Zwar lärmten in ein paar Gärten die Rasenmäher, aber auch Gelächter, Geplauder und Musik unterbrachen die Samstagsnachmittagsruhe. Eine Stimmung, nach der sich Eichenau seit dem langen Corona-Winter sehnte. Die Lockerungsöffnung fand eine buchstäbliche Umsetzung. Gartentore wurden aufgesperrt, Fremde in den privaten Bereich eingeladen. Willkommenskultur, Neugier und gute Laune waren auch von einem kurzen Regenschauer nicht zu bremsen.
Durch ein privates Gartentürchen zu treten und noch nicht zu erahnen, was sich hinter den hohen Sträuchern verbergen könnte, das kostet Überwindung. Umso größer die Überraschung, wenn da Menschen bei Kaffee und Kuchen über Kultur plaudern. Auf der Terrasse von Eva Bader war die Künstlerin Henriette Hense mit ihren Werken zu Gast. Das war ein Zufall in mehrfacher Hinsicht. Henriette Hense hat eine ganze Serie von Tierbildern gemalt, während Eva Bader Tiergeschichten schrieb. Ein Bild Henses befasst sich mit Eva Baders Roman "Rita Maiburg". Dennoch kannten sich die beiden Damen nicht. Zusammengebracht hat sie Céline Lauer, die Kulturreferentin der Gemeinde Eichenau. Die Idee des Kulturgärten-Events entstand beim traditionellen Kulturstammtisch, der im Dezember wegen des Lockdowns nur virtuell stattfinden konnte. Céline Lauer ist froh, dass der Veranstaltungstermin von Mai auf Juni verschoben werden musste. Sonnenschein, grüne Gärten und Coronalockerungen haben das Eichenauer Kulturpublikum in großer Zahl angelockt. Bürgermeister Peter Münster und seine Frau besuchten mit dem Fahrrad die Ausstellungsorte. Kunst interessiert ihn nicht nur in seiner Eigenschaft als Bürgermeister. Auch privat sammelt das Ehepaar Münster Gemälde: "Meistens stehen wir vor einem Bild und wissen, wo wir es aufhängen wollen." Projektideen wie eine Skulptur für den Eichenauer Kreisel gäbe es viele, so Münster, jedoch die Finanzierung sei nicht immer leicht.
Eva Kessler vom Kunstareal verkaufte im Coronajahr mehr Pop-Art-Bilder als in den Jahren zuvor. Malkurse und Kindergeburtstage sind brandneue Bestandteile ihres Angebots. Eva Kessler ist eine Macherin, ohne die es das Kunstareal nicht gegeben hätte. Sie entwickelte das Konzept des Werkstätten- und Atelier-Areals gemeinsam mit dem Vermieter Markus Fritz. Sieben Künstler arbeiten auf dem Gelände. Uli Baab etwa mietet die ehemalige Spenglerei. Eine Vielfalt von Kunstkursen, von Holzbildhauerei bis hin zu Körpermalerei für Frauen, werde in den Räumen möglich. "Das Atelier ist meine Meister-Eder-Werkstatt," sagt Uli Baab. Tatsächlich hat die Nutzung des Geländes Freiheit und Zuversicht gebracht in einem schwierigen Jahr, in dem das Hadern mit Bürokratie und Finanzamtsangelegenheiten nicht nur Uli Baab in heftige Krisen gestürzt hat.
Unterdessen trat das Geigerduo Wolfram Lohschütz und Viktoria Margasyuk mit Barockmusik von Jean-Marie Leclair und keltischen Fiddle-Stücken wie Morrison's Jig im Garten des Areals auf. Eine Atmosphäre jenseits von Wettbewerb und Verkaufsgesprächen wurde dadurch möglich. Die schattenspendende grüne Fülle der frühsommerlichen Gartenpracht entspannte die Anwesenden zusätzlich. Der Maler und Zeichner Joachim Oberländer vervollständigte die friedliche Idylle mit seinen Landschaftsbildern. 2019 ist er ins Kunstareal umgezogen, als er sein altes Atelier verkaufte. "Die Gemeinschaft lebt von der Unterschiedlichkeit", sagt er.
Henriette Hense bannt einen Fuchs mit Adidas-Faible zwischen einer bunten Auswahl an Schuhen auf Leinwand.
Aus Holz gefertigte Skulpturen von Hans Ullmann fügen sich ins Grüne.
Jedoch soll Kunst überraschen. Wie, das zeigte Anja Herz unter dem Namen "Mikrolux" mit Projektionen im Schuppen ihres privaten Gartens in der Flurstraße. Sie stellte gemeinsam mit ihrem Mann Z-ROK Wolfgang Lehnerer aus - ein Treffen unterschiedlichster Welten auf engstem Raum. Wie psychedelische Textilien wirken die Dias von Mikrolux. Zwischen zwei Objektträgern aus Glas formen sich geschmolzenes Plastik, Farbe und Insektenreste zu kaleidoskopartigen Bildern, die mit einem Projektor an Laken geworfen werden. Alles bewegt sich, die Projektionsflächen und das Licht, das wiederum durch Glasscheiben abgelenkt wird.
Ein Reihenhaus an der Roggensteiner Allee verwandelte sich in einen Zaubergarten der Malerei. Von den pastellfarbigen, von Monet beeinflussten Naturbildern Michaela Conrads über die beeindruckenden Selbstporträts Dagmar Horn-Schmids bis zu ihrem Gemälde mit dem stahlblauen Himmel über dem überfüllten Flüchtlingsboot, das neonfarbige Schatten aufs Meer wirft, hat die Gartengastgeberin Monique Knipping die Werke in Büschen und Bäumen wie in einem Outdoor-Museum aufgehängt. Sie war überrascht vom großen Zulauf der Kultur-Spaziergänger: "Es ist etwas Besonderes, in den Garten eines Fremden zu gehen, um Kunst anzusehen."