Süddeutsche Zeitung

Eichenau:Lärm macht nur die Südkurve

In Eichenau zelebriert die CSU einen anderen politischen Aschermittwoch als in Passau. Landrat Thomas Karmasin reflektiert über 27 Amtsjahre und zieht Vergleiche zum Fußball.

Von Erich C. Setzwein, Eichenau

"Der Politische #Aschermittwoch in Passau findet zum Glück wieder statt. Hier wird #Klartext gesprochen und da hat die übertriebene 'political correctness' Pause. Wir rücken zusammen und stellen uns für die Landtagswahl auf." Worte des CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder, gesendet via Twitter vor seiner anderthalbstündigen Rede in Passau.

"Passau ist die Südkurve der CSU." Worte des Fürstenfeldbrucker CSU-Landrats Thomas Karmasin beim politischen Aschermittwoch seiner Partei in Eichenau.

Bevor Thomas Karmasin in die Friesenhalle kommt, hat er sich in Passau den Auftritt des Ministerpräsidenten angesehen. Dessen Darstellung im Landtagswahljahr ist aber nicht die seine. Vom CSU-Ortsvorsitzenden Michael Wölfl gebeten, ohne thematische Vorgabe ein paar Worte an die rund 80 Teilnehmer des christsozialen Fischessens zu richten, kommen die leisere Töne, er reflektiert über 27 Amtsjahre und verkneift sich selbstverständlich nicht ein paar kleinere Seitenhiebe. An diesem Abend wirbt er für Benjamin "Benji" Miskowitsch, der gern wieder in den Landtag einziehen möchte, und Karmasin berichtet aus der kommunalen Praxis. Wie es eben so ist als Landrat und als Chef der Landräte in ganz Bayern.

Die Friesenhalle in Eichenau ist maximal bestuhlt, aber nur etwas mehr als die Hälfte der Plätze ist besetzt. Die Wirtefamilie Ledic, die auch bei Großveranstaltungen nie Personalprobleme zu haben scheint, serviert gebackenen Rotbarsch mit Kartoffelsalat, Fisch-Curry oder Skrei-Filet an Steckrübenstampf. Vom Musikverein Eichenau gibt es gepflegte blasmusikalische Unterhaltung. Am Tisch des Vorstands mit den Rednern des Abends setzt man auf solide Küchenkunst und bestellt panierten Fisch.

Solide ist dann auch, was folgt. Kein Getöse, kein Geschrei, dafür Informationen und Einblicke, die man nicht so oft bekommt. Etwa die Erkenntnis, dass der Bus vor der Haustür des Landrats in Adelshofen alle 20 Minuten fährt und Karmasin die Verbindung nach Fürstenfeldbruck einmal auch schon ausprobiert hat. Bayerns bestes Bussystem zu haben, das darf sich Karmasin auf seine Fahnen schreiben. Er ist stolz darauf und mahnt an, dass noch mehr ihr Auto stehen lassen und diesen tollen Nahverkehr nutzen sollten.

Nicht so glücklich ist er über die Ticket-Offensiven der Ampel-Regierung. Das Neun-Euro-Ticket im vergangenen Jahr sei freilich gut angenommen worden: "Man trinkt auch mehr Bier, wenn es Freibier ist", kommentiert er diese Aktion und kritisiert die darauf folgende. Niemand habe durchgerechnet, was das 49-Euro-Ticket koste, niemand wisse, wann und wo es eingeführt werde. "Das muss von jedem Kreistag beschlossen werden", erläutert er das Procedere.

In den 27 Jahren als Landrat habe er ein Ziel nicht erreicht, gibt der 60-Jährige unumwunden zu: Bürokratie abzubauen. Ständig neue Verordnungen und Gesetze, deren Weg immer gleich sei: "Es ist wieder etwas passiert, und dann sitzen sie bei Anne Will zusammen und fordern schärfere Gesetze." Karmasin ist überzeugt, dass es mit weniger Vorschriften auch gehen würde: "Wir können den Vollkaskostaat zurückfahren, wenn der Einzelne wieder mehr Verantwortung übernimmt." Seinen Zuhörern verriet er, wie es sei, wenn man von Vorschriften nicht ausgebremst wird. Im Katastrophenfall während Corona, da habe er entschieden, auch wenn von anderer Seite Bedenken vorgetragen wurden: "Ist ja auch nichts passiert."

Solche Allein-Entscheidungen kann Benjamin Miskowitsch, politischer Weggefährte und Freund Karmasins, nicht vorweisen, wenn er über seine ersten Abgeordnetenjahre berichtet. "Ich bin im Amt angekommen", stellt der 37-Jährige fest und enttäuscht mögliche Erwartungen, beim politischen Aschermittwoch draufzuhauen. Auf die Opposition in München, auf die Ampel in Berlin. "Das bin ich nicht, ich möchte nur meine Arbeit machen." Am liebsten auch nach der Wahl am 8. Oktober, und dafür wirbt er an diesem Abend.

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