Süddeutsche Zeitung

Eichenau:Bocklet reichen drei Gleise

Ein viergleisiger Ausbau der S 4 sei zu teuer und nicht notwendig

Von Peter Bierl, Eichenau

Der Landtagsabgeordnete Reinhold Bocklet (CSU) hat die Schrumpfung des Ausbaus der S 4 auf nur drei Gleise mit finanziellen Aspekten begründet. Das sei ausreichend, um eine Pünktlichkeit auf heutigem Niveau zu erhalten, schrieb der Politiker seinem Parteifreund Dirk Flechsig, der in Eichenau im Gemeinderat sitzt und Bürgermeister werden will. Der Eisenbahnexperte Ralf Wiedenmann kritisierte diese Haltung. Eigentlich sollte zusätzliche Kapazität für Verbesserungen im Angebot der S-Bahn erreicht werden, etwa ein Zehn-Minuten-Takt. Jetzt sei nur noch von der aktuellen Pünktlichkeit, "die bekanntlich sehr zu wünschen übrig lässt", die Rede, moniert Wiedenmann. Mit drei Gleisen ließe sich bei weitem nicht der Nutzen erzielen wie mit vieren.

Jahrzehntelang hat die bayerische Staatsregierung einen viergleisigen Ausbau der S 4 bis Buchenau versprochen. Vorschläge von Verkehrsexperten, als Übergangslösung wenigstens eine dritte Trasse zu bauen, bügelten die Experten von Bahn und Staatsregierung als Flickwerk ab. Dann verkürzte die Regierung den Abschnitt bis Eichenau und reduzierte ihn schließlich auf drei Gleise. Nach Ansicht von Bocklet reicht das auch. Aufgrund des "äußerst knappen Nutzen-Kosten-Verhältnisses" habe man auf ein viertes Gleis verzichtet, schrieb er.

Im Rahmen des Optimierungsprozesses für den Streckenausbau habe sich gezeigt, dass für die aktuell zu erwartenden Entwicklungen im Fern- und Nahverkehr, der S-Bahn sowie dem Güterverkehr ein viergleisiger Streckenausbau nicht zwingend erforderlich sei. Wichtig sei der Umbau des Westkopfs Pasing, der einen Engpass darstellt, dann genügen drei Gleise. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten gezeigt, "dass das zu erwartende Pünktlichkeitsniveau trotz der unterstellten erheblich gesteigerten Verkehrsmehrungen auf der Strecke der S 4-West im Bereich der aktuellen Werte gehalten werden könne".

Bocklet verweist auf die DB Netz AG, die mit Überleitweichen über alle Gleise zwischen Aubing und Puchheim sowie einer Verbindungsweiche vom S-Bahn-Gleis stadtauswärts in das mittige Gleis vor Pasing auszukommen will. Mit den Ergebnissen einer Vorplanung rechnet Bocklet erst bis 2017, weil die Bahn die Planung eines barrierefreien Ausbau des Bahnhofs Puchheim vorgezogen habe.

Der Eisenbahnexperte Ralf Wiedenmann erinnerte daran, dass der damalige Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) bereits im März 2012 erklärte, die Vorplanung sei erstellt. "Was bitte schön ist in den vier Jahren passiert. Nichts", rügte Wiedenmann. Unverständlich sei auch, dass der Freistaat der Bahn AG zwölf Millionen Euro für die Planung zur Verfügung stelle, ohne "Meilensteine für den Planungsfortschritt" zu vereinbaren.

Dafür gibt es seiner Ansicht nach nur zwei Erklärungen: "Nur der Staat kann so dumm sein, einen Auftrag zu vergeben ohne Termine. Oder: Weder Bahn noch Freistaat haben wirklich ein Interesse den S 4-Ausbau voranzubringen. Die ständigen Versprechungen sind nur Theater um die Pendler und das Wahlvolk zu vertrösten." Wiedenmann hofft, dass sich Bürgermeisterkandidat Flechsig mit den Erklärungen nicht zufrieden gibt.

Fragwürdig ist auch die Nutzen-Kosten-Rechnung. Der Faktor, den Zeil 2012 präsentierte, lag mit 1,04 nur knapp im positiven Bereich. Die Kosten des viergleisigen Ausbaus wurden in der Studie mit rund 340 Millionen Euro beziffert. "Der Ausbauumfang muss optimiert werden", kündigte der Minister an. Allerdings werden bei dieser Berechnung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben höhere Einnahmen des MVV, die dadurch entstünden, dass der Takt verdichtet und mehr Pendler die S-Bahn benutzen, überhaupt nicht berücksichtigt.

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SZ vom 30.04.2016
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