Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Belästigung am Bahnsteig

Richterin verhängt 4000 Euro Strafe wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses gegen 56-Jährigen, der vor einer 17-Jährigen onaniert hat.

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Zweimal in drei Tagen hat eine junge Frau schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht. Das zweite Erlebnis - ein Mann onanierte vor ihren Augen am S-Bahnhof in Eichenau - war nun Gegenstand einer Verhandlung am Amtsgericht in Fürstenfeldbruck. Der 57 Jahre alte Angeklagte räumte selbst ein, damals eine Erektion gehabt und sein Geschlechtsteil durch die Hosentasche angefasst zu haben. Nach seiner Darstellung allerdings wollte er dadurch seine Erregung verbergen. Das glaubten dem Angeklagten weder die Staatsanwältin noch die Richterin. Er wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von 4000 Euro verurteilt.

Es ist drei Tage nach ihrem 17. Geburtstag, ein Freitagnachmittag Ende Mai, als die junge Frau in Eichenau auf die S-Bahn Richtung München wartet. Sie sitzt auf einer Bank, als ihr am Bahnsteig gegenüber ein Mann auffällt. "Er ist immer auf- und abgegangen", berichtet sie ein Dreivierteljahr später als Zeugin im Gerichtssaal. Dann sei ihr seine Hand in der Hosentasche aufgefallen, schließlich "Auf- und Abbewegungen mit der Hand". Ob es denn sein könnte, dass der Mann seine Erektion hatte verbergen wollen, hält die Vorsitzende Richterin der Zeugin die Aussage des Angeklagten vor. "Ich hatte nicht den Eindruck, er will da was verstecken", erwidert die Zeugin ohne lang zu überlegen.

Die Vorsitzende will auch wissen, wie es dem jungen Mädchen damals mit dem Erlebten gegangen sei. "Sehr schlecht", erklärt die 17-Jährige knapp, die von ihrer Mutter begleitet wird. In einem Halbsatz erwähnt sie noch, dass sie erst kurz zuvor ein ähnliches Erlebnis hatte. Richterin Alexandra Marinelli erläutert auf Nachfrage, dass die Geschädigte nur drei Tage vorher, direkt an ihrem 17. Geburtstag, eine ähnliche unangenehme Erfahrung machen musste; dieser Mann konnte jedoch nicht dingfest gemacht werden. Zu jener Zeit im Mai 2022 wurden Mädchen im Teenageralter auch in Olching und Puchheim sexuell belästigt. Dass die Zeugin den Angeklagten mit ihrem Smartphone fotografiert hatte, kommentiert die Richterin so: "Sie hat sich vorbildlich verhalten."

Der Angeklagte, der aus Osteuropa kommt und bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, berichtet zuvor, dass er am Eichenauer S-Bahnhof auf einen Bekannten wartete, der ihm Geld schuldete. Er war nicht verabredet, sondern hatte gehofft, den Mann dort auf seinem Heimweg zu erwischen. Irgendwann habe er die 17-Jährige am anderen Bahnsteig gesehen und eine Erektion bekommen. "Ich habe versucht, das zu verstecken", dazu habe er eine Hand in der Hosentasche gehabt, über der anderen seine Jacke gehängt.

"Was ich nicht verstehe, so wie Sie es heute schildern, war es Ihnen unangenehm, Sie haben versucht Ihre Erektion zu verstecken. Warum drehen Sie sich nicht um?", fragt die Richterin. Der in Inning lebende Angeklagte antwortet, das sei ihm in der Situation nicht eingefallen. Er räumt aber ein, dass man sein Verhalten durchaus falsch hätte interpretieren können. Seine Erklärung hatte der 56-Jährige damals bei der Polizei nicht abgeben. Er wurde dort ohne Dolmetscher vernommen, laut Akten hielt er den wohl für unnötig.

Die Richterin spricht eine Verhaltensempfehlung aus

Doch derartige Details spielen am Ende der Beweisaufnahme auch keine große Rolle mehr. Nach Überzeugung von Staatsanwältin und Richterin hat der Prozess die Schuld des Angeklagten erwiesen. "Sie haben selber zugegeben, dass Sie ein erregtes Glied hatten und Ihre Hand davor gehalten haben", erklärt die Vorsitzende. Um das in der Öffentlichkeit zu verbergen, bedürfe es mitnichten Auf- und Abbewegungen der Hand. "Wenn man merkt, da ist ein junges Mädchen in der Nähe, dreht man sich um", wiederholt die Richterin noch einmal ihre Verhaltensempfehlung vom Anfang.

Sie verurteilt den 56-Jährigen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses zu 100 Tagessätzen zu je 40 Euro. Die Staatsanwältin hatte 120 à 20 Euro beantragt, insgesamt 2400 Euro. Strafmildernd wertet die Richterin das leere Strafregister des Angeklagten und die Tatsache, dass er den Vorwurf weitgehend gestanden und sich dafür glaubhaft entschuldigt hat. Negativ wertet sie, "dass die Geschädigte hier ein minderjähriges Mädchen war" und ihr die Begegnung noch ein knappes Jahr danach sichtlich Unbehagen bereitet hat.

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