Süddeutsche Zeitung

Eichenau:Auf dem Holzweg

Die Debatte über eine neue Heizung für Schule und Rathaus in Eichenau zeigt, wie schnell Experten an ihre Grenze kommen

Von Erich C. Setzwein, Eichenau

Wie die Klimaziele erreichen, wie die CO₂-Neutralität schaffen, wie Energie einsparen? Die Fragen, die sich die Jugend an den "Fridays for Future" stellt und die Abkehr von fossilen Energiequellen fordert, diese Fragen stellen sich immer mehr Kommunalpolitiker. Vor allem wenn sie gezwungen sind zu handeln, wie jetzt in Eichenau. Denn dort ist die Zeit für die mehr als zwei Jahrzehnte betriebene Heizzentrale für die Josef-Dering-Schule und das Rathaus gekommen. Die politische und technische Diskussion zeigt exemplarisch, wie leicht es dabei ist, Fehler mit weitreichenden Auswirkungen zu machen.

Noch sind diese Fehler nur auf der theoretischen Ebene passiert, aber sie wären ohne das Interesse und den Sachverstand im Eichenauer Gemeinderat vielleicht nicht erkannt worden. Denn die politischen Gremien verlassen sich bei den immer komplizierter werdenden Prozessen, wie etwa bei technischen Neuerungen, Förderrichtlinien oder gesetzlichen Vorgaben, viel stärker auf die Expertise von Fachbüros, Gutachtern und Sachverständigen. Wer dann in der Annahme, es sei alles richtig, was da vorgetragen wird, über hohe Investitionen entscheiden muss, der kann womöglich falsch liegen.

Fehler passieren, das ist menschlich, aber sie entstehen auch aus Unkenntnis und Nachlässigkeit. Wie daneben Fachleute liegen können, wenn sie sich auf ein Gebiet begeben, das nicht ihr ureigenes Wissensterrain ist, zeigt sich am Beispiel einer Studie zum Energieverbrauch der Gasheizanlage in der Ortsmitte und den Alternativen beim Neubau der Wärmeversorgung. So sollte die beauftragte Firma zunächst untersuchen, ob und wie es möglich wäre, Photovoltaik zur Stromerzeugung auf die Dächer von Schule, Turnhalle und Rathaus zu bringen. Die Berechnung ergab, dass wohl mehr Strom durch die Sonneneinstrahlung produziert werden würde, als für die Versorgung der öffentlichen Gebäude benötigt wird. Den übrigen Strom ins öffentliche Netz einzuspeisen, würde der Gemeinde auch Einnahmen bringen.

Warum dann diese Firma auch mit Untersuchungen zu alternativen Heizsystemen beauftragt wurde, ist noch nicht geklärt, aber allem Anschein nach passierte das der Einfachheit halber. In einer Verwaltungsvorlage ist davon die Rede, dass die Thematik der Wärmeversorgung "nicht vollumfänglich dem Kompetenzbereich eines Elektrofachplaners" entspreche.

Der Fachplaner entschuldigte sich in der jüngsten Gemeinderatssitzung auch dafür, keine besseren Ergebnisse erzielt zu haben. Es seien Schlüsse auf der Basis von Annahmen und Zahlen gezogen worden, die mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmten, kritisierten fachlich versierte Mitglieder der CSU-Fraktion. Vor allem für Liegenschaftsreferent Michael Wölfl sind die Studienergebnisse so noch nichts wert und stellen keine Basis für die notwendigen politischen Entscheidungen dar.

Weder vollständig durchdacht, noch entscheidungsreif ist die neue Heizanlage. Sollte die Gemeinde ihre Vorbildfunktion wahrnehmen, wie die Gemeinderäte stets betonen, dann müsste sie sich von fossilen Energieträgern völlig verabschieden. Derzeit werden für die mit Erdgas befeuerte Heizung der öffentlichen Gebäude im Ortszentrum 650 000 Kilowattstunden angesetzt. Zum Vergleich: Ein gut gedämmtes, durchschnittlich großes Einfamilienhaus mit etwa 120 Quadratmetern verbraucht laut der Berechnung eines großen Energieversorgers für Heizung und warmes Wasser pro Jahr knapp 20 000 Kilowattstunden Gas.

Wobei, wie Michael Wölfl kritisch anmerkte, in der Josef-Dering-Schule derzeit fast gar kein warmes Wasser benötigt werde. Im Rathaus, fügte er hinzu, gebe es keine zentrale, an die Heizung gekoppelte Warmwasserversorgung, sondern in den Sanitärräumen nur Heißwasserboiler. Hans Hösch, CSU-Gemeinderat und Finanzreferent, fasste die letztlich niederschmetterende Erkenntnisse über die Gebäudetechnik und die künftigen Klimaauflagen so zu zusammen: "Wir werden uns etwas einfallen lassen müssen.

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SZ vom 12.10.2021
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