Ehrenamtliche Asylhelferin:Oma hilft

Thema Asyl

Ob beim Sprachenlernen, bei der Haus- und Gartenarbeit oder beim Beten: Ingrid Ammon und ihr Mitbewohner, der Syrer David Chakhto, sind ein Team.

(Foto: Günther Reger)

Rentnerin Ingrid Ammon berät in ihrem Haus in jeglichen Alltagsfragen

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Auf dem Tisch im Wohnzimmer von Inge Ammon liegt das Handy griffbereit neben Unterlagen, Notizbüchern und Akten. Die Witwe eines evangelischen Pfarrers ist ehrenamtliche Asylhelfern und neben ihr sitzt Sara, eine junge Iranerin, die sie seit Jahren berät und betreut. Eigentlich ist das Wohnzimmer in der Reihenhaussiedlung im Westen von Fürstenfeldbruck so etwas wie ein Flüchtlingsberatungsbüro. Die Fürstenfeldbruckerin ist nämlich schon seit 25 Jahren in der Asylarbeit tätig. Da sie entsprechend erfahren ist, ist ihr Rat gefragt. So sehr, dass sie Termine vergeben muss, um alle Anfragen zu erledigen. Sara hat Stress. Sie bewarb sich um ein Praktikum von vier Monaten bei BMW in München und soll sich am Montag vorstellen. Die junge Frau, die seit drei Jahren hier lebt, möchte die Stelle unbedingt bekommen. Deshalb hat sie mit Inge Ammon, die sie liebevoll nur "Oma" nennt, viel zu besprechen.

Sara und Inge Ammon warten auf den Rückruf der Mitarbeiterin der Arbeitsagentur in München, die die Iranerin betreut und ihr die Stelle bei BMW vermittelt hat. Als das Handy klingelt, ahnen beide noch nicht, welche Riesenchance mit dem Praktikum verbunden ist. BMW will sich stärker im Iran engagieren und sucht Mitarbeiter, die die Landessprache können. Und auch Saras berufliche Qualifikation würde passen. Die anerkannte Asylbewerberin hat in ihrer Heimat in einer Schuhfabrik gearbeitet und dort Schuhe entworfen und dekoriert. Eine Mitarbeiterin mit genau solchen Erfahrungen suchen die Münchner Autobauer zur Umsetzung ihrer Expansionspläne im Iran. Als die beiden Frauen das hören, können sie ihr Glück kaum fassen. Eigentlich ist Sara nicht wählerisch, sie würde auch in der Altenpflege arbeiten, wie sie erzählt. Auch hier absolvierte sie bereits ein Praktikum. Jetzt ist Sara mit ihrer Wahloma sehr zufrieden: "Ich liebe Oma", sagt sie. Es ist Inge Ammon, die ergänzen muss, dass sie Sara gelegentlich schon schimpfen muss, damit sie "in die Pötte kommt".

Die Asylhelferin ist an diesem sonnigen Herbsttag nicht nur wegen der Aussicht auf eine Stelle für ihren Schützling zufrieden. "Mein Leben ist so reich geworden", bekennt sie. Und was ihr Leben so bereichert, dass sind die Arbeit für und das Zusammenleben mit Flüchtlingen. Mit am Tisch sitzt nämlich auch noch ein Syrer. David Chakhto ist vor drei Jahren von der Arme in Syrien desertiert, weil er den psychischen Druck nicht aushielt, auf Menschen schießen und sie töten zu müssen. Er zielte immer etwas höher, wie er berichtet. Als die Belastung unerträglich wurde, floh er in die Türkei. Seit einiger Zeit lebt David, der Aramäisch, die Muttersprache von Jesus, spricht und ein syrischer Christ ist, wie in einer Wohngemeinschaft mit Oma Ammon in deren Haus zusammen. Das hat offensichtlich auch ihm Glück gebracht. Der 29-Jährige ist seit Juli für einen Stundenlohn von 8,80 Euro bei einer Zeitarbeitsfirma angestellt, die ihn zu einer Münchner Druckerei vermittelt hat. Und der Chef der Druckerei bot David nun an, ihn im Januar mit einem besseren Lohn fest anzustellen. "Weil er so akkurat arbeitet", ergänzt Inge Ammon, die auch David nur Oma nennt.

Der 29-Jährige studierte in Syrien Kinderpsychologie, nun tuckert er Poster und Bilder in Rahmen fest und ist froh, überhaupt arbeiten zu können und sich den Lebensunterhalt selbst zu finanzieren. Die Asylhelferin lobt den Syrer in höchsten Tönen. "Er ist sehr feinfühlig", sagt sie, und ziehe sich zurück, wenn Besuch komme. Zudem hilft der Syrer im Haus mit, er mäht den Rasen, scheidet die Sträucher im Garten und hilft bei Besorgungen. Zudem braucht Inge Ammon ihren Mitbewohner ständig als Dolmetscher, wenn sie Flüchtlingsquartiere besucht. Die Witwe ist ausgelastet. Schließlich erledigt sie im Helferkreis die Schulanmeldung der Fürstenfeldbrucker Flüchtlingskinder und den damit verbundenen Behördenkram. Als sie sagt, "wir brauchen dringend Helfer", klingt das leicht verzweifelt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: