der Kennedy-Club löste sich auf. Das Ludwigsgymnasium besuchte zwei Klassen über Klein der spätere CSU-Politiker Peter Gauweiler, der damals auch schon politisch aktiv war. "Da wurde auf dem Schulhof skandiert 'der Gauleiter Gauweiler'", erinnert sich Klein. Das habe Ärger gegeben, aber bestraft wurde niemand, weil man keinen erwischt habe. Klein war noch bei einigen Schülerdemonstrationen dabei und mit protestierenden Studenten unterwegs, doch nach dem Abitur 1971 sei er politisch nicht mehr aktiv gewesen. Über seine Erlebnisse hat er für die TV-Doku "Mythos '68: Ein wildes Jahr in Bayern" berichtet. Sie wird am Dienstag im BR-Fernsehen ausgestrahlt.

Klein nahm in München das Studium der Medizin auf, weil er wissen wollte, wie das menschliche Gehirn funktioniert. Die politische Entwicklung der 68er-Bewegung mit der Radikalisierung und der Entstehung der Terrororganisation Rote Armee Fraktion (RAF) habe ihm gar nicht gefallen, sagt er. "Ich habe mir gedacht: So geht's nicht." 1972 trat er, wie viele andere, wegen der Kanzlerkandidatur Willy Brandts in die SPD ein. Die Ernüchterung sei schnell gefolgt: "Da saßen sie dann und haben sich gegenseitig Bebel vorgelesen." Klein konnte mit dem sozialdemokratischen Vordenker aus dem 19. Jahrhundert eher wenig anfangen. Ihn trieben die Thesen des Club of Rome um, der damals schon in dem gleichnamigen Buch vor den "Grenzen des Wachstums" warnte. "Ich dachte mir, die spinnen, und bin wieder ausgetreten." Seither sei er ein eindeutiger Wechselwähler, sagt Klein. Eine Partei allerdings würde er nie wählen: die mit dem A vorne.

In eine Schublade lässt sich Klein auch beruflich nicht pressen. Nach dem erfolgreich absolvierten Medizinstudium ging er zu Siemens, wo er sich als Betriebsarzt darum kümmern sollte, wie Menschen stressfrei kreativ arbeiten können. Seither gehe es ihm nicht darum, Kranke zu behandeln, sondern eher darum, sich um die Gesunderhaltung der Menschen zu kümmern. Das ist auch Inhalt seines derzeitigen Projekts, für das er sich momentan in China aufhält. Im Bezirk Yanqing, im Nordwesten von Peking, entsteht dort ein Dorf für etwa 1000 ältere Menschen. Es trägt den Namen "Jackson Hole" und sei wie eine amerikanische Westernstadt gebaut, erzählt Klein. Die Menschen sollten dort gesund alt werden und dabei produktiv bleiben können. Denn wenn die Menschen 90 Jahre alt würden, seien sie ein Drittel ihres Lebens alt. "Health and Happiness" seien die Werte, die dort gelebt werden sollten. Das klingt dann doch wieder ein wenig nach Hippie-Vorstellungen, nur eben für Menschen ab 60. "Alles keine blöden Ideen", sagt Klein, der bei dem Projekt einen Drei-Jahres-Vertrag hat und jedes Jahr etwa sechs Monate in China arbeitet.

Viel Zeit für die Familie bleibt da nicht. Klein lebt alleine, hat aber vier Kinder aus zwei Ehen und auch drei Enkelkinder. Er selbst ist der Sohn der bekannten Münchner Schauspielerin Doris Schade und des Schauspielers und Theaterintendanten Heinz-Joachim Klein. Deshalb gibt es noch einen weiteren wichtigen Aspekt in Kleins Leben, in dem "Herzblut" steckt, wie er sagt: Er schreibt Theaterstücke, Drehbücher, Geschichten und auch Romane. Auch seine Erlebnisse in China möchte er irgendwann schriftstellerisch verwerten. Klein rechnet damit, selbst auch 90 zu werden, und die Zeit bis dahin will der 67-Jährige spannend gestalten.

TV-Doku: "Mythos '68: Ein wildes Jahr in Bayern", Dienstag, 10. April, 22.30 Uhr, BR-Fernsehen, Wiederholung am Montag, 23. April, 20.15 Uhr, in ARD-alpha

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: