Eichenau:Kaum Interesse an Anti-Atom-Protest

Zu einer Veranstaltung in Eichenau über ein belgisches Kraftwerk kommen drei Besucher

Von Karl-Wilhelm Götte, Eichenau

Zugegeben es war ein sehr ehrgeiziges Unterfangen von Albert Hartl, in Eichenau für eine Menschenkette in fernen Aachen mobilisieren zu wollen. Denn von dort bis zum belgischen Atomkraftwerk (AKW) Tihange soll sich diese Menschenkette auf einer Strecke von 90 Kilometern erstrecken. "Stop Tihange" heißt die Aktion, für die auch die Eichenauer Grünen werben. Doch die Einladung Hartls, des Ortsvorsitzenden der Grünen, zu einem Vortrag mit Diskussion über das AKW Tihange lockte am späten Freitagnachmittag nur drei Besucher in die Eichenauer Bürgerstubn.

"Die Veranstaltung war eine spontane Idee von mir", erklärte Hartl bei der kleinen Versammlung. Er bezieht seine Informationen, wie er sagte, von der Anti-AKW-Initiative "ausgestrahlt e.V.", die in Hamburg angesiedelt ist. Die Menschenkette, die am 25. Juni für die Abschaltung von Tihange demonstrieren will, verstehe sich als "Kettenreaktion", die trinational durch die Länder Deutschland, Belgien und die Niederlande führen soll. Der Hintergrund der Aktion sind festgestellte Risse in den Druckbehältern von Tihange. "Die vergrößern sich ständig", berichtete Hartl von der Problematik. Mittlerweile seien die Risse 2,5 Zentimeter breit und 18 Zentimeter lang. "Wie tief sie sind, wird nicht mitgeteilt", so Hartl. Die belgische Atomaufsicht habe jedenfalls die Risse für unbedenklich erklärt und sich für den Weiterbetrieb des AKW ausgesprochen. "Wenn ein Behälter platzt, haben wir ein neues Tschernobyl", warnte Hartl. Leider werde von den belgischen Betreibern nicht mit offenen Karten gespielt.

"Ausgestrahlt" bezeichnet die Reaktoren im belgischen Tihange und Doel als "marode" und plädiert in Deutschland für einen sofortigen Atomausstieg und nicht erst 2022, wie es die Bundesregierung beschlossen hat, wenn mit Isar 2 in Essensbach bei Landshut das letzte AKW abgeschaltet werden soll. Hartl überzeugt: "Es ist genügend erneuerbare Energie da, um den Atomstrom zu ersetzen." Fünf der acht Atomkraftwerke würden sowieso nur noch für den Stromexport laufen. Schon jetzt würden die bestehenden Stromtrassen ausreichen, um auch Süddeutschland mit Windstrom aus dem Norden zu versorgen. Zudem produzierten die AKW tagtäglich neuen Atommüll, dessen Entsorgung bis heute nicht geklärt ist.

Doch alle noch so guten Argumente für einen sofortigen Atomausstieg oder eine Menschenkette in Aachen als Widerstandsform mobilisieren in Eichenau kaum Menschen. Selbst die grünen Aktivisten vor Ort kamen trotz des grünen Ur-Themas nicht zur Versammlung. Warum ist der Widerstand gegen die Atomkraft trotz des Atomunfalls von Fukushima vor sechs Jahren scheinbar schon wieder erlahmt? "Aachen ist mir zu weit", meinte Hartl, habe er immer wieder von Parteifreunden gehört. Er selbst werde sich wohl auf den Weg zur Menschenkette machen. Die sei von 70 auf 90 Kilometer erweitert worden und führe jetzt von Aachen und Lüttich über Maastricht nach Tihange. Hartl hatte dazu Postkarten verteilt, mit denen man Freunde zur Teilnahme auffordern kann.

Die Eichenauer Grünen hatten mit Plakatständern für die Veranstaltung geworben. "Wir haben 13 aufgestellt", erzählte Thomas Barenthin, "sechs davon sind weg oder sind zerstört worden." Barenthin, Gemeinderat der Grünen, wollte nicht an einen Zufall glauben, sondern vermutete gezielte Zerstöraktionen. Drei kaputte Ständer habe der Bauhof eingesammelt, habe er sich erkundigt. Er habe auch beim Ständer an der ehemaligen Eichenauer Post gesehen, dass das Befestigungsband aus Plastik offenbar gezielt mit einem Feuerzeug angesengt worden ist. Auch Hartl war deshalb überzeugt: "Das liegt wohl am Thema." Er werde den Vorfall der Polizei melden.

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