Süddeutsche Zeitung

Eichenau:Bedrohte Werte

Markus Rinderspacher macht Europawahlkampf in Eichenau

Von Erich C. Setzwein, Eichenau

Es ist etwas zu spüren von dieser Begeisterung für Europa, es ist aber genauso zu spüren eine große Sorge um die Europäische Union. Markus Rinderspacher, Vizepräsident des bayerischen Landtags, ist im Europawahlkampf für seine SPD nach Eichenau gekommen und verbreitet Motivierendes wie Verstörendes. Motivierend deshalb, weil er die Errungenschaften dieser EU auch auf Leistungen der Sozialdemokratie zurückführt, weil er die Werte wie Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit anführt sowie den wirtschaftlichen Erfolg, von dem vor allem auch Bayern profitiere. Und doch verstört Rinderspacher mit seiner Prognose, dass es das Europa von heute nach der Wahl zum EU-Parlament am 26. Mai so nicht mehr geben könnte, wenn dort Kräfte an die Macht kommen, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Union abzuschaffen.

Es sind keine auf Wahlwerbespots komprimierten Botschaften, die Markus Runderspacher am Montagabend unter die etwa 25 Besucher der Veranstaltung des SPD-Ortsvereins Eichenau in der Aula der Josef-Dering-Schule bringt. Er verlangt seinem Publikum ab, seinem einstündigen Vortrag über "Europa: Unsere Stimme und unser Platz auf der Welt" genau zuzuhören. Um zu erkennen, dass die SPD durchaus ihren Anteil an der Entwicklung europäischer Staaten von der Wirtschaftsgemeinschaft zu einer Union gehabt habe, und dass diese Union von innen wie von außen bedroht werde. So ist für Rinderspacher der zunehmende Nationalismus in vielen europäischen Mitgliedsstaaten, wie etwa Polen, Ungarn, Frankreich, Schweden und Finnland sowie in Österreich nicht nur eine schleichende Gefahr. Nationalismus, und da zitierte Rinderspacher den ehemaligen französischen Staatspräsidenten Francois Mitterand, bedeute Krieg. Die 20 derzeit auf der Welt geführten Kriege und die 200 bewaffneten Konflikte drehten sich nicht um Wasser- oder Ölvorkommen geführt, sondern seien "ideologische und religiöse Kriege und aus nationalistischem Wahn heraus geführt". Deshalb gelte es sich davor zu schützen, den Einfluss derjenigen, die mit angeblich einfachen Antworten Lösungen auf die komplexen Probleme geben wollen, durch die Wahl von demokratischen, am Rechtsstaat und vor allem am Frieden interessierten Parteien zu verhindern.

Dass es Defizite in der Europäischen Union gibt, daran gibt es für Rinderspacher keine Zweifel. Zu wenig getan werde im Sozialen, stellte er fest. Alles sei auf die Wirtschaft ausgerichtet, es gebe keine Grenzen für Handel und Gewerbe, aber neben dem Wohlstand, den diese Freizügigkeit bringe, gebe es eben auch soziale Schattenseiten. Ein europäischer Mindestlohn schwebt dem SPD-Wahlkämpfer vor, ein Arbeitslosengeld auf gleichem Niveau und gleichwertige Lebensbedingungen. Auch Demokratiedefizite seien feststellbar, die Einschränkung der Pressefreiheit zum Beispiel, die Gleichschaltung der Justiz, die Rechtsstaatlichkeit sei in einigen Ländern in Gefahr. Dazu käme die unverhohlen vorgetragene Drohung aus China, die Einflusssphäre auszuweiten. "Mit repressivem Leninismus wird beinhart durchregiert", sagte Rinderspacher und verlangte, dass sich der kommenden Supermacht nur ein in sich gestärktes und nach außen gemeinsam und stark auftretendes Europa entgegenstellen könne.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4446418
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.05.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.