Eichenau/Alling:Eine schwierige Scheidung

Nach vielen Streitigkeiten hat sich die Gemeinde Alling vor 60 Jahren von ihrem Ortsteil Eichenau getrennt

Von Manfred Amann, Eichenau/Alling

Seit 1. April 1957 existieren Alling und Eichenau als selbständige Gemeinden nebeneinander. Nach langjährigem Trennungsstreit war es der Muttergemeinde Alling vor 60 Jahren gelungen, ihre ständig wachsende Siedlung im Unteren Allinger Moos endlich los zu werden. Heute ist vom einstigen Zwiespalt nichts mehr zu spüren. Stattdessen bestimmt harmonische Nachbarschaft das Nebeneinander, aus dem auf vielen Ebenen ein Miteinander geworden ist. Groß feiern wollen die Gemeinden das Jubiläum nicht. Während man im Allinger Rathaus von dem historisch bedeutsamen Ereignis kaum Notiz nimmt, erinnert Eichenaus Bürgermeister Peter Münster im April-Mitteilungsblatt in großen Lettern mit dem Wortlaut "Eichenau wird 60 - Unsere Geburtstagsgeschenke für Sie" daran. Zum Geburtstag wurde der Film "Trash Detektive" der Eichenauer Produzenten Martin Schwimmer und Dominik Utz gezeigt. Zudem sind im Rathaus bis 31. Mai Bilder von Hannelore Lütje und Henriette Hense und bis Anfang Juni eine Fotoausstellung Eichenauer Hobbyfotografen zu sehen.

Die Entwicklung des Trennungsstreits liest sich wie ein Polit-Theater. Kaum zu glauben, dass vor nicht einmal 200 Jahren zwischen den beiden Endmoränen der Riß-Eiszeit, Hoflacher Gern und Emmeringer Leite, im Verlaufe des damals noch wild mäandernden Starzelbachs mit seinen angrenzenden nassen Moorwiesen mit Tümpeln noch kein Haus stand. Eine erste schriftliche Notiz über das Gelände gibt es von 1846, nachdem ein Schlachtschwert mittlerer Größe, drei Gürtelmesser, ein Reitersporn, eine Streitaxt, mehrere Hufeisen und etliche Münzen mit der Jahreszahl 1406 gefunden worden waren, die ein Kämpfer vermutlich in der Schlacht bei Hoflach im Jahr 1422 verloren hatte. In dieser Schlacht besiegten die Bayern-Herzöge Ernst und Wilhelm III. ihren Vetter Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt und entschieden den Bayerischen Krieg für sich. Als erster Siedler wird in der Eichenauer Ortschronik des ehemaligen Bürgermeisters Alfred Rehm ein Josef Stockmeier aus Neudorf bei Regensburg genannt, der 1863 zwischen der heutigen S-Bahn-Haltestelle und dem Staatsgut Roggenstein unter einer einzeln stehenden Eiche ein Gebäude errichtete.

Eichenau

Hier ein Foto des Ortes aus dem Jahr 1966.

(Foto: Privat/oh)

Im Jahr 1907 lebten von 742 Allingern 48 in der Siedlung, die im selben Jahr auf Antrag des dort sesshaft gewordenen Gastwirts Leonhard Mayr den Namen Eichenau erhielt. Die Regulierung und Begradigung des Starzelbaches in den Jahren 1910 bis 1912 brachte einen Siedlungsschub. 1914 ließ Regierungsrat Josef Nibler, der damalige Amtsvorstand des königlichen Bezirksamtes Fürstenfeldbruck, für die "Kolonie" den ersten Bebauungsplan erstellen. Billige Grundstücke, die Nähe zur Eisenbahnhaltestelle Roggenstein, die 1934 nach Eichenau verlegt wurde und die landschaftlichen Anziehungspunkte lockten Naturliebhaber, überwiegend aber arme Siedler aus München nach Eichenau. Im Dezember 1918 führte Kriegsheimkehrer Adolf Pfaffinger den Anbau der Pfefferminze ein, wodurch viele Siedler über Jahrzehnte hinweg ein gutes Einkommen erzielen konnten.

Die Entwicklung der Kolonie zu einer weitläufigen Siedlung führte bald zu Spannungen mit der Muttergemeinde. Im Juni 1919 wurden erstmals zwei Eichenauer in den Gemeinderat gewählt. Im gleichen Jahr erzwangen Eltern nach eineinhalbjährigem Schulstreik bei der Regierung den Bau einer eigenen Volksschule. Damals lebten 277 Menschen in Eichenau. Bereits 1925 stellte Eichenau die Mehrheit der Gemeinderäte und noch im selben Jahr wurde die Gemeindeverwaltung gegen den Willen der Allinger in die Siedlung verlegt. In der Folge wuchs der Wunsch nach Trennung von der immer mächtiger werden Kolonie, für die zum Aufbau der Infrastruktur auch das meiste Geld der Gemeinde floss. Entsprechende Anträge eines Allinger Bürgerkomitees wurden von der Eichenauer Mehrheit abgelehnt und hatten trotz Vordringens bis in die höchsten politischen Instanzen keinen Erfolg. "Krieg am Starzelbach" titelte damals eine Zeitung. 1926 wurde in Eichenau die Schutzengelkirche gebaut. Während der Zeit des Nationalsozialismus war die Abspaltung kein Thema. Im Jahre 1948 griffen 340 Allinger den Trennungsgedanken wieder auf, trotz Ablehnung im Gemeinderat erreichten sie aber eine Abstimmung, die für die Trennungsbefürworter in einem Desaster endete. Da die Trennungsbestrebungen nicht verstummten, ordnete das bayerische Innenministerium im April 1951 eine Volksabstimmung an, die erneut zum Ergebnis hatte, Alling in seinem Bestand zu erhalten.

Eichenau

Desaster für die Trennungsbefürworter: In der Abstimmung im Jahr 1951 spricht sich eine Mehrheit der Bürger für ein Zusammenbleiben aus.

(Foto: Privat)

Verärgert darüber sabotierten die Allinger 1952 die Kommunalwahl. Als Folge davon saß kein Allinger mehr im Allinger Gemeinderat. Bei den Wahlen 1956 ließ sich der Allinger Mathias Friedl mit Unterstützung der zuvor gegründeten Dorfgemeinschaft Alling in den Gemeinderat wählen. Friedl stellte den Trennungsantrag erneut und konnte die Eichenauer Ratskollegen davon überzeugen, dass eine selbständige Gemeinde Eichenau sowohl für die Muttergemeinde als auch für die Siedlung von Vorteil sei. Nur ein Jahr später verfügte das Innenministerium die Trennung. Damals hatte Eichenau etwa 3300 Einwohner. Heute leben dort, auch bedingt durch den S-Bahnanschluss, fast 12 000 Menschen, in der Muttergemeinde Alling knapp 4000.

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