Eichenau:Strom für die Welt

Der Tüftler Robert Penn hat sich jahrelang mit der Konstruktion von Windkraftanlagen beschäftigt. Ein bizarr anmutendes Schiff hat ihn zu einer neuen Erfindung animiert. Wissenschaftler bezweifeln, dass er damit den globalen Energiebedarf stillen kann

Von Stefan Salger, Eichenau

Sollte die Rechnung aufgehen, dann wäre das nichts weniger als die Lösung des globalen Energieproblems - und niemand bräuchte noch Öl und Gas zu verfeuern. Man stelle sich vor: Eine Anlage erzeugt mehr Energie als man für ihren Betrieb benötigt. Robert Penn, Erfinder aus Eichenau, hat in zweijähriger Arbeit genau eine solche Anlage entworfen. Den Schlüssel sieht er in der wissenschaftlich längst belegten Magnuskraft. Zwei Wissenschaftler freilich zweifeln die Berechnungen an. Ihrer Überzeugung zufolge bleibt es dabei: Das wäre ein Perpetuum Mobile. Und so etwas gibt es nicht und wird es auch nie geben.

'E-Ship 1' liegt in der Werft

Das neue E-Ship 1 liegt 2009 am Kai der Cassens-Werft in Emden, bevor es den Testbetrieb aufnimmt.

(Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Penn lässt sich davon nicht beirren. Er besitzt bereits ein weltweit gültiges Patent. Und seit Monaten verhandelt er mit einem namhaften deutschen Konzern, der Interesse bekundet hat. Den Namen darf er nicht nennen, der SZ liegen aber entsprechende Gesprächsprotokolle vor. Mit einer Versuchsanlage will er den Beweis antreten, dass seine Anlage sehr wohl funktioniert. Penn ist ein Tüftler wie aus dem Bilderbuch: Lange graue Haare fallen ihm auf die Schultern. Und wenn er spricht, ist er nicht zu bremsen. Dann sprudeln Rechenformeln und Fachbegriffe aus seinem Mund. Das hat ihm schon den Namen "Daniel Düsentrieb von Eichenau" eingetragen. Aber mit lustigen Disney-Comics hat der Mann Mitte 50 nicht viel am Hut. 2014 machte er auf sich aufmerksam mit der Entwicklung einer vertikalen Windkraftanlage. Eine Pilotanlage auf dem Gelände des Fliegerhorsts Fürstenfeldbruck nährte die Hoffnung auf einen hohen Wirkungsgrad bei relativ geringen Bauhöhen und auf neuen Schwung in Bayern, wo nach Horst Seehofers Zehn-H-Regelung Windkraftplanungen reihenweise in den Schubladen verschwunden waren. Sogar das renommierte Fraunhofer-Institut bescheinigte dem Tüftler damals, "immer wieder für eine Überraschung gut" zu sein.

Eichenau: Das Prinzip der Rotoren hat Anton Flettner in dem 1926 veröffentlichten Buch beschrieben.

Das Prinzip der Rotoren hat Anton Flettner in dem 1926 veröffentlichten Buch beschrieben.

(Foto: oh)

Die Weiterentwicklung des bereits bekannten vertikalen Windrads wurde im Windkanal getestet und bald schon standen die Fernsehteams bei Penn auf der Matte. Als der gelernte Elektriker aber versuchte, Stadtwerke oder andere große Akteure der Energieerzeugung für sein Projekt zu gewinnen, da merkte er, wie schwierig es ist, Kapital für großtechnische Neuentwicklungen zu akquirieren.

Vor zwei Jahren schoss ihm dann die Sache mit der Magnuskraft durch den Kopf. Das war der Zeitpunkt, als Penn das Interesse an den "flachgelegten" Rotoren schlagartig abhanden kam. Warum sollte er seine Energie verschwenden für einen alten Hut wie Windräder? Wer braucht die denn noch, wenn das mit der neuen Energieerzeugungsanlage klappen sollte?

Eichenau: Robert Penn hat bereits Teile für eine Pilotanlage produzieren lassen, die auf dem gleichen Prinzip beruht.

Robert Penn hat bereits Teile für eine Pilotanlage produzieren lassen, die auf dem gleichen Prinzip beruht.

(Foto: privat)

Die Kenntnisse über das Bauprinzip optimal gestalteter Rotorblätter, wie sie für Windkraftanlagen ebenso benötigt werden wie für Flugzeuge, kam ihm nun zugute. Hier wie dort spielt die Magnuskraft eine entscheidende Rolle (siehe Stichwort). Die hatte vor mehreren Jahrzehnten bereits Anton Flettner erforscht. 1926 erschien unter dem Titel: "Mein Weg zum Rotor", eine 123 Seiten umfassende Schrift, auf deren Titelbild nicht nur der Forscher mit seinen durchdringenden Augen abgebildet ist, sondern auch zwei seiner Entwicklungen: eine Windkraftanlage und ein Schiff mit einem völlig neuartigen Antrieb. Die MS Buckau von 1924 hatte zwei Säulen, die aussahen wie überdimensionale Schornsteine und die - von einem Motor angetrieben - kontinuierlich um die eigene Achse rotierten. Wer dies alles für Spinnerei hält, muss sich nur auf Youtube die moderne Variante ansehen. Das 130 Meter lange Frachtschiff E-Ship One schippert seit 2010 über die Weltmeere. Die Firma Enercon, die ansonsten vor allem Windräder herstellt, hat es auf Kiel legen lassen. Vom Deck ragen vier Flettner-Rotoren in die Höhe. Der im Idealfall von schräg hinten anströmende Wind trifft auf die rotierenden Zylinder und treibt das Schiff vorwärts. Es segelt also ohne klassisches Segel. Im Vergleich zu einem bekannten Segelschiff ist der Wirkungsgrad um Längen besser. Längst wurde sogar mit Flugzeugen experimentiert, die statt der Flügel auf jeder Seite einen Flettner-Rotor haben.

Eichenau: Ein Fernsehteam bei Dreharbeiten im Jahr 2015 auf dem Gelände des Fliegerhorsts. Dort hatte Robert Penn auf dem Dach eines Bunkers die Versuchsanlage eines vertikalen Windrads im Maßstab 1:2 installiert (ein von Luftleitlamellen umgebener Darieus-Rotor), die monatelang im Testbetrieb lief.

Ein Fernsehteam bei Dreharbeiten im Jahr 2015 auf dem Gelände des Fliegerhorsts. Dort hatte Robert Penn auf dem Dach eines Bunkers die Versuchsanlage eines vertikalen Windrads im Maßstab 1:2 installiert (ein von Luftleitlamellen umgebener Darieus-Rotor), die monatelang im Testbetrieb lief.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Robert Penn kam nun auf die Idee, den Wind in einer Energieerzeugungsanlage quasi selbst zu produzieren. Nicht etwa mit einem Gebläse, sondern durch eine schnelle Eigendrehung einer Anlage, die über äußerst reibungsarme Lager und hocheffiziente Generatoren verfügt. Seinen Berechnungen zufolge genügt es, die ersten Drehungen anzustoßen. Anschließend werde die Anlage unter Ausnutzung der Magnuskraft den Strom für den eigenen Antrieb zur Verfügung stellen sowie einen Überschuss. Was nach Science Fiction klingt, ist für einen großen deutschen Industriekonzern spannend genug, um sich seit vielen Monaten mit der Thematik zu beschäftigen und mit penn über die Modalitäten eines Joint Ventures zu verhandeln.

Zwei Wissenschaftler aus dem Fachgebiet äußern sich auf Anfrage der SZ freilich skeptisch und zweifeln Penns Berechnungen vor allem deshalb an, weil er den Wirkungsgrad von Flettner-Rotoren deutlich überschätze. "Bei der Auslegung der Maschine wurden nicht alle Effekte berücksichtigt", wendet etwa Marcus Giglmaier vom Lehrstuhl für Aerodynamik und Strömungsmechanik der Technische Universität München ein. So führe der kontinuierliche Betrieb des von Penn konzipierten Hauptrotors dazu, "dass das Fluid in Rotation versetzt wird und die für die Stromerzeugung notwendige Relativgeschwindigkeit zwischen den kleinen Rotoren und dem umgebenden Fluid gegen Null geht". Holger Watter von der Fachhochschule Flensburg, der sich im Zuge der Strömungslehre und des Studiengangs Energiewissenschaften sehr intensiv mit Magnuskraft und Flettnerrotoren beschäftigt, kommt nach der Analyse der Berechnungen Penns zu einem ähnlichen Urteil. Einen Wirkungsgrad von deutlich mehr als 60 Prozent, wie von dem Eichenauer Tüftler in Aussicht gestellt, hält er für unrealistisch - auch wenn Watter den Flettner-Rotoren durchaus "sehr gute Auftriebswerte" bescheinigt, "die teilweise die Auftriebswerte von Tragflügeln oder Segeln überschreiten können."

Magnuseffekt

Der Magnuseffekt ist benannt nach dem deutschen Physiker Heinrich Gustav Magnus (1802 bis 1870). Er stellt ein Phänomen der Strömungsmechanik dar, das die Querkraftwirkung bezeichnet, die ein rotierender runder Körper (Zylinder oder Kugel) in einer Strömung erfährt. Beschrieben wurde der Effekt bereits hundert Jahre vor Magnus von Benjamin Robins. Magnus gelang es aber erstmals, eine physikalische Erklärung des Effektes zu geben. Ohne Magnuskraft gäbe es Flugzeuge in der heutigen Form nicht. Veranschaulichen lässt es sich das so: Durch den vorne verdickten Flugzeugflügel wird der auftreffende Wind geteilt. Über die Oberkante wird der Wind auf einen längeren Weg gezwungen. Dadurch entsteht über dem Flügel ein Unterdruck und unter dem Flügel ein größerer Druck. Von unten wird also quasi gegen den Flügel gedrückt und von oben wird er angesaugt. Ergebnis: das Flugzeug steigt. Bekannt ist die Magnuskraft auch vom Tischtennis oder vom Fußball. Bananenflanken, für die beispielsweise der frühere Nationalspieler Manfred Kaltz berühmt war, und Schüsse mit bogenförmiger Flugbahn sind nur möglich, wenn der Ball durch den Fuß des Schützen in eine schnelle Rotation versetzt wird. slg

Penn lässt sich von solchen Einwänden nicht bremsen. Wer hätte schließlich früher die Glühbirne oder die Kernspaltung für möglich gehalten? Testaufbauten und Messungen hätten bislang sehr ermutigende Ergebnisse erbracht. Nur eine Versuchsanlage wird wohl letztlich beweisen, wer recht hat. Diese müsse über eine gewisse Größe verfügen, sagt Penn. Einige Teile hat er bereits von Betrieben aus der Luft- und Raumfahrtindustrie anfertigen lassen. In einigen Wochen rechnet Penn mit deren Fertigstellung. Sollte es doch noch funktionieren, dann würde das Ende des fossilen Zeitalters schneller erreicht als bislang prognostiziert.

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